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17. Februar 2020
Geschäftsinhaltsversicherung: „Schadeneintritt ist Moment der Wahrheit“

Geschäftsinhaltsversicherung: „Schadeneintritt ist Moment der Wahrheit“

Für Firmen zählt beim Versicherungsschutz die individuell richtige Mischung aus Prävention und Schadensbegrenzung. Die ERGO Versicherung AG hat ihre Geschäftsinhaltsversicherung dahingehend angepasst, wie Mathias Scheuber und Christopher Krahforst erläutern. 

Interview mit Mathias Scheuber, Vorsitzender des Vorstands der ERGO Versicherung AG, und Christopher Krahforst, Bereichsleiter Sach Individualgeschäft bei der ERGO Versicherung AG
Herr Scheuber, nach wie vor unterschätzen Unternehmen die Auswirkungen von Cybergefahren. Wie sind die Firmen hierzulande denn Ihrer Meinung nach generell in Sachen Risikomanagement aufgestellt?

Auch wenn es natürlich branchenspezifische Unterschiede gibt, investieren kleine und mittlere Unternehmen in der Regel eher in die Produktion als in die Verwaltung. Der Investition in Cybersicherheit wird damit auch weniger Bedeutung beigemessen. Cybersicherheit wird externen IT-Dienstleistern und einer marktüblichen Virenschutzsoftware anvertraut. Häufig fehlen interne Prozesse, zum Beispiel für die Aktualisierung von Zugriffs- und Administratorenrechten oder die Sensibilisierung von Mitarbeitern zu Cybergefahren. Dabei unterschätzen kleine und mittlere Unternehmen, wie abhängig der Unternehmenserfolg von der störungsfreien IT- und Internetnutzung ist. Folgen können Störungen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens sein – bis hin zum Stillstand. Ebenso denkbar sind Haftpflichtansprüche Dritter aufgrund von Datenschutzverletzungen, die zur finanziellen Belastungsprobe von Unternehmen werden.

Inzwischen haben etliche Versicherer Cyberprodukte für kleine und mittelständische Unternehmen auf dem Markt. Wie hat sich in dieser Zielgruppe die Nachfrage entwickelt?

Mathias Scheuber: Wie bei anderen Risiken zählt beim Schutz gegen Cyberrisiken die individuell richtige Mischung aus Prävention und Schadensbegrenzung. Cyber ist die wichtigste neue Sparte im deutschen Markt. Angesichts der aktuell niedrigen Marktdurchdringung schlummert hier noch ein enormes Wachstumspotenzial. Wir spüren in der Fläche eine zunehmende Sensibilisierung der Kunden im Segment kleine und mittelständische Unternehmen sowie eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Beratungen zur Cybersicherheit.

Cyber ist ein drängendes Thema, trotzdem müssen sich Firmen auch mit gängigen Risiken wie Wasserschäden oder Einbruch beschäftigen. Hierzu sind Sie vor Kurzem aktiv geworden und haben Ihre Geschäftsinhaltsversicherung angepasst. Was sind die wichtigsten Neuerungen?

Christopher Krahforst: Unsere neue Geschäftsinhaltsversicherung bietet neben umfangreichen Leistungsverbesserungen noch weitere Vorteile: So konnte das Beitragsniveau für viele Betriebsarten deutlich gesenkt werden. Gleichzeitig wurden die Antragsprozesse spürbar verschlankt. Die neue flexible Selbstbeteiligung löst die bisherigen komplexen und unübersichtlichen Regelungen ab. Dabei wurde die Systematik der Selbstbeteiligungen vereinfacht und die Höhe der Selbstbeteiligungen reduziert. Inhaltlich neu ist der vollständige Quotelungsverzicht bei grober Fahrlässigkeit für Schäden bis 50.000 Euro. Dies gilt nicht nur für die Herbeiführung des Versicherungsfalls, sondern auch für alle Obliegenheitsverletzungen. Sicherheit für Makler und Kunden bietet unsere „Rundum Sicherheits-Garantie“.

Sie bieten ein Individual- und ein sogenanntes Kompakt-Produkt. Worin unterscheiden sich die beiden Varianten? Und welche Bausteine lassen sich zusätzlich abschließen?

Christopher Krahforst: Die Produkte unterscheiden sich im Zugangsweg, in der Flexibilität, der Auswahl der Bausteine und damit auch im Preis. Weitere Unterscheidungsmerkmale sind die zulässigen Betriebsarten und die maximale Versicherungssumme. Das Individual-Produkt wurde für eine persönliche und ausführliche Beratung entwickelt. Ausgehend von der bereits sehr umfangreichen Grundabsicherung können alle Kundenbedürfnisse individuell ergänzt werden. Dazu gehören Erweiterungen für bestimmte Zielgruppen wie Gastronomie, Heilwesen und Bauhandwerker, spezifische Klauseln wie zum Beispiel Service Plus für Assistance-Leistungen, die Absicherung von Automaten bzw. Tiefkühlgut sowie weitere Bausteine wie etwa die Betriebsschließungs- oder Betriebskostenversicherung. Zudem ist die flexible Selbstbeteiligung nur beim Individual-Produkt möglich.

