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Sonderthema Nachfolge und Verkauf
9. August 2017
Generationswechsel in Familienunternehmen: Klare Rollen vermeiden Konflikte

Generationswechsel in Familienunternehmen: Klare Rollen vermeiden Konflikte

Generationswechsel in einem Familienunternehmen sind hochgradig individuell und wirken sich nicht nur unternehmensintern, sondern auch auf die familiären Beziehungen aus. Neben steuerlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen sind auch die „Rollen“ in der Familie nicht außer Acht zu lassen, weiß Nils Koerber, Gründer von K.E.R.N. – Die Nachfolgespezialisten

Herr Koerber, was sind besondere Herausforderungen bei einer Unternehmensübergabe innerhalb der Familie?

Die grundsätzliche Besonderheit ist, dass zwei vollkommen unterschiedliche Systeme zusammen funktionieren müssen. Hier hat die Harvard University vor Jahren ein theoretisches Modell von Ebenen für Familienunternehmen entwickelt. Das eine ist das System „Familie“ mit der Währung „Liebe“, die in emotionaler Form dargeboten wird. Im Unternehmen dagegen ist es die Währung Geld. In einer Familie kann ich nicht per Vertrag eingestellt werden, sondern ich werde hineingeboren. In der Familie wird die Entwicklung durch Zuneigung gefördert, in der Firma ist es eher die Anerkennung und Wertschätzung der fachlichen Ebene und der Zusammenarbeit. Hier gibt es eine Reihe von Beispielen. Und wenn es bei größeren Firmen auch noch eine Gesellschafterebene gibt, dann kommt noch ein drittes System hinzu. Und diese drei Ebenen sollen jetzt konstruktiv und harmonisch funktionieren. Das kann schon per se fast nicht funktionieren. Ein Familienunternehmen hat aber auch große Vorteile, weil es einen besonderen Status von Vertrauen unter den handelnden Akteuren gibt und Familienmitglieder oft sehr ähnliche Wertesysteme haben. Auch die Kundenbindung ist oft besonders stabil, gerade wenn sie über Generationen hinweg gewachsen ist.

Können Sie die Unterschiede zwischen dem „System Familie“ und dem „System Unternehmen“ noch etwas plastischer darstellen?

Ich mache das mal an einer Geschichte deutlich: Vater und Sohn sind beide geschäftsführende Gesellschafter in einem Unternehmen und begegnen sich daher auf Augenhöhe. Der eine Geschäftsführer sagt zum anderen: „Morgen kommt eine wichtige Einkaufskommission, wir müssen das Lager noch aufräumen.“ Im Rollenüberschnitt sagt es aber auch der Vater zum Sohn. Und weil der Vater früher schon immer der war, der durchsetzen musste, dass das Zimmer aufgeräumt wird, wird ein Triggerpunkt beim Sohn angesprochen. Der Sohn reagiert dann nicht mehr als Geschäftsführer, sondern in der Rolle des Sohnes, vielleicht trotzig. Dieser Rollenwechsel passiert unbewusst und innerhalb weniger Sekunden. Der Vater rutscht als Reaktion dann vielleicht ebenfalls zurück in die Vaterrolle. So kommt ein permanenter, unbewusster Rollenwechsel zwischen den Familienmitgliedern im Unternehmen zustande. Wenn der nicht reflektiert wird, dann ist der Konflikt vorprogrammiert.

Und wie kann man mit solchen Konflikten umgehen?

Gerade in der schwierigen Situation einer Unternehmensübergabe müssen diese Rollen klar sein und sauber kommuniziert werden, im Idealfall schriftlich. Man muss über einen längeren Zeitraum die Reflexion der Rollen üben. Hier empfiehlt es sich, Unterstützung von außen zu holen. Man muss üben, dass die Kommunikation nicht, wie in Familien oft üblich, zwischen Tür und Angel stattfinden kann, so nach dem Motto „Kannste mal schnell …“. Man muss üben, sich wie unter fremden Dritten professionell Zeit füreinander zu nehmen, Besprechungen anzusetzen und das nicht zu vermengen mit dem Familien­essen am Sonntag. Auch eine bewusste räumliche Trennung kann helfen. Wenn etwas Geschäftliches zu besprechen ist, dann in der Firma und nicht zu Hause auf dem Sofa. Der Rahmen ist wichtig.

Woran scheitern die Generationswechsel in Familienunternehmen denn am häufigsten?

