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25. Februar 2021
Existenzschutz wird durch Covid-19 noch brisanter

Existenzschutz wird durch Covid-19 noch brisanter

Die BU-Versicherung eignet sich nicht immer für alle Berufsgruppen und -verhältnisse gleichermaßen. Existenzschutz ist in der Breite notwendig, sagt Dr. Frank Schiller, Chief Actuary Life & Health Reinsurance Europa und Naher Osten bei Munich Re.

Es ist kein Geheimnis, dass der Wettbewerb in der BU-Versicherung der letzten Jahre und Jahrzehnte dazu geführt hat, dass der Deckungsumfang immer mehr erweitert wurde. Gleichzeitig werden Produkte zielgerichteter für einzelne, weniger stark Berufsunfähigkeitsrisiko-exponierte Berufs- und Personengruppen entwickelt, was zu einer immer stärkeren – aber letztlich auch risikoadäquateren – Spreizung der Preise führt. Für die höher exponierten Berufsgruppen wie etwa Handwerker oder Pflegekräfte bedeuten beide Entwicklungen aber steigende Preise, und das trotz des Preiswettbewerbs.

Folgen von Corona-Infektionen

Grundsätzlich sind durch Corona-Infektionen ausgelöste dauerhafte Leistungen in der BU-Versicherung und auch in anderen Arbeitskraftabsicherungen gedeckt. Für Analysen der Versicherungsleistungen ist es jetzt noch zu früh. Schließlich stehen Studien zu langfristigen Folgeschäden noch aus. Es ist aber durchaus möglich, dass es Menschen geben wird, die infolge einer Covid-19-Infektion ihren Beruf nicht mehr oder nicht mehr in bisherigem Umfang ausüben können. Auch die Pandemie verdeutlicht damit, wie wichtig die Einkommensabsicherung – auch aufgrund gesundheitlicher Ursachen – für die Breite der Bevölkerung ist. Die BU-Versicherung ist aber gerade für die geringer Verdienenden nicht mehr bezahlbar und eine Deckungslücke entsteht, die der Staat nicht mehr durch die Sozialversicherung schließen kann.

Existenzschutz muss auch für Geringverdiener bezahlbar sein

Für diese Lücke werden seit einigen Jahren zwei alternative De­ck­ungskonzepte im deutschen Markt angeboten:

  • Die Grundform einer Versicherung für „Schwere Erkrankungen“ leistet einmalig die vereinbarte Summe bei Eintritt einer Erkrankung aus einem vordefinierten Leistungskatalog. Typischerweise sind dort mindestens Krankheiten wie Krebs, Herz­infarkt und Schlaganfall jeweils ab einem bestimmten Schweregrad aufgeführt, die in der Regel zu längerfristigen oder dauerhaften Erwerbseinschränkungen führen. Infektionskrankheiten fehlen aber häufig in der Liste.
  • Bei einer Grundfähigkeitsversicherung wird eine monatliche Rentenzahlung fällig, wenn bestimmte vordefinierte Tätigkeiten des (beruflichen) Alltags wie etwa Gehen, Tragen, Schreiben oder Autofahren nicht mehr ausgeführt werden können.

Beiden Versicherungen ist gemein, dass sie gerade für Zielgruppen mit höherem Risiko der Berufsunfähigkeit gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung deutlich günstiger sind. Einer der Gründe für den niedrigeren Preis ist die fehlende Deckung psychischer Erkrankungen, die inzwischen einen großen Anteil der Leistungen in der BU-Versicherung ausmachen. Bei Männern sind es ca. 25% der aktuellen Berufsunfähigkeitsleistungen, bei Frauen sogar etwa 30%.

Aber nur billig ist nicht automatisch gut. Welche Alternative ist als Existenzschutz besser geeignet?

Vor- und Nachteile der Alternativen für den Existenzschutz

Ein großer Vorteil für beide Alternativen bei einer guten und transparenten Gestaltung der Produkte ist die leichte Verständlichkeit. Sowohl bei der Schwere-Erkrankungen-Versicherung als auch bei der Grundfähigkeitsversicherung können die Leistungsauslöser klar und nachvollziehbar beschrieben werden. Wichtig sind hier konkrete und transparente Definitionen der Erkrankungen bzw. Grundfähigkeiten, die auch für behandelnde Ärzte gut und objektiv einschätzbar sind. In der Regel muss ein Arzt aufgrund der Befunde oder anderer Unterlagen entscheiden können, ob der versicherten Person eine Leistung zusteht oder nicht.

