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21. Januar 2021
GDV: Versicherungsbranche zeigt sich widerstandsfähig und zuversichtlich

GDV: Versicherungsbranche zeigt sich widerstandsfähig und zuversichtlich

Vorsichtigen Optimismus äußerte der Präsident des Branchenverbandes GDV, Dr. Wolfgang Weiler, am Mittwoch bei der Jahresmedienkonferenz. Neben der Präsentation der Zahlen für das zurückliegende Geschäftsjahr 2020 und dem Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr 2021 ging es hauptsächlich um die Rolle der Versicherungswirtschaft in der Corona-Krise und sonstige zentrale Fragestellungen, die trotz Pandemie weiter im Blick behalten werden müssen.

Sehr früh im Jahr und rein digital hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. am 21.01.2021 seine Jahresmedienkonferenz abgehalten. Gleich zu Beginn rückte GDV-Präsident Dr. Wolfgang Weiler die Betriebsschließungsversicherung (BSV) in den Mittelpunkt – ein Produkt, das bislang nur wenige kannten, das nun aber plötzlich durch Corona „in die öffentliche Wahrnehmung katapultiert“ worden sei. Weiler stellte klar, dass die Versicherer auch hier für tatsächlich Versicherte Fälle viel geleistet hätten, aber dennoch in die Kritik geraten seien, da die BSV eigentlich nie für eine globale Pandemie oder bewusste politische Entscheidungen wie einen Lockdown konzipiert worden sei. Vor allem Gastwirte und Hoteliers hätten der Branche aber unter anderem die uneindeutig formulierten Versicherungsbedingungen vorgeworfen. Dies habe sich zweifellos negativ aufs Branchenimage ausgewirkt, weswegen man die Kritik sehr ernst nehme. Als Lehren aus der Kritik nannte Weiler beispielsweise die neuen unverbindlichen GDV-Musterbedingungen für die BSV, die für mehr Klarheit sorgen sollen, wann gezahlt werde und wann nicht.

BSV-Musterbedingungen und „Public Private Partnership“ für kommende Pandemierisiken

Dennoch bleibe es eine Tatsache, über die auch weltweiter Konsens herrsche, so Weiler, dass Pandemien das Versicherungsprinzip aushebeln und daher rein privatwirtschaftlich nicht zu versichern seien. Um dennoch der Versichererpflicht nachzukommen bzw. auch die Fähigkeit unter Beweis zu stellen, über den Tellerrand hinauszuschauen, habe eine Expertengruppe der deutschen Versicherer Vorschläge erarbeitet, wie von Pandemien betroffene Wirtschaftszweige künftig durch eine „Public Private Partnership“ zwischen Versicherungswirtschaft und Staat unterstützt werden könnten. Konkret wird eine rechtlich eigenständige Einrichtung mit einem Kapitalstock in deutlich zweistelliger Milliardenhöhe vorgeschlagen, der sich aus Beiträgen der Wirtschaft, Leistungen von Erst- und Rückversicherern sowie Finanzmitteln aus Kapitalmarktinstrumenten speisen soll, wie zum Beispiel Katastrophenanleihen, die im Pandemiefall fällig würden. Der GDV präferiert hier eine obligatorische Beteiligung für bestimmte Unternehmen, beispielsweise KMU. Eine klare Linie sei hier aber noch nicht gezogen. Es gehe hier ja hauptsächlich um das Ansammeln von Geldern über eine lange oder sehr lange Zeit – niemand wisse, wann uns die nächste Pandemie bevorstehe –, damit im nächsten Bedarfsfall dann genügend Substanz zur Verfügung stünde.

Auf Nachfrage ließ der GDV-Präsident durchblicken, dass die Politik an der Thematik interessiert sei, so sei beispielsweise auch ein entsprechendes Forschungsprojekt ausgeschrieben worden. Allerdings befinde sich der Dialog hier noch im Anfangsstadium, da für die Politik rund um die Bewältigung der Corona-Krise derzeit andere Prioritäten an der Tagesordnung seien.