Ein wiederkehrendes Problem ist, dass die abgebende Person sich sehr schwer tut loszulassen. Wenn die Übergeber keine neuen Ziele für den neuen Lebensabschnitt haben – und der kann ja noch gut 20 Jahre dauern – tauchen Probleme häufiger auf. Insofern empfehlen wir dringend, sich eine neue Lebensaufgabe zu suchen, worauf man sich freut, wenn das Unternehmen abgegeben wurde.

Ein weiterer Punkt ist, dass sich die abgebende Generation abgeschrieben fühlt. Und das gerade weil sie in dieser Doppelrolle ist, als Familienmitglied und als Geschäftsführer. Wenn dann die junge Generation kommt und sagt: Ich kann es auch, und zwar mindestens genauso gut, dann kann sich der Senior in seinen Grundfesten und seiner Existenz infrage gestellt sehen – und zwar als Geschäftsführer und als Vater/Mutter. Das Festhalten- und Kontrollieren-Wollen wird dadurch verstärkt. Hinzu kommt noch das Bedürfnis nach Sicherheit, besonders in der älteren Generation. Und wenn dann die jüngere Generation Fehler macht oder etwas Neues ausprobieren will, kommt Unsicherheit auf, die insbesondere im Mittelstand auch mit finanzieller Absicherung zu tun hat. Diese Angst wird nur höchst selten ausgesprochen. Manchmal scheitern daran Übergaben noch in letzter Minute. Im Endeffekt hat das viel mit Konfliktkultur zu tun. Gerade in Familienunternehmen wird diese eher mal unter den Tisch gekehrt. Eine gesund gelebte Konfliktkultur in der Familie erleichtert die Unternehmensnachfolge ungemein.

Was können denn die Familienunternehmen tun, um eine Übergabe so vorzubereiten, dass sie Erfolg hat?

Das Wichtigste ist „Freiheit“. Und zwar aus zwei Blickrichtungen: einmal Freiheit, die Eltern ihrem Nachfolger bei der Entscheidung vermitteln, ob er dieses Unternehmen übernehmen will oder nicht. Umgekehrt sollten die Kinder ihren Eltern die Freiheit geben, das Unternehmen auch verkaufen zu dürfen, ohne dass die Kinder das übel nehmen. Wenn so eine Haltung authentisch da ist, darüber gesprochen wird und für beide Seiten klar ist, dann kann es gelingen. Und dann gibt es ja sozusagen noch das dritte Kind, über das entschieden wird und das alle ernährt – das Unternehmen. Dieses muss so dastehen, dass es gerne und mit gutem Gewissen übernommen werden kann. Das Unternehmen sollte nicht nur laufen, wenn man als Geschäftsführer über Jahrzehnte hinweg eine 6–7-Tage-Woche arbeiten muss, wenn Urlaub eine Ausnahme ist, wenn Gespräche auch in der Familie fast nur über die Firma stattfinden. Denn dann ist man vielleicht nicht das beste Vorbild einer gereiften Unternehmer­persönlichkeit, sondern lebt seinen Kindern etwas vor, was diese genau nicht wollen. Wichtig ist auch, dass der Übergeber mit sich selbst im Klaren ist, wann und in welchen Schritten er den Generationswechsel machen will. Also eine Art Projektmanagement mit sich selbst zu betreiben, am besten immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Worauf freue ich mich nach der Übergabe eigentlich?

Welche Wirkung hat der Wechsel auf Kunden und Mitarbeiter?

Aus unserer Erfahrung reagieren Mitarbeiter und Kunden sehr positiv auf eine innerfamiliäre Lösung. Nichts ist schöner für langfristige Kundenbeziehungen, als wenn ein Vertrauen gegenüber einer Person und letztendlich auch gegenüber einer Familie besteht und man das entspannt weiter so haben darf. Für das Marketing ist die innerfamiliäre Übergabe eine tolle Story, weil es etwas Besonderes ist. Denn heutzutage wählen noch 40% eine innerfamiliäre Lösung, 60% werden über einen externen Verkauf gelöst. Letztlich liegt es aber am Geschick der Akteure, im Prozess sanft und wertschätzend gegenüber Kunden und Mitarbeitern klar zu machen, dass ein Wechsel stattfinden wird, sich aber eine Familie verantwortungsvoll darum kümmert.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2017, Seite 110 f.

 
Ein Artikel von
Nils Koerber