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1. März 2022
EU-Taxonomie: Was ist künftig sozial nachhaltig?
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EU-Taxonomie: Was ist künftig sozial nachhaltig?

Nach der EU-Umwelttaxonomie soll auch ein Regelwerk zur Klassifizierung sozial nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten entworfen werden, um Kapital für Firmen, die einen hohen gesellschaftlichen Nutzen stiften, zu mobilisieren. Das EU-Expertengremium hat nun eine Empfehlung vorgeschlagen.

Erklärtes Ziel der Europäischen Union (EU) ist es, dass Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Erde wird. Ein wichtiger Schritt dahin ist die Wende hin zu einer nachhaltigen, CO2-emissionsfreien und klimafesten Wirtschaft. Infolgedessen soll nach den Vorstellungen der EU privates Kapital nicht nur für klima- und umweltfreundliche, sondern auch für Wirtschaftsaktivitäten mit hohem sozialen Nutzen mobilisiert werden. Allerdings laufen Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber schnell in die Gefahr, mit ihren Investments auch sozial schädliche Wirtschaftsaktivitäten wie Menschenrechtsverletzungen durch Kinderarbeit oder Sklavenarbeit zu unterstützen. Zur Verhinderung solcher Fehlallokationen will die EU ein Regelwerk zur Klassifizierung von Wirtschaftsaktivitäten entwickeln, die einen hohen sozialen Nutzen stiften: die sogenannte EU-Sozialtaxonomie. Das EU-Beratungsgremium hat nun über ihre Ausgestaltung eine Empfehlung erarbeitet, die AssCompact vorliegt.

Drei Leitziele für sozial nachhaltige Aktivitäten

Demnach hat das Expertengremium – die sogenannte Plattform für nachhaltiges Finanzwesen – nun drei Sozialziele formuliert, die ein hohes gesellschaftliches Wohlergehen garantieren. So soll eine sozial nachhaltige Wirtschaftsaktivität entweder

  • zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen in der vollständigen Wertschöpfungskette oder
  • zu einem angemessenen Lebensstandard und Wohlergehen für die Endverbraucherinnen und -verbraucher oder
  • zur Entstehung und Verstetigung integrativer Gemeinschaften

beitragen. Antje Schneeweiß, die Leiterin der Gruppe, kommentiert die Empfehlung gegenüber der Deutschen Presse Agentur (dpa): „Gäbe es nur eine Umwelt- und keine Sozialtaxonomie, so würden viele Wirtschaftsbereiche durchs Raster fallen. Die Produktion von bezahlbaren Impfstoffen spielt in der Umwelttaxonomie keine Rolle – sie ist für unsere Gesellschaft aber sehr wichtig und sollte daher ebenfalls Rückenwind durch die Taxonomie bekommen.“ Sozial nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten können entsprechend der Expertinnen und Experten künftig dadurch identifiziert werden, dass sie zu mindestens einem Sozialziel der EU-Sozialtaxonomie wesentlich beitragen, kein anderes Sozialziel wesentlich beeinträchtigen und einen (sozialen oder ökologischen) Mindestschutz gewährleisten. Der Forderung der Rüstungsbranche über eine Klassifizierung als sozial nachhaltige, weil sicherheitsgarantierende Branche, kamen die Fachleute indes nicht nach.

Zusammenspiel von Umwelt- und Sozialtaxonomie

Zugleich darf die Tätigkeit der Firmen keine unerwünschten Nebenwirkungen auf den Umweltbereich haben. Wenn beispielsweise eine Agrarfirma relativ gute Löhne zahlt, bei ihrer Produktion aber für einen hohen CO2-Ausstoß oder andere Umweltfolgen verantwortlich ist, so sollte sie nach Angaben des Expertengutachtens nicht als positiv eingestuft werden. „Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die Etablierung einer Sozialen Taxonomie. Mit ihr wird die Auseinandersetzung mit Werten und positiven sozialen Beiträgen für die Gesellschaft bei allen Kapitalmarktakteuren gefördert. Wir brauchen aber einfache, gut verständliche und vor allem umsetzbare Lösungen. Ein Übermaß an bürokratischem Aufwand wird gesellschaftliche Veränderungen eher verhindern als fördern“, gibt Thomas Katzenmayer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Kirchenbank, der EU für das weitere Vorgehen mit auf den Weg. (as)

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