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31. Mai 2022
Genügt Beratungsdokumentation auf elektronischem Gerät?
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Genügt Beratungsdokumentation auf elektronischem Gerät?

Der Versicherungsnehmer einer Rürup-Rente klagte auf eine Rückzahlung der eingezahlten Beträge wegen mangelhafter Beratung. Das Beratungsgespräch wurde mittels eines elektronischen Gerätes dokumentiert. Genügt eine solche Dokumentation? Mit dieser Frage hatte sich das OLG Karlsruhe zu befassen.

Ein Artikel von Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

In dem vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschiedenen Sachverhalt hatte ein Versicherungsvertreter einem 41-jährigen Versicherungsnehmer eine Rürup-Rente mit einem monatlichen Beitrag von 200 Euro vermittelt. Die Besonderheit in diesem Fall lag darin, dass der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Vermittlung gerade ein Privatinsolvenzverfahren abgeschlossen und mit einer selbstständigen Tätigkeit begonnen hatte. Beides war dem Versicherungsvertreter bekannt. Eine Beratungsdokumentation wurde zwar auf einem „elektronischen Gerät“ – so das OLG – erstellt, ob diese Beratungsdokumentationen dem Versicherungsnehmer dann aber auch vor Abschluss des Versicherungsvertrages übersandt wurde, konnte in dem Gerichtsverfahren nicht mehr aufgeklärt werden.

Nach einiger Zeit verlangte der Versicherungsnehmer von dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer seine eingezahlten Beiträge zurück. Das begründete er damit, dass ihm bei Abschluss der Versicherung nicht mitgeteilt wurde, dass das dort eingezahlte Kapital bis zum Renteneintritt gebunden ist. Daher stehe ihm Schadensersatz zu. Der Versicherungsvertreter und auch die Versicherung traten dem entgegen und gaben Auskunft darüber, sehr wohl über diese Besonderheit einer Rürup-Rente aufgeklärt zu haben. Während die Klage vor dem Landgericht erfolglos blieb, verurteilte das OLG den Versicherungsvertreter und die Versicherung zur Rückzahlung der eingezahlten Beiträge (Urteil vom 07.12.2021, Az. 9 U 97/19). Die Wertungen des OLG zur Beratungsdokumentation und zu den Beratungspflichten können eins zu eins auf Versicherungsmakler übertragen werden, da die Pflichten insoweit identisch sind.

Verteilung der Beweislast

Das OLG beschäftigte sich zunächst mit der Verteilung der sogenannten Beweislast, da es unterschiedliche Behauptungen zum Ablauf und zum Inhalt der Beratungsgespräche gab. Trotz einer Vernehmung des Versicherungsnehmers, dessen Ehefrau und des Versicherungsvertreters konnten die bestehenden Widersprüche nicht gänzlich aufgeklärt werden. Ist das der Fall, fällt die Gerichtsentscheidung häufig zulasten desjenigen aus, der in der Beweispflicht ist. Das OLG hatte sich somit zunächst mit der Beratungsdokumentation zu befassen und bezog sich dafür auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 13.11.2014 (Az. III ZR 544/13). Nach diesem BGH-Urteil führt eine fehlende Beratungsdokumentation zu einer Beweislastumkehr. Das bedeutete in diesem Fall, dass nicht der Versicherungsnehmer, der Schadens­ersatz verlangt, auch alle Tatsachen dafür beweisen muss. Vielmehr müssen der Versicherungsvermittler und auch die Versicherung beweisen, dass ordnungsgemäß beraten wurde.

