Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Manchmal kommt es aber auch gar nicht erst so weit und die Aufregung beginnt schon vor dem Flug.
So ist es einer Gruppe von fünf Personen ergangen, die einen Flug von Frankfurt am Main nach Doha in Katar gebucht hatte. Sie erschienen rechtzeitig am Check-in-Schalter, nämlich mehr als 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug um 17:35 Uhr. Auf ihren Boardingpässen war angegeben, dass das Gate 20 Minuten vor Abflug schließen würde. Tatsächlich wurde das Gate um 17:15 Uhr geschlossen. Als die Reisenden kurz danach am Gate eintrafen, verweigerte ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft ihnen das Einsteigen, obwohl das Flugzeug noch am Flugsteig stand und sich noch andere Passagiere im Bereich vor dem Einstieg befanden. Mit einer Klage verlangten daraufhin die fünf Betroffenen von der Airline eine Entschädigung in Höhe von jeweils 600 Euro gemäß der Fluggastrechteverordnung.
Während das zunächst mit dem Fall befasste Amtsgericht die Klagen abgewiesen hatte mit der Begründung, ein erneutes Öffnen des Gates hätte den Betriebsablauf der Airline gestört, sah das Landgericht (LG) Frankfurt am Main die Sache anders: Die dortige Reiserechtskammer gab der Berufung der fünf Reisenden statt.
Zu spät, aber Boarding noch nicht abgeschlossen
Die Kammer führte in ihrem Berufungsurteil zunächst grundsätzlich aus: „Ein Fluggast muss nicht nur rechtzeitig am Abfertigungsschalter, sondern auch am Flugsteig sein. Zwar ist in der Fluggastrechte-Verordnung keine bestimmte Zeit angegeben, doch ist von einem Fluggast grundsätzlich zu erwarten, dass er sich zu der auf der Boardkarte angegebene Zeit in unmittelbarer Nähe des Flugsteiges aufhält (…)“. Verzögere sich der Abflug, sei jedoch auf zu spät zum Boarding erscheinende Fluggäste Rücksicht zu nehmen. Die Richter erklärten dann: „Ist das Boarding noch nicht abgeschlossen und sind die Türen des Flugzeuges noch geöffnet, besteht eine Mitnahmeverpflichtung der Fluggesellschaft. Gleiches gilt, wenn der Vorfeldbus, der die Fluggäste zum Flugzeug bringen soll, noch nicht abgefahren ist.“
Keine Beeinträchtigung des Betriebsablaufs
Nach Auffassung des Gerichts hätte das Boarding der fünf Passagiere in diesem Fall den Betriebsablauf nicht beeinträchtigt: Die start- und streckenbezogene Freigabe wird erst nach dem Schließen der Flugzeugtüren durch den Piloten beantragt. Da die Türen zum Zeitpunkt des Vorfalls noch offenstanden und noch nicht alle Passagiere an Bord waren, sei es der Airline durchaus zumutbar gewesen, die Gruppe noch einsteigen zu lassen. „Die Kläger hätten sich in der Reihe der noch vor dem Flugzeug anstehenden Passagiere anstellen können, ohne dass dadurch eine Verzögerung des Abflugs zu befürchten war“, befand das Gericht. (bh)
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.06.2025 – Az.: 2–24 S 93/24
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