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29. April 2021
Fristlose Kündigung für Corona-Huster?

Fristlose Kündigung für Corona-Huster?

Darf ein Unternehmen einen Mitarbeiter fristlos entlassen, weil der einen Kollegen bewusst angehustet hat? Das musste nun das LAG Düsseldorf entscheiden, nachdem ein Mann angeblich seinen Kollegen angehustet haben soll und ihm anschließend wünschte, er möge sich mit Corona infizieren.

Die Bedrohungslage durch das neuartige Coronavirus wird von verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen. Dennoch müssen auch Arbeitnehmer, die das Risiko durch Sars-CoV-2 zu erkranken als gering einschätzen, sich an die Hygienemaßnahmen ihres Arbeitgebers halten. Tun sie das nicht, riskieren sie eine Abmahnung. Was aber ist, wenn ein Arbeitnehmer die Angst vor dem Erreger sogar gezielt als Waffe einsetzt? Ist dann sogar eine fristlose Kündigung angebracht? Auf diese Frage musste nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf eine Antwort finden.

Unternehmen aktiviert Pandemieplan

Ein Mann war seit dem 01.08.2015 zunächst als Auszubildender und anschließend seit 2019 als Jungzerspannungsmechaniker bei einem Unternehmen beschäftigt. In dem Unternehmen ist er auch Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Am 11.03.2020 aktivierte der Arbeitgeber des Mannes im Hinblick auf das Auftreten des neuartigen Coronavirus seinen internen Pandemieplan.

Mitarbeiter werden über Maßnahmen informiert

Zu den Maßnahmen des Unternehmens zählten unter anderem eine Aufforderung Abstand zueinander zu halten, verschiedene Hygienemaßnahmen sowie die Verhaltensregel, beim Husten oder Niesen den Mund bzw. die Nase mit einem Papiertaschentuch oder dem Ärmel zu bedecken. Die Belegschaft wurde in verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung über die Maßnahmen informiert. Die Verhaltens- und Hygieneregeln wurden zudem auf Zetteln im Betrieb verteilt.

Arbeitnehmer verstößt gegen Verhaltensregeln

Am 03.04.2020, nachdem der Betriebsrat zugestimmt hatte, wurde gegen den Mann eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen. Der Vorwurf: Der Mann habe sich wiederholt nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten. Der Arbeitnehmer habe in Gesprächen zum Ausdruck gebracht, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und nicht einhalten werde.

Kollege fühlt sich von Corona-Huster belästigt

Zu den Handlungen, die dem Mann vorgeworfen wurden, zählte, dass er einen Mitarbeiter gegen seinen Willen am Arm angefasst habe. Am 17.03.2020 folgte dann der Auslöser der Kündigung: Der Mann soll einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von maximal einer Armlänge angehustet haben. Sinngemäß habe der Arbeitnehmer zu dem Vorfall hinzugefügt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme.

Arbeitnehmer gibt den Vorfall anders wieder

Der Mann klagte gegen die Entscheidung seines Arbeitgebers und behauptete, dass er keine andere Person einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt habe. Zumindest soweit es ihm möglich gewesen sei, habe er die Sicherheitsabstände und Hustenetikette eingehalten. Am 17.03.2020, gab der Mann an, musste er spontan husten und konnte dabei nicht ausreichenden Abstand zum Kollegen halten. Als der Kollege deutlich machte, dass er sich von dem Husten belästigt fühle, habe er entgegnet, der Kollege solle „chillen“, er würde schon kein Corona bekommen.

Fristlose Kündigung kann gerechtfertigt sein

Das LAG Düsseldorf hat der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeugen stattgegeben. Hätte sich der Verdacht des bewussten Anhustens erhärtet, hätte eine fristlose Kündigung jedoch durchaus gerechtfertigt sein können, erläutert das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Macht der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung mehr.

Abmahnung hätte ausgereicht

Im konkreten Fall war die Sache aber so gelagert, dass dem Arbeitnehmer der behauptete Sachverhalt nicht nachgewiesen werden konnte. Da jedoch der Arbeitgeber die Beweislast für den Kündigungsgrund trägt, konnte sich der Arbeitnehmer vor Gericht durchsetzen. Einer Verletzung von Abstandsregeln – die das Gericht als erwiesen sieht – könne der Arbeitgeber mit einer Abmahnung begegnen. (tku)

LAG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2021 – 3 Sa 646/20

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