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22. Mai 2024
Gebäudeversicherung: Falsch beraten, mangelhaft dokumentiert

Gebäudeversicherung: Falsch beraten, mangelhaft dokumentiert

Nach dem Pfingstunwetter ist die Wohngebäudeversicherung wieder in aller Munde. Versicherer positionieren sich mit ihren Angeboten und Versicherungsvermittler werden häufiger nach dem Schutz gefragt. Der Blick auf ein Urteil aus dem vergangenen Jahr könnte sich dabei lohnen.

Das Landgericht Halle (LG) hatte sich im vergangenen Jahr im Rahmen der Vermittlerhaftung mit einer Gebäude-Unterversicherung und der entsprechenden Dokumentation zum Kundenwunsch zu beschäftigen. In Kurzfassung hat das Gericht folgende Orientierungssätze herausgegeben:

  • Bei einer fehlerhaften Dokumentation der Beratung durch den Versicherungsvertreter kommen dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zugute.
  • Es sind in der Dokumentation die Wünsche und Bedürfnisse des Versicherungsnehmers sowie die darauffolgende Empfehlung des Versicherungsvertreters nebst Begründung zu dokumentieren, ohne dass eine detaillierte Darstellung des Gesprächsablaufes erforderlich ist. Ausreichend ist eine kurze, stichwortartige Notierung des Absicherungsinteresses, der hierfür maßgeblichen Umstände und Verhältnisse sowie der hierzu erfolgten Vorschläge des Versicherungsvermittlers.
  • Die Wertbestimmung bei der Gebäudeversicherung ist von komplexer Natur und bedarf sorgfältiger Prüfung durch den Versicherungsvermittler und Befragung des Versicherungsnehmers. Gegebenenfalls muss sich der Versicherungsvermittler durch Inaugenscheinnahme oder Einholung einer Werteinschätzung ein eigenes Bild machen.
  • Ein Versicherungsvertreter verletzt seine Beratungspflichten, wenn er im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Gebäudeversicherung weder über den tatsächlichen Zeitwert noch die Folgen der Unterversicherung sowie des nicht erklärten Verzichts auf den Einwand der Unterversicherung informiert und belehrt.
Versicherungsnehmer schätzt Zeitwert eines Wohngebäudes

Der zugrunde liegende Fall: Der Kläger hat mit notariellem Kaufvertrag vom 19.10.2014 ein mit einem leer stehenden und sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück im Rahmen einer Zwangsversteigerung zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro erworben. Er schloss hierzu über einen Versicherungsvertreter eine Wohngebäudeversicherung zum Zeitwert ab, mit Vertragsbeginn 14.05.2015, die Versicherungssumme ist mit 200.000 Euro Zeitwert angegeben; ein Unterversicherungsverzicht ist nicht enthalten. Die Jahresprämie betrug 198,23 Euro. Der Versicherungsvertreter fertigte ein Beratungsprotokoll an.

Am 30.08.2018 kam es zu einem Brand im Gebäude. Im Rahmen der Begutachtung wurde das Gebäude mit einem Zeitwert in Höhe von 508.000 Euro bewertet, der Zeitwertschaden mit 142.689 Euro netto sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten in Höhe von 8.925 Euro brutto, mithin insgesamt 151.614 Euro. Orientiert an den Grundsätzen der Unterversicherung erstattete die Versicherung dem Kläger 40% ohne Mehrwertsteuer, mithin 50.000 Euro.

Kläger: Falsch beraten, Beratungsprotokoll unbrauchbar

Der Kläger wandte sich entsprechend an den Versicherungsvertreter und klagte: Der Versicherungsvertreter habe ihn hinsichtlich der richtigen Versicherungssumme seinerzeit nicht ausreichend aufgeklärt und fehlerhaft beraten. Der Versicherungsnehmer habe weder die von ihm genannte Versicherungssumme hinterfragt noch den Zeitwert erläutert oder auf eine mögliche Unterversicherung hingewiesen. Das Beratungsprotokoll sei zudem unvollständig ausgefüllt und im Ergebnis unbrauchbar. Denn sein dort vermerkter Kundenwunsch basiere auf seiner Schätzung und nicht auf einer Beratung des Versicherungsvertreters. Der Hausbesitzer wollte deshalb im Kern vor Gericht erreichen, dass der Versicherungsvertreter die fehlenden 101.614 Euro bezahlen muss.

Versicherungsvertreter will Kundenwunsch gefolgt sein

Der Beklagte sah dies anders und erklärt, dem Kläger hätte der Gebäudewert aufgrund eines Bewertungsgutachtens bekannt sein müssen.

Im Rahmen des Beratungsgespräches habe er mit der zugehörigen Maske des Wertermittlungsprogrammes das Gebäude eingegeben und einen Versicherungswert in Höhe von über 500.000 Euro ermittelt. Da das Gebäude zu diesem Zeitpunkt leer stehend gewesen sei, sei lediglich die Versicherung zum Zeitwert möglich gewesen. Dem Kläger sei aber die daraus resultierende Prämie im Hinblick auf die Kosten der noch erforderlichen Sanierung zu hoch gewesen. Die Reduzierung des Versicherungswertes sei daher auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers erfolgt. Er habe diesen darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass das Gebäude nur teilweise im Wert versichert sei, die Versicherung im Schadenfall auch nur teilweise einstandspflichtig sei.

Gericht entscheidet für Versicherungsnehmer

Letztlich hat das Gericht aber für den Versicherungsnehmer Partei ergriffen: Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus §§ 61, 63 VVG zu. Er könne beweisen, dass der Beklagte seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen ist.

Mangelhafte Dokumentation

Zunächst geht das Gericht von Beweiserleichterung zugunsten des Klägers aus, wie anfangs in den Orientierungssätzen beschrieben. Denn die Dokumentation der Beratung sei unzulänglich; es fehle der tatsächlich beratene Versicherungswert und die behauptete Empfehlung des Beklagten. Es müssten zwar nicht sämtliche Einzelheiten dokumentiert werden, die objektive Risikosituation sollte aber enthalten sein. Wünsche und Bedürfnisse des Versicherungsnehmers und die darauffolgende Empfehlung nebst Begründung seien zu dokumentieren.

Zudem werde die Dokumentation einer Beratung für eine Gebäudeversicherung und dem zu versichernden Wert nicht gerecht. Der Versicherungsvertreter hätte sich nicht auf die Angabe des Kunden verlassen dürfen, sondern sich selbst im Rahmen seiner Beratungspflicht ein Bild von der Wertbestimmung des Gebäudes machen müssen. In der Dokumentation sei zudem auch nicht ersichtlich, dass der Versicherungsvertreter zur Unterversicherung beraten habe und dass aus Gründen der Kostenersparnis nur ein Versicherungswert von 200.000 Euro angegeben wurde.

Unterversicherung, Zeitwert: Verletzung der Beratungspflichten

Doch auch unabhängig von der mangelhaften Dokumentation beschied das Gericht, dass der Beklagte seine Beratungspflichten verletzt und weder über den tatsächlichen Zeitwert noch die Folgen der Unterversicherung und des hier nicht erklärten Verzichts auf den Einwand der Unterversicherung belehrt habe. (bh)

LG Halle, Urteil vom 31.03.2023 – Az. 5 O 414/21

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