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24. September 2019
FinVermV: Zwischen Schande und Chance

FinVermV: Zwischen Schande und Chance

Die Finanzanlagevermittlungs-Verordnung (FinVermV) ordnet die Spielregeln für rund 38.000 Finanzberater in Deutschland neu. Entsprechend aktiv waren Verbände, Maklerpools aber auch Verbraucherschützer während des Gesetzgebungsverfahrens. Seit Freitag ist die neue FinVermV nun durch. AssCompact hakt nach und zeigt die Reaktionen der Branche auf den Bundesratsbeschluss.

Die Neuregelung der FinVermV ist eines der wichtigsten Finanzgesetze des laufenden Jahres. Die neuen Regeln für Vermittler von Finanzanlagen in Deutschland sollten eigentlich schon Anfang 2018 verabschiedet werden. Tatsächlich schaffte es die FinVermV erst am vergangenen Freitag in den Bundesrat. Ohne Wortbeiträge und ohne Änderungen segnete die Länderkammer den Tagesordnungspunkt 68 ab. Damit war der Widerstand von Branchenvertretern und Verbraucherschützern gleichermaßen erfolglos. Weder hat es das von Verbraucherschützern geforderte Provisionsverbot auf den letzten Metern in die Verordnung geschafft, noch konnte das verpflichtende Taping gestrichen werden.

Verabschiedung keine Überraschung

Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand des VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V., ist nicht überrascht, dass der Verordnungsentwurf zur FinVermV den Bundesrat ohne Änderungen passiert hat. Ernsthafte Sorgen müsse man sich deswegen nicht machen. „Wir sehen die Branche für die Umsetzung der FinVermV gut gerüstet. Die Verordnung ist hierbei auch das klare Signal an die Anlagevermittler, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen“, so Klein gegenüber AssCompact. „Eine Umsetzung der Anforderungen insbesondere im Bereich der verpflichtenden Kundeninformationen, der Geeignetheitserklärung und der sich anschließenden Betreuung, ohne Unterstützung entsprechend intelligenter Programmlösungen, erachten wir als nicht durchführbar.“

Eine Chance für Finanzanlagenvermittler

Auch der Maklerpool FondsKonzept sieht in der Verabschiedung der FinVermV einen Treiber für digitale Angebote und Services. „Die Änderung der FinVermV ist für Finanzanlagenvermittler nach § 34 f und h GewO eine Chance, die Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle voranzutreiben“, meint Martin Eberhard, Vorstand für Marketing und Vertrieb bei FondsKonzept. Makler sollten die FinVermV als Anlass dazu nehmen, ihre Prozessabläufe und Strukturen effizienter zu gestalten. Eberhard begrüßt zudem unter anderem die Regelungen zu Interessenkonflikten bei Vergütungen: „Unabhängigkeit in der Beratung ist ein zentrales Qualitätsmerkmal von Finanzmaklern und kann mit der FinVermV gegenüber den Kunden offensiv ausgespielt werden.“

Provisionsverbot durch die Hintertür abgewendet

Auch Dr. Sebastian Grabmaier, CEO der JDC Group, kann der FinVermV in Sachen Vergütungen Positives abgewinnen. „Das Beste an der nun verabschiedeten FinVermV ist das, was nicht drinsteht: Vermittler dürfen auch in Zukunft Vergütungen erhalten, ohne dafür eine bessere Qualität der Beratung nachweisen zu müssen. Das drohende ‘Provisionsverbot durch die Hintertür‘ ist damit abgewendet“, so Grabmaier gegenüber AssCompact. Auch bleiben Altersvorsorgeprodukte weiter von den Ideen des Verbraucherschutz-Ausschusses des Bundesrates verschont.

BVK begrüßt Übergangsfrist und Regeln zur Vergütung

Auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) begrüßt, dass das Vergütungssystem auf Provisionsbasis unangetastet gelassen und nur dahingehend korrigiert wurde, dass Zuwendungen seitens der Produktgeber nicht mit der Verpflichtung der Finanzanlagenvermittler kollidieren dürfen, im bestmöglichen Interesse des Anlegers zu handeln. Positiv sei zudem, dass Vermittlern und Honorar-Finanzanlagenberatern eine zehnmonatige Übergangsfrist gewährt wird, um ihre Berufspraxis an die neue Rechtslage anzupassen.

Falsch verstandener Verbraucherschutz

Trotz einiger positiver Aspekte hagelt es von den Branchenvertretern aber auch Kritik an der neuen FinVermV. Nach Auffassung des BVK enthält sie zum Beispiel einige Regelungen, die Finanzanlagenvermittler aufgrund eines falsch verstandenen Verbraucherschutzes unverhältnismäßig und unnötig belasten werden. „Insbesondere kritisieren wir die Aufzeichnungspflicht elektronischer und telefonischer Kommunikation, das sogenannte Taping“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz.

Taping: Rechtsunsicherheiten und viel Arbeit

„Taping bürdet den rund 38.000 Finanzanlagenvermittlern viel Arbeit auf und wird auch zu Rechtsunsicherheiten führen“, meint Heinz. In Beratungsgesprächen werde schließlich nicht immer eindeutig sein, wann ein aufzeichnungspflichtiges Gespräch endet und nicht aufzunehmende Inhalte zum Beispiel über einen Versicherungsabschluss beginnen. Zudem verursache Taping Archivierungskosten, weil alle aufzeichnungspflichtigen Gespräche gemäß der neuen FinVermV zehn Jahre aufzubewahren sind.

Muss keiner verstehen

In ein ähnliches Horn bläst JDC-Chef Grabmaier. „Während die Bundesregierung ein umfassendes Taping Brüssel gegenüber ablehnt, wird es in der FinVermV gerade eingeführt. Das muss keiner verstehen, zumal das Taping mangels mündlicher Ordererteilung im Bereich der Paragraph 34f-Vermittler schlicht überflüssig erscheint“, bemängelt Grabmaier. Auch Votum-Vorstand Klein ärgert, dass die Verordnung ein verpflichtendes Taping enthält. Es müsse den Kunden wenigstens die Möglichkeit gegeben werden, auf einen Telefonmitschnitt zu verzichten. Klein hofft aber zumindest, „dass sich im Rahmen der Anpassung von MiFID II noch etwas tut, um der übermäßigen Gängelung der Anleger entgegenzuwirken“.

„Die neue FinVermV ist Schande und Chance“

Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. ist erwartungsgemäß ebenfalls enttäuscht, dass die Aufzeichnung von Beratungsgesprächen nun tatsächlich Pflicht wird. Im Vorfeld hatte der Verband das Taping unter anderem als Bürokratie- und Datenschutzmonster, was niemand möchte und niemand braucht, bezeichnet. „Die neue FinVermV ist Schande und Chance“, kommentiert Norman Wirth gegenüber AssCompact, dass der Gesetzentwurf zur FinVermV ohne Änderungen durch den Bundesrat ging. „Schande für den deutschen Gesetzgeber, der mit dem nun verpflichtenden Taping ohne Not eine Regelung verabschiedet hat, die den Kunden entmündigt und das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Kunden zumindest erheblich tangiert. Chance für die unabhängigen Finanzdienstleister, da sie mit den neuen Regelungen gehalten sind, ihre Geschäftsabläufe weiter zu automatisieren und zu digitalisieren und noch effizienter zu werden“, so Wirth. Insbesondere könnten auch die strengen gesetzlichen Vorgaben zur Vermeidung von Interessenskonflikten genutzt werden, um diese als Markenkern der Unabhängigkeit herauszustellen. (mh)

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