Zahlen rund um das Geschäftsjahr 2020

Nach dem BSV-Themenkomplex richtete GDV-Präsident Dr. Wolfgang Weiler das Augenmerk auf das vergangene Geschäftsjahr, das die Versicherungsunternehmen über alle drei Sparten hinweg mit einem Beitragszuwachs von 1,2% auf 220,1 Mrd. Euro abgeschlossen haben. Mit diesem Beitragsverlauf sei man angesichts des turbulenten Jahres sehr zufrieden, so Weiler.

Lebensversicherung

Beim Blick auf die einzelnen Sparten zeigt sich Folgendes: Im Geschäft der Lebensversicherer hat die Corona-Krise deutliche Spuren hinterlassen, etwa durch verschobene Beratungstermine. Die Zahl neu abgeschlossener Verträge ist 2020 entsprechend um gut 12%gesunken. Auch die Beiträge entwickelten sich rückläufig, nachdem im Jahr zuvor noch ein Einnahmeplus von über 11% verbucht worden war. 2020 verzeichneten Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds ein Minus von 0,4% auf knapp 103 Mrd. Euro. Die laufenden Beiträge gingen dabei um 1,0% auf 64,4 Mrd. Euro zurück, während die Einmalbeiträge um 0,4 % auf 38,3 Mrd. Euro zulegten. Dass man das Niveau weitgehend habe halten können, sei als klarer Vertrauensbeweis der Kunden in die Zukunftsfähigkeit der Lebensversicherung zu verstehen, interpretierte Weiler die LV-Zahlen.

Schaden-/Unfallversicherung

In der Schaden- und Unfallversicherung stiegen die Beitragseinnahmen laut GDV-Hochrechnungen um 2,1% auf 74,8 Mrd. Euro. Einen Grund für das im Vorjahresvergleich abgeschwächte Wachstum (2019: +3,5%) sieht der Branchenverband darin, dass zahlreiche Kfz-Versicherer es ihren Kunden ermöglicht haben, ihre Beiträge wegen geringerer Kilometerleistungen zu senken.

Sachversicherung

Die Sachversicherung zeigte sich dagegen insgesamt stabil, da das Geschäft in wesentlichen Sparten wie der Hausrat- oder Gebäudeversicherung nicht pandemieabhängig sei. Die Leistungen im gesamten Schaden- und Unfallbereich gingen im Jahr 2020 um 2,5% auf voraussichtlich 52,0 Mrd. Euro zurück. Durch die bislang zwei Lockdowns seien zwar hohe Aufwände für ausgefallene Veranstaltungen und Betriebsschließungen entstanden; zugleich seien aber auch weniger Unfälle im Straßenverkehr oder bei Freizeitaktivitäten sowie weniger Einbrüche, Warentransporte und aufgrund der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht auch weniger Firmenpleiten verzeichnet worden. Zudem liege das vergangene Jahr mit Schäden durch Naturgefahren von voraussichtlich 2,5 Mrd. Euro deutlich unter dem langjährigen Mittel von 3,7 Mrd. Euro.

PKV

Die Beitragseinnahmen der privaten Krankenversicherungsunternehmen erhöhten sich 2020 um 3,8% auf 42,6 Mrd. Euro. Davon entfallen 38,4 Mrd. Euro auf die Krankenversicherung (+1,5%). In der Pflegeversicherung lagen die Einnahmen bei 4,2 Mrd. Euro (+31,2%). Im Wesentlichen sei dies durch Mehrleistungen im Zuge der gesetzlichen Pflegereformen verursacht worden. Die ausgezahlten Versicherungsleistungen der PKV nahmen um 0,2% auf 30,1 Mrd. Euro zu. 28,4 Mrd. Euro davon entfallen auf die Krankenversicherung, auf die Pflegeversicherung entfallen 1,7 Mrd. Euro. Der Bestand aus Voll- und Zusatzversicherungen erhöhte sich um mehr als 600.000 auf 36 Millionen.

