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19. Juli 2021
Erklärungsfiktion: Schweigen ist keine Zustimmung!

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Erklärungsfiktion: Schweigen ist keine Zustimmung!

Erklärungsfiktion innerhalb definierter Grenzen möglich

Der BGH hält es jedoch für vorstellbar, dass über eine genau definierte Erklärungsfiktion die vertraglichen Regelungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden geändert werden können. In einem solchen Fall bedarf es jedoch zuvor einer definierten gegenständlichen Beschränkung, welche einzelnen Details angepasst werden können.

Unter Berücksichtigung dieses somit sehr stark eingeschränkten Anwendungsbereiches der Erklärungsfiktion dürfte die Klausel für den Versicherungsmakler uninteressant geworden sein. Denn für ihn ist derzeit nicht vorhersehbar, welche „Details“ eines Maklervertrages möglicherweise einer (gesetzeskonformen) Anpassung bedürfen.

Wirksame Änderung des Maklervertrags

Wie kommt nun eine wirksame Änderung des (Versicherungs-)Maklervertrages zustande? Es gab in der Praxis bis dato keinen wirklichen Änderungsbedarf in Versicherungsmaklerverträgen und in der Regel wurde eher ein neuer Vertrag aufgesetzt, der den alten ersetzen sollte. Künftig wird dieses Vorgehen wohl die einzige Möglichkeit zur Vertragsänderung darstellen. Eine automatisierte Änderung der AGB des Versicherungsmaklervertrages auf den gesamten Versicherungsbestand eines Maklers ist nach dem vorliegenden Urteil des Bundesgerichtshofs nicht mehr möglich.

Fazit

In Analyse dieser aktuellen Rechtsprechung können wir Versicherungsmaklern nur dringend anempfehlen, auf die Möglichkeit einer einseitigen Vertragsänderung durch Schweigen des Kunden zu verzichten.

Bislang hatte diese vertragliche Gestaltungsregelung keine wirkliche Relevanz für die Versicherungs­makler. Sie haben von der Erklärungsfiktion schlichtweg bislang keinen Gebrauch gemacht. Auch zukünftig wird der Versicherungsmakler dementsprechend für Ver­trags­­änderungen einen neuen Versicherungsmaklervertrag beim Kunden einholen müssen, da es vorliegend eines Neuabschlusses durch übereinstimmende Willenserklärungen aller Vertragsparteien bedarf. Der Versicherungsmakler benötigt also nun immer die aktive Zustimmung des Kunden bei Vertrags­änderungen.

Über den Autor

Stephan Michaelis LL.M. ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gründer der Kanzlei Michaelis.

Zum Hintergrund: Gebührenrückforderung

Das BGH-Urteil zur Erklärungsfiktion ist der Abschluss eines Rechtsstreits zwischen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Postbank. Die Entscheidung hat zur Folge, dass alle durch Zustimmungsfiktion zustande gekommenen Gebührenerhebungen und -erhöhungen nichtig sind. Unrechtmäßig verlangte Erhöhungen seit 2018 können auch noch zurückgefordert werden. Sie sind bisher nicht verjährt. Die Stiftung Warentest geht davon aus, dass betroffene Kunden im Schnitt einen dreistelligen Betrag zurückfordern können. Auf die betroffenen Banken und FinTechs dürften derweil Kosten und Ertrags­ein­bußen in Milliardenhöhe zukommen. Allein die Deutsche Bank spricht von Belastungen in Höhe von 300 Mio. Euro.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2021, Seite 96, und in unserem ePaper.

Bild: © andranik123 – stock.adobe.com; Porträt: © Kanzlei Michaelis

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Ein Artikel von
Stephan Michaelis, LL.M.