Dokumentation mit elektronischem Gerät

Hier kam nun die oben genannte Besonderheit zum Tragen, dass die Beratungsdokumentation zunächst nur auf einem elektronischen Gerät erstellt worden war. Wie das OLG zutreffend feststellte, reicht das allein nicht aus. Vielmehr muss dem Versicherungsnehmer gemäß § 62 VVG die Beratungsdokumentationen vor Abschluss des Versicherungsvertrages in Textform zugegangen sein. Gerade diesen Punkt konnte weder die Versicherung noch der Versicherungsvertreter beweisen. Es wurde wohl ein Schreiben an den Versicherungsnehmer versandt, das auch die Beratungs­dokumentation enthalten haben soll. Dass dieses Schreiben dem Versicherungsnehmer auch tatsächlich zugegangen ist, konnte hingegen nicht bewiesen werden. Der Versicherungsnehmer hatte bestritten, ein solches Schreiben jemals bekommen zu haben. Damit war aus Sicht des OLG die Beratungsdokumentation unzureichend. Für die weitere Bewertung des Sachverhaltes musste es davon ausgehen, dass eine solche dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages nicht zugegangen ist. Entsprechend der oben genannten Rechtsprechung des BGH waren somit die Versicherung und auch der Versicherungsvertreter beweisbelastet dafür, dass die Beratung ordnungsgemäß erfolgte.

Verletzung der Beratungspflicht?

Diesen Beweis konnten Versicherung und Vertreter allerdings nicht führen, weil die Angaben des beklagten Versicherungsvertreters zum Umfang der Beratung zu pauschal und teilweise auch nicht ganz schlüssig waren. Das OLG stellte zunächst klar, dass ein Hinweis darauf, dass das in eine Rürup-Rente eingezahlte Kapital bis zum Renten­beginn gebunden ist, „wesentlich und erforderlich“ sei. Ein solcher Hinweis hat somit immer zu erfolgen und ist zu dokumentieren. Interessant ist aber der ergänzende Hinweis des OLG, dass die vermittelte Rürup-Rente unter den gegebenen Umständen kein geeignetes Produkt für den Versicherungsnehmer war. Das OLG bemängelte nicht nur den fehlenden Hinweis auf die Kapitalbindung, sondern auch, dass im konkreten Fall des Versicherungsnehmers eine Rürup-Rente schon dem Grunde nach nicht geeignet war. Selbst in der elektronisch erstellten Beratungsdokumentation war kein Hinweis zum Bedarf und zu den Wünschen des Versicherungsnehmers enthalten. Dieser befand sich nach dem Ende einer Privatinsolvenz gerade im Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit, die ihm im ersten Versicherungsjahr lediglich ein Einkommen von ca. 10.000 Euro sicherte. Daher meinte das OLG, dass es für den Kläger eher ratsam war, sich für die Zukunft im Hinblick auf mögliche Wechselfälle des Lebens eine gewisse Flexibilität zu bewahren, die eine Rürup-Rente nicht gewährleisten konnte.

Schlussfolgerungen

Im Ergebnis zeigt das Urteil des OLG die Risiken auf, die bei einer unzureichenden Beratungsdokumentation drohen. Häufig finden Gespräche unter vier Augen statt und es verliert derjenige den Schadensersatzprozess, der die für ihn günstigen Tatsachen nicht beweisen kann. Genauso erging es in diesem Fall den Beklagten, sodass sie letzten Endes für den Schaden aufkommen mussten. Wichtig ist daher, dass nicht nur eine ordnungs­gemäße Beratungsdokumentation erstellt wird, sondern diese auch vor Abschluss des Versicherungsvertrages nachweislich dem Kunden zugegangen ist. Wegen § 59 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 6a Abs. 1 Nr. 1 VVG muss die Beratungsdokumentation sogar auf Papier über­geben werden, wenn mit dem Kunden keine abweichenden Verein­barungen getroffen wurden. Außerdem zeigen die Wertungen des OLG, dass der Bedarf und die Wünsche eines Kunden vom Versicherungsvermittler zu erfragen sind und sich die Beratung daran auszurichten hat. Auch dies gehört in eine Dokumentation.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2022, S. 124 f., und in unserem ePaper.

Bild: © everythingpossible – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Tobias Strübing