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12. Oktober 2020
Gewerbeversicherung: Unbestimmte Sicherheitsvorschriften vermeiden

Gewerbeversicherung: Unbestimmte Sicherheitsvorschriften vermeiden

Klauseln zu Sicherheitsvorschriften finden sich in zahlreichen gewerblichen Sachversicherungsverträgen. Meist sind sie jedoch sehr allgemein formuliert. Rechtsanwalt Cäsar Czeremuga erklärt, was Vermittler bei der Beratung ihrer Gewerbekunden beachten müssen.

Nach dem Brand in der Produktionshalle stand das mittelständische Unternehmen vor einem Schaden in Millionenhöhe. Eine zügige Regulierung des Schadens durch den Versicherer war existenzentscheidend. Doch dann die Hiobsbotschaft: Der eingeschaltete Sachverständige habe festgestellt, dass das Wartungsintervall der Feuerlöscher von maximal zwei Jahren um drei Monate überschritten war, schrieb der Versicherer. Damit liege ein Verstoß gegen die Brandschutzvorschriften der Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.2 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vor. Die Versicherungsleistung müsse der Versicherer aufgrund der grob fahrlässigen Verletzung einer Obliegenheit um 50% kürzen.

Der Versicherungsnehmer und sein Makler halten dagegen: Das Feuer war nachts ausgebrochen, als kein Personal vor Ort war. Die Feuerlöscher kamen überhaupt nicht zum Einsatz, da sofort die Feuerwehr die Brandbekämpfung übernahm. Außerdem seien die Feuerlöscher trotz Überschreiten des Wartungsintervalls noch voll funktionsfähig. Der Versicherer bleibt jedoch bei seiner Deckungsablehnung, schließlich habe der Versicherungsnehmer gegen seine Obliegenheit aus dem Feuerversicherungsvertrag zur Einhaltung von Sicherheitsvorschriften verstoßen.

In einer verfahrenen Situation wie dieser ist eine langwierige juristische Auseinandersetzung mit dem Versicherer kaum noch zu vermeiden. Aber wie können Versicherungsnehmer und ihre Versicherungsmakler verhindern, eine vergleichbare Diskussion führen zu müssen?

Was sind Sicherheitsvorschriften?

Klauseln zu Sicherheitsvorschriften finden sich in vielen gewerblichen Sachversicherungsverträgen. Sie sollen sicherstellen, dass der Versicherungsnehmer nicht leichtfertig die gebotene Sorgfalt beim Umgang mit Betriebsrisiken missachtet – so weit, so nachvollziehbar. Mit Sicherheitsvorschriften sind beispielsweise Bestimmungen gemeint, die der Verhütung von Feuer- und Explosionsgefahren dienen. In der Feuerversicherung sind dies etwa die Allgemeinen Sicherheitsvorschriften der Feuerversicherer für Fabriken und gewerbliche Anlagen (ASF) oder spezifische Sicherheitsvorschriften für Starkstromanlangen.

Obwohl sich jedoch die tatsächlich relevanten Bestimmungen je nach Gefahrenlage und Versicherungsart unterscheiden, verzichten viele der Verträge auf eine konkrete Bezeichnung der einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften. Stattdessen findet sich häufig die folgende Generalklausel:

„Der Versicherungsnehmer hat alle gesetzlichen, behördlichen oder in dem Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten.“

Das Problem: Welche Vorschriften für den Versicherungsschutz seines Betriebs und in seiner individuellen Risikosituation wirklich relevant sind, bleibt für den Versicherungsnehmer völlig unklar.

Warum hat die Klausel an Bedeutung gewonnen?

In der anwaltlichen Arbeit aufseiten der versicherten Industrie sehen wir Auseinandersetzungen um die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften immer häufiger. Sachversicherer und ihre Schadenregulierer sowie beauftragte Sachverständige untersuchen im Rahmen der Schadenanalyse heute standardmäßig, ob Mitarbeiter oder Leitungsorgane des versicherungsnehmenden Betriebs alle Sicherheitsvorschriften einhielten. Selbst in gut geführten Betrieben werden sie dabei regelmäßig fündig. Schon die Verletzung irgendeiner beliebigen behördlichen Bestimmung oder Regelung des Kommunal-, Landes-, Bundes- oder Europarechts genügt.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Missachtung der Vorschrift und Schadeneintritt ist für den Versicherer zunächst zweitrangig. Der Gegenbeweis – dass also die Missachtung einer Sicherheitsvorschrift keinen Einfluss auf den Schadeneintritt oder die Höhe der Versicherungsleistung hatte – obliegt dem Versicherungsnehmer und ist vergleichsweise schwer zu führen. In jedem Fall wird die Schadenregulierung deutlich verzögert.

