Ein Artikel von Payam Rezvanian, Co-CEO Finanzchef24
Die deutsche InsurTech-Szene hat einen unüberhörbaren Weckruf erhalten. Mit der Insolvenz des Berliner Digitalversicherers Element zum Jahreswechsel und der darauffolgenden, unmissverständlichen Forderung der Finanzaufsicht BaFin nach mehr Profitabilität ist eine Zäsur erreicht. Für viele der ab 2015 gegründeten Unternehmen, die angetreten waren, die Versicherungswirtschaft mit digitalen Angeboten zu revolutionieren, endet damit die Ära des rein auf Wachstum ausgerichteten Geschäftsmodells.
Jahrelang wurde der Erfolg von InsurTechs primär an Skalierung, Kundenzahlen und Finanzierungsrunden gemessen. Risikokapital floss reichlich, Profitabilität schien ein fernes Ziel zu sein. Doch das Marktumfeld hat sich gedreht: Gestiegene Zinsen und vorsichtigere Investoren haben den Druck bereits erhöht. Die Element-Pleite, von der mehrere Hunderttausend Vertragspartner betroffen waren und bei der über 11.000 Forderungsanmeldungen eingingen, hat nun auch die Aufsicht alarmiert. Die Botschaft der BaFin ist klar: Ein nachhaltiges, tragfähiges Geschäftsmodell ist keine Option mehr, sondern zum Überleben notwendig.
Zwei Welten unter einem Dach
Die aktuelle Situation zeigt, dass der Versuch, ein InsurTech neu aufzubauen und in die Gewinnzone zu führen, sich oft als schwieriger erweist als gedacht. Eine Analyse des Marktes offenbart ein heterogenes Bild und macht eine Differenzierung nach Geschäftsmodellen zwingend erforderlich: auf der einen Seite die volllizenzierten Risikoträger, auf der anderen Seite die digitalen Vermittler und Assekuradeure.
1. Herausforderung für volllizenzierte InsurTech-Versicherer
InsurTechs, die als Risikoträger mit eigener BaFin-Lizenz agieren, tragen die größte Last. Sie müssen nicht nur innovative Produkte und eine exzellente digitale User-Experience bieten, sondern auch die komplexen regulatorischen Anforderungen erfüllen und ausreichend Kapital für die Risikoübernahme vorhalten. Die jüngsten Solvenzberichte zeichnen ein gemischtes Bild: Die deutsche InsurTech-Branche zeigt zunehmend heterogene Entwicklungsphasen. Während einige frühe Marktteilnehmer wie Getsafe nun die Schwelle zur Profitabilität im eigenen Versicherungsgeschäft überschreiten, ist bei ihnen gleichzeitig eine strategische Neuausrichtung hin zum weniger kapitalintensiven Vermittler- und Assekuradeur-Geschäft zu beobachten. Andere Unternehmen befinden sich noch in einer Phase der Konsolidierung und Optimierung. So werden beispielsweise bei Neodigital Maßnahmen zur Bestandsbereinigung und zur Anpassung der Preisstruktur umgesetzt, um die versicherungstechnischen Ergebnisse zu verbessern. Der digitale Krankenversicherer ottonova wiederum demonstriert mit einem starken Prämienwachstum erfolgreich die hohe Marktakzeptanz, steht aber – wie in diesem Segment üblich – vor der Aufgabe, dieses Wachstum mit den Kosten für Versicherungsfälle in Einklang zu bringen.
Diese Beispiele zeigen: Der Weg zur Profitabilität als Risikoträger ist steinig, aber nicht unmöglich. Er erfordert exzellentes Underwriting, diszipliniertes Kostenmanagement und eine klare Strategie.
Seite 1 InsurTechs: Warum jetzt Profitabilität zählt
Seite 2 2. Die Position der digitalen Vermittler und Plattformen

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