Ausblick auf 2021

Und wie steht es mit dem Ausblick auf 2021? Nachdem sogar das von der Corona-Krise geprägte Geschäftsjahr 2020 einen leichten Beitragszuwachs gebracht hat, erwarten die deutschen Versicherer für das laufende Jahr laut GDV ein deutliches Einnahmeplus von über 2%. Dafür müsse es aber nach dem zu erwartenden schwachen Jahresbeginn im Laufe des Frühjahrs zu Lockerungen bei den Einschränkungen und großen Fortschritten bei der Impfkampagne kommen, so GDV-Präsident Wolfgang Weiler. Dann werde sich auch die konjunkturelle Erholung fortsetzen. Im Einzelnen rechnet der Verband in der Lebensversicherung für 2021 mit einem Beitragsanstieg um 2%. Als einen Grund nannte Weiler mögliche Nachholeffekte, wovon ein Teil in die private Altersvorsorge fließen könnte. In der Schaden- und Unfallversicherung zeichnet sich dagegen für dieses Jahr ein schwächeres Beitragswachstum von etwa 1,5% ab.

Weitere zentrale Fragen: Demografie, Nachhaltigkeit, Regulierung, Digitalisierung

Als Fazit seiner Präsentation bei der Jahresmedienkonferenz 2021 betonte GDV-Präsident Dr. Wolfgang Weiler: „Versicherer sind widerstandskräftig gegen Corona – und zuversichtlich trotz Corona.“ Er rief aber auch in Erinnerung, dass die Branche weiterhin auch andere zentrale Fragen unserer Zeit mitgestalten müssten, die vor einem Virus nicht haltmachen, als da wären: Demografie, Nachhaltigkeit, Regulierung und Digitalisierung.

Beim Stichwort „demografischer Wandel“ erwähnte Weiler vor allem den dringend notwendigen Neustart der Altersvorsorge und den „Fünf-Punkte-Plan“ zur Entrümpelung der Förderung, für mehr Attraktivität und einfachere Produkte. Nur ein modernisiertes Drei-Säulen-System aus gesetzlicher, betrieblicher und gestärkter privater Altersvorsorge sei in der Lage, im demografischen Wandel für die Bürger ein vernünftiges Auskommen im Alter zu sichern, so Weiler.

Beim Stichwort „Nachhaltigkeit“ brachte Weiler wiederholt die Versicherer als einer der größten institutionellen Kapitalanleger als „ideale Partner für den Green-Deal“ ins Gespräch: Das vergleichsweise schadenarme Naturgefahrenjahr 2020 dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Klimawandel eine der maßgeblichen Einflussfaktoren für die künftige Entwicklung der Versicherungswirtschaft liege. Dies gelte spartenübergreifend, vom überfluteten Keller bis zur Übersterblichkeit bei künftigen Hitzewellen. Man werde daher den Themen Klimafolgenanpassung, Prävention und Nachhaltigkeit weiter höchste Priorität einräumen.

Um die angestrebte Rolle als Partner für den Green Deal erfüllen zu können, sollte die Regulierung harmonisiert und mit europäischen Zielen verknüpft werden, so Weiler. In diesem Zusammenhang machte der GDV-Präsident aber klar, dass die von der europäischen Aufsicht EIOPA vorgeschlagenen Pläne für den Review des Aufsichtssystems Solvency II die Branche insgesamt nicht überzeugten. Erste gute EIOPA-Verbesserungsvorschläge machen aus Sicht des GDV „auf halber Strecke Halt“, hier müsse und könne deutlich mehr getan werden.

Rund um die Digitalisierungsthematik betonte GDV-Präsident Weiler, dass es einen Ordnungsrahmen brauche, der innovative Geschäftsmodelle ebenso ermögliche, wie er individuelle Freiheitsrechte schütze und sichere digitale Infrastrukturen gewährleiste – eine ergänzende Regulierung der künstlichen Intelligenz sei aber nicht vonnöten. (ad)

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