Die Missachtung einer Sicherheitsvorschrift hat, wie im eingangs geschilderten Beispiel gezeigt, schwerwiegende Folgen für das versicherte Unternehmen. Versicherer werten die Generalklausel als Obliegenheit, deren Verletzung sie zur quotalen Kürzung der Versicherungsleistung berechtigt. Oft setzen Versicherer pauschal Kürzungen von 50% oder mehr an. Nur wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit nicht grob, sondern nur einfach fahrlässig verletzte, kommt keine Leistungskürzung in Betracht. Allerdings muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass die Verletzung nicht grob fahrlässig erfolgte. Der Versicherer kann so lange die Leistung (teilweise) verweigern

Was Makler tun können

Ein mittlerweile verbreitetes, aber leider noch nicht ausreichendes Instrument zur Sicherung der Interessen des Versicherungsnehmers ist die Vereinbarung einer Repräsentantenklausel. Diese Klausel bestimmt, wer „Repräsentant“ des versicherungsnehmenden Betriebs ist. Nur das Verhalten dieser Personen (in der Regel die Geschäftsführung) ist dem Versicherungsnehmer zurechenbar. Verfehlungen einzelner Mitarbeiter schaden dem Versicherungsanspruch dann nicht mehr.

Allerdings wenden Versicherer gelegentlich ein, die Geschäftsführung hätte es offenbar versäumt, Mitarbeiter richtig anzuleiten, zu schulen oder zu überwachen. Durch die mangelhafte Organisationsstruktur hätten die Repräsentanten die Obliegenheitsverletzung zu verantworten – was wiederum eine Kürzung der Versicherungsleistung nach sich zöge. Bereits bei der Vertragsgestaltung sollten Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer daher nach Möglichkeit mit dem Versicherer vereinbaren, dass ein Organisationsverschulden des Repräsentanten nur bei Vorsatz zur Leistungskürzung berechtigt.

Das eigentliche Problem ist damit jedoch noch nicht gelöst: die Unbestimmtheit der Generalklausel. Lässt sich diese nicht abbedingen, sollten Versicherungsmakler auf jeden Fall eine Konkretisierung der Klausel vom Versicherer fordern. Wenn die relevanten, vom Versicherungsnehmer zu beachtenden Sicherheitsvorschriften sämtlich und abschließend im Ver­sicherungsvertrag aufgezählt sind, lassen sich spätere Diskussionen oft vermeiden. Auch hilft eine solche Aufzählung dem Versicherungsnehmer bei der Organisation seiner internen Risikomanagementprozesse.

Dass die Generalklausel in ihrer aktuellen Form keine Zukunft am Markt haben sollte, zeigt auch ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig (Beschluss vom 18.05.2017, Az.: 16 U 14/17). Der Versicherungsnehmer einer Wohngebäudeversicherung verlangte vom Versicherer Deckung für einen erlittenen Leitungswasserschaden. Der Versicherer hielt dem Versicherungsnehmer vor, beim Einbau der Wasserleitung eine DIN missachtet und dadurch gegen die Generalklausel zur Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften verstoßen zu haben. Das Gericht urteilte, dass die Generalklausel intransparent und damit unwirksam sei. Die Entscheidung ist zu begrüßen. Wünschenswert wäre, dass sich alsbald auch der Bundesgerichtshof zur Wirksamkeit der Generalklausel äußert.

Fazit

Pauschale vertragliche Regelungen zur Einhaltung unbestimmter Sicherheitsvorschriften durch den Versicherungsnehmer sind durch Versicherungsmakler unbedingt zu verhindern. Sie bergen das Risiko langwieriger Deckungsstreitigkeiten im Schadenfall. Wer mit dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer gemeinsam die im jeweiligen versicherten Betrieb sinnvollerweise einzuhaltenden Sicherheitsbestimmungen konkret identifiziert und festhält, hilft dem eigenen Kunden doppelt: durch bessere Schadenverhütung und eine problemlose Regulierung im Schadenfall.

Bild: © scharfsinn86 – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2020, Seite 122 f., und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Cäsar Czeremuga