Ein Gastbeitrag von Mirko Theine, Senior Manager bei zeb Consulting
Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist zentrales Element aller Tarife der privaten Krankenversicherung (PKV). Die GOÄ regelt die Abrechnung ärztlicher Leistungen für privat versicherte Patienten. In ihr sind Gebührenrahmen und -sätze für ärztliche Leistungen festgelegt. Damit ist die GOÄ die Grundlage für die Rechnungsstellung von Ärzten an privat voll- oder zusatzversicherte Personen.
Nun steht die GOÄ vor ihrer ersten grundlegenden Überarbeitung seit fast drei Jahrzehnten. Dabei markiert die geplante GOÄ-Novelle durchaus einen medizinischen und abrechnungstechnischen Meilenstein mit erheblichen Auswirkungen für die private Krankenversicherung. Über 8,7 Millionen Privatversicherte, rund 31 Millionen gesetzlich Versicherte mit Zusatzversicherungen und der gesamte Markt für individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) für gesetzlich versicherte Selbstzahler sind betroffen.
Inhalte der GOÄ-Novelle
Die geplante GOÄ-Reform bringt zahlreiche strukturelle und inhaltliche Änderungen mit sich:
- Ein modernes Bewertungsmodell, mit neuen Definitionen und Anwendungsregeln, welches dem medizinischen Fortschritt gerecht wird
- Ein differenziertes Leistungsverzeichnis mit über 5.600 Positionen, das Leistungen eindeutig abbildet
- Wegfall von Faktorsteigerungen, stattdessen Einführung von Erschwerniszuschlägen
- Kontinuierlich laufende Überprüfung und Fortschreibung durch eine gemeinsame Kommission von Bundesärztekammer (BÄK), PKV-Verband und Beihilfeträgern.
Startschuss wurde gegeben – wie es weiter geht
Nach Jahren intensiver Vorbereitung und Verhandlungen zwischen Bundesärztekammer (BÄK) und dem PKV-Verband wurde auf dem 129. Deutschen Ärztetag im Mai 2025 mit deutlicher Mehrheit entschieden, einen gemeinsam entwickelten Entwurf dem Bundesgesundheitsministerium zu übergeben und die Novellierung der GOÄ einzuleiten. Damit ist der Weg frei für nächste Schritte zur Erneuerung des privatärztlichen Abrechnungssystems.
Die Federführung für die weitere Umsetzung liegt nun beim Bundesgesundheitsministerium. Zuletzt betonten Sprecher des Ministeriums, dass die Gespräche mit den Beteiligten noch andauerten und weitere Informationen „zu gegebener Zeit“ folgen würden. Weitere Abstimmungen zum Entwurf zwischen ärztlichen Verbänden und dem PKV-Verband sind erforderlich. Damit bleibt der exakte Zeitpunkt des Inkrafttretens offen, die Wahrscheinlichkeit einer Novellierung der GOÄ in dieser Legislaturperiode gilt jedoch als wahrscheinlich.
Die Auswirkungen der GOÄ auf private Krankenversicherer
Die neue GOÄ verändert grundlegend die Abrechnungssystematik und die Kalkulationsgrundlagen. So entfällt beispielsweise das Prinzip der Faktorsteigerung mit 2,3 oder 3,5-fachem Satz. Stattdessen gibt es neue Erschwerniszuschläge. Dies hat Auswirkungen auf die Produktentwicklung: Produktlinien, die sich bisher an den Sätzen der Faktorsteigerung orientiert haben, gilt es anzupassen und Tarifkalkulationen zu überarbeiten. Zudem gilt es, Auswirkungen der neuen GOÄ auf Leistungsausgaben zu simulieren und die Leistungspolitik entsprechend passgenau zu adjustieren. Im Rahmen von Begleitprognosen wurde durch die Bundesärztekammer (BÄK) und den PKV-Verband ein Ausgabenanstieg von 13,2% über drei Jahre für die PKV errechnet.
Doch die Auswirkungen für private Krankenversicherer gehen darüber hinaus: Arztrechnungen werden sich verändern und damit auch die technische Auslese von Belegen und die Dunkelverarbeitung von Leistungsansprüchen. Hier müssen das Inputmanagement und die Regelwerke angepasst werden. Auch Sachbearbeitende müssen sich umstellen: Wurde die bisherige GOÄ jahrzehntelang verinnerlicht, ändern sich nun die Spielregeln mit Auswirkungen auf die Leistungsprüfung, Arbeitsanweisungen und Fallbeispiele.
Welche Auswirkungen sich für Vermittler ergeben
Auf die Vermittler kommen mit der GOÄ veränderte Tarife in Krankenvoll- und einigen Krankenzusatzversicherungen mit veränderten Erstattungsprinzipien zu. Auch wenn der Einführungszeitpunkt noch offen ist, gilt es bereits heute im Verkaufsgespräch die Kunden zu informieren. Das bedeutet nicht, dass die Vermittlung von Krankenversicherungen gestoppt oder pausiert werden soll. Im Gegenteil, veränderte Regularien sind immer eine Chance für Vermittler, sich durch hochwertige Beratung auszuzeichnen und Kunden zu informieren. Falls heute geltende Regelungen nach einigen Monaten nicht mehr gelten, wie beispielsweise die Faktorsteigerungen, ist es umso wichtiger, dass eine Aufklärung vor Vertragsabschuss stattgefunden hat, um später Irritationen zu vermeiden.
Wie sich Krankenversicherer und Vermittler schon heute vorbereiten können
Vermittler können sich heute informieren, was die neue GOÄ mit sich bringen wird, und ihre Kunden entsprechend aufklären. Auch die weitere Verfolgung der Entwicklungen hinsichtlich Zeitplanung und möglicher Änderungen bringt Vermittlern einen Informationsvorsprung.
Für Versicherer gilt es schon heute, Analysen durchzuführen und Vorbereitungen zu treffen, um mögliche Risiken gezielt zu adressieren und Chancen durch die neue GOÄ konsequent zu nutzen. Eine systematische Analyse hilft, sämtliche Auswirkungen durch die neue GOÄ zu identifizieren. In einem nächsten Schritt wird dann abgewogen, wo bereits jetzt Aktivitäten angestoßen werden sollten, ob bisherige Initiativen gestoppt oder angepasst werden müssen. Andere Themenfelder können zunächst einmal bis zur Einführung ruhen. So werden Fehlinvestitionen und Versäumnisse vermieden und Mehrwerte durch die GOÄ-Novelle geschaffen.
Insgesamt kommen mit der Novelle der GOÄ massive Veränderungen auf Versicherer, Vermittler, Beihilfeträger, Ärzte und Patienten zu. Hier sind alle Beteiligten aufgefordert, sich frühzeitig mit den neuen Regeln auseinanderzusetzen, um einen guten Übergang zwischen alter und neuer GOÄ zu schaffen.

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