Das Kompakt-Produkt wurde für Vergleichsportale und den Online-Verkauf entwickelt. Es ist standardisiert und sieht ausgewählte Betriebsarten mit einer Inhaltsversicherungssumme von maximal 500.000 Euro vor. Ergänzt werden kann es um die Bausteine Glasversicherung und Elektronik-Pauschalversicherung. Das Bedingungswerk sieht die gleichen Leistungsaspekte wie das umfassende Individual-Produkt vor.

Vor Kurzem hat der GDV erst wieder auf die unterschätzte Gefahr von Wetterextremen hingewiesen. Wie sieht es mit der Absicherung von Naturgefahren im Rahmen der Geschäftsinhaltsversicherung aus?

Christopher Krahforst: Wetterextreme können zu hohen finanziellen Schäden führen. Aber auch für dieses Risiko gibt es Versicherungsschutz. Bisher war die Absicherung von Überschwemmungs- oder Starkregenereignissen mit hohen Selbstbeteiligungen verbunden. Hier bieten wir mit der sogenannten flexiblen Selbstbeteiligung eine attraktive Lösung, die auch zum Wegfall der Selbstbeteiligung führen kann.

Wie darf man sich das vorstellen?

Christopher Krahforst: Mit der flexiblen Selbstbeteiligung erhält der Kunde im Schadenfall einen Bonus für schadenfreie Jahre, das heißt, die vereinbarte Selbstbeteiligung reduziert sich für ein Jahr Schadenfreiheit um 20%. Mit Beginn des sechsten schadenfreien Jahres entfällt die flexible Selbstbeteiligung. Nachdem ein ersatzpflichtiger Versicherungsfall eingetreten ist, erhöht sich die flexible Selbstbeteiligung wieder auf den ursprünglich vereinbarten Betrag – wahlweise 500 oder 1.000 Euro. Anschließend reduziert sie sich nach Ablauf jedes darauffolgenden schadenfreien Jahres in gleicher Weise.

Sie bieten Gewerbeversicherungen wie die Cyberversicherungen zum Online-Abschluss sowie über Makler an. Geht der Trend zum Direktabschluss – auch oder gerade im Gewerbegeschäft?

Mathias Scheuber: Der Online-Markt in der Gewerbeversicherung entwickelt sich rasant. Vor allem jüngere Kunden sind bereit für den digitalen Vertrieb von Versicherungsprodukten. Ich gehe davon aus, dass auch gewerbliche Versicherungen künftig immer häufiger online abgeschlossen werden. Entscheidend hierfür ist, dass die Produkte einfach und verständlich sind. Für viele Kunden ist aber weiterhin der persönliche Kontakt entscheidend. Daher wird der klassische Vertriebsweg in den nächsten Jahren der Hauptvertriebsweg bleiben.

Gute Beratung und passende Produkte sind das eine, doch am Ende muss auch die Schadenregulierung stimmen. Wie sehen Sie die ERGO Versicherung AG hier aufgestellt?

Mathias Scheuber: Der Schadeneintritt ist in der Kundenbeziehung der Moment der Wahrheit. Daher ist es unser Ziel, Prozesse vom Kundenwunsch aus – dazu zählen auch Vermittler – zu entwickeln. Im Rahmen der End-to-End-Digitalisierung überarbeiten wir unsere Prozesse, das heißt vom ersten Kontakt bis zum Abschluss des Kundenanliegens. Wir reduzieren die Komplexität, vereinfachen die Prozesse für die Kunden und lassen unnötige Prozessschritte aus. Grundlage für diese neuen Prozesse sind dabei auch vereinfachte Produkte, die eine konsequente Digitalisierung maßgeblich unterstützen. Zudem stellen wir Lösungen für die Angebots- bzw. Antragsstrecken und wichtige Betriebsgeschäftsvorfälle zur Verfügung, zum Beispiel Online-Rechner in den Sparten Sach, Haftpflicht, Cyber und Kaution. Die BiPRO-Standards werden den Maklern sukzessive zur Verfügung gestellt.

Worin sehen Sie die größten Trends für das Schadenmanagement in den kommenden Jahren?

Mathias Scheuber: Aufgrund veränderten Kundenverhaltens wird auch in Zukunft massiv in den Ausbau digitaler Technologien investiert. Ziel muss es sein, die gesamte Wertschöpfungskette zu digitalisieren, um den Schadenregulierungsprozess insgesamt zu beschleunigen. Auch die Versicherer profitieren von diesen Wirkungshebeln. Die durch die neuen Methoden und Technologietrends erzielte Schnelligkeit, Nachvollziehbarkeit und Effizienz schafft ein völlig neues Kundenerlebnis. Und ein sehr guter Schadenprozess ist essenziell, um die Kundenbeziehung nachhaltig zu sichern.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2020 auf Seite 36f. und in unserem ePaper.

Bild oben: © Blue Planet Studio – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Mathias Scheuber
Christopher Krahforst