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Steuern & Recht
16. September 2022
Gebäudeversicherung: Verteilung des Selbstbehalts

Gebäudeversicherung: Verteilung des Selbstbehalts

Der BGH hat aktuell entschieden, dass bei einem Leitungswasserschaden, der im räumlichen Bereich des Sondereigentums eingetreten ist, der im Gebäudeversicherungsvertrag vereinbarte Selbstbehalt – vorbehaltlich einer abweichenden Regelung – von allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu tragen ist.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft besitzt eine Anlage zu der sowohl Wohnungen als auch gewerbliche Einheiten gehören. Die Gemeinschaft unterhält eine Gebäudeversicherung, die neben anderen Risiken auch Leitungswasserschäden abdeckt (sogenannte verbundene Gebäudeversicherung). Der Versicherungsschutz besteht für das gesamte Gebäude, ohne dass zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterschieden wird.

In der Vergangenheit traten aufgrund mangelhafter Leitungen (Kupferrohre) wiederholt Wasserschäden in den Wohnungen auf, die sich allein im Jahr 2018 auf rund 85.000 Euro beliefen.

Die Eigentümergemeinschaft macht deshalb bereits seit geraumer Zeit vor Gericht Ansprüche gegen das Unternehmen geltend, das die Leitungen verlegt hat. Bislang ist die Praxis in der Gemeinschaft so, dass die Verwalterin bei einem Wasserschaden ein Fachunternehmen mit der Schadenbeseitigung beauftragt und die Kosten von dem Gemeinschaftskonto begleicht. Sie nimmt die Versicherung in Anspruch und legt die Kosten unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen um, und zwar auch insoweit, als die Schäden im Bereich des Sondereigentums entstanden sind.

Aufgrund der Schadenhäufigkeit beträgt der in jedem Schadenfall verbleibende Selbstbehalt inzwischen 7.500 Euro. Dies hat zur Folge, dass die Versicherung nur noch ca. 25% der Schäden erstattet.

Gestützt auf die Behauptung, die Mängel an den Leitungen seien jeweils hinter den Absperreinrichtungen in den betroffenen Wohneinheiten aufgetreten, verlangt die Besitzerin der gewerblichen Einheit mit einer auf zwei Anträge gestützten Beschlussersetzungsklage eine von der bisherigen Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts: Sie will erreichen, dass sie nicht aufgrund des im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts anteilig an den Kosten für die Beseitigung von Leitungs- und Folgeschäden beteiligt wird, die nach ihrer Ansicht ausschließlich in den Wohnungen entstanden sind. Auch verweist sie darauf, dass in ihrer Einheit bislang kein Schaden aufgetreten ist.

Bisheriger Prozessverlauf: AG weist Klage ab, Berufung erfolglos

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem Landgericht ist erfolglos geblieben. Dagegen hat sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision gewandt.

BGH-Entscheidung: Derzeitige Praxis rechtmäßig, künftige Änderung muss neu verhandelt werden

Keinen Erfolg hatte die Revision, soweit sich die Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der derzeitigen Verwaltungspraxis wendet. Anders verhält es sich im Hinblick auf den zweiten Antrag, der einen Anspruch der Klägerin auf die künftige Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zum Gegenstand hat. Insoweit hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Zur Begründung führt der BGH aus: Da die in der Gemeinschaft derzeit praktizierte Verteilung des Selbstbehalts bei einem Leitungswasserschaden nach Miteigentumsanteilen rechtmäßig ist, kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein ihrer Rechtsauffassung entsprechender Beschluss durch das Gericht ersetzt wird. Es würde der Interessenlage der Wohnungseigentümer bei Abschluss einer verbundenen Gebäudeversicherung nicht gerecht, wenn der geschädigte Sondereigentümer den Selbstbehalt alleine tragen müsste. Die Entscheidung für einen Selbstbehalt im Versicherungsvertrag ist regelmäßig damit verbunden, dass die Gemeinschaft als Versicherungsnehmerin eine herabgesetzte Prämie zu zahlen hat.

Bauliche Unterschiede im Leitungsnetz für Wohnungen und Gewerbeeinheit?

Der zweite Antrag der Klägerin ist laut BGH so zu verstehen, dass der derzeit maßgebliche Verteilungsschlüssel für die Zukunft geändert werden soll. Hierzu sind die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG befugt.

Ein Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers (wie der Klägerin) auf eine solche Beschlussfassung ist aber nur dann gegeben, wenn gemäß § 10 Abs. 2 WEG ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

Da es insoweit an hinreichenden Feststellungen fehlt, hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für das weitere Verfahren hat er darauf hingewiesen, dass eine – im Vergleich zu den übrigen Eigentümern – unbillige Belastung der Klägerin in Betracht kommen könnte, wenn das (alleinige bzw. jedenfalls überwiegende) Auftreten der Leitungswasserschäden im Bereich der Wohneinheiten auf baulichen Unterschieden des Leitungsnetzes in den Wohneinheiten einerseits und der Gewerbeeinheit andererseits beruhen sollte. Nicht ausreichend wäre es demgegenüber, wenn die Ursache bei gleichen baulichen Verhältnissen in einem unterschiedlichen Nutzungsverhalten läge. (ad)

BGH, Urteil vom 16.092022 – V ZR 69/21

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