Unter dieser Voraussetzung einer klaren und eindeutigen Beschreibung der Leistungsauslöser sind beide Produkte grundsätzlich gut vergleichbar und Kunden können zielgerichtet die Leistungskataloge aus den im Markt verfügbaren Produkten auswählen, die sie für richtig halten. Die Marktübersicht, Beratung und Auswahl des geeigneten Produkts erfordert aber immer noch einen kompetenten Vermittler oder es muss Transparenz über Produktratings oder Vergleichsportale geschaffen werden.

Diese freie Gestaltung der Leistungsauslöser ermöglicht für beide Alternativen einen optimalen Lösungsansatz für die Entwicklung eines Existenzschutzes für spezifische Zielgruppen. Für die Grund­fähigkeitsversicherung können diese Zielgruppen die oben angesprochenen teuren Berufe in der BU-Versicherung sein, für die berufsspezifische Fähigkeiten über die Zusammenstellung des Grundfähig­keitskatalogs abgedeckt werden. Bei der Produktgestaltung sind demnach die wichtigsten Faktoren die richtige Auswahl und Kombination der Leistungsauslöser, damit die zielgerichteten Leistungen für einen attraktiven Marktpreis, und die Möglichkeit, eine fokussierte und einfache Risikoprüfung im Verkaufsprozess anzubieten. All das führt zu einem gut zugeschnittenen Angebot, das auch auf digitalen Vertriebswegen oder telefonisch einfach und gut einem Kunden zu vermitteln ist – gerade während der Kontaktbeschränkungen in der Pandemie ein wichtiger Vorteil beider Lösungen. Mit dieser starken Spezialisierung, die auch inzwischen schon im Markt zu beobachten ist, kann dann aber auch umgekehrt die Vergleichbarkeit der einzelnen im Markt angebotenen Lösungen leiden, was neben Kunden insbesondere Maklern und Ver­gleichsportalen das Leben erschwert, einen guten Vergleich über alle für einen Kunden sinnvollen Produkte zu ermöglichen.

Grundfähigkeitsversicherung hat die Nase vorne

Mit zwei Eigenschaften kann aber insbesondere die Grundfähigkeitsversicherung punkten. Ähnlich wie eine BU-Versicherung leistet sie eine laufende Rente. Im Leistungsfall muss sich daher der Versicherte nicht erst noch Gedanken machen, wie er die Einmalleistung, wie sie bei einer Schwere-Erkrankung-Versicherung fällig wird, über die ungewisse Dauer der Invalidität verteilen soll. Die Grundfähigkeitsversicherung leistet immer bis zum Ende der Invalidität oder bis zum Rentenbeginn.

Ein weiterer Vorteil der Grundfähigkeitsversicherung ist die von der Ursache unabhängige Beschreibung des Leistungsauslösers. Immer wenn bestimmte Tätigkeiten nicht durchgeführt werden können, wird geleistet, unabhängig davon, ob die Ursache ein Unfall, eine Infektion oder eine andere Erkrankung war. Es kommt nur auf die Auswirkung an. Damit ist eine Grundfähigkeitsversicherung der bessere Ersatz für eine Absicherung der Arbeitskraft.

Die Mischung macht’s

Aber auch die Schwere-Erkrankung-Versicherung hat natürlich ihre Vorteile. So können beispielsweise für Selbstständige kurzfristige Kosten für eine Vertretung direkt gedeckt werden oder für Angestellte der Investitionsbedarf für eine Umschulung oder ein kurzfristiger Arbeitsausfall. Daher ist letztlich oft die opti­male Lösung für den Einzelnen eine Kombination aus beiden Lösungen.

Und damit es noch einfach für den Verbraucher zu verstehen bleibt und eine transparente Beratung möglich ist, bietet sich ein flexibles Baukastensystem bestehend aus den beiden Komponenten an. Es gibt also preisgünstige Lösungen auch für Geringverdiener, die zielgerichtet eine Einkommensabsicherung bieten und auch bei beruflichen Einschränkungen infolge einer Covid-19-Erkrankung schützen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2021, Seite 36 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Looker_Studio – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Frank Schiller