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30. September 2019
Home Office in der Immobilienbranche: Produktiver daheim?

Home Office in der Immobilienbranche: Produktiver daheim?

Das Home Office gewinnt auch in der Immobilienbranche an Bedeutung. Zugleich stellt es Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen. AssCompact sprach mit Kathrin von Hardenberg, Geschäftsführerin von Indigo Headhunters und Leiterin der Practice Real Estate, wie Home Office zur Erfolgsgeschichte wird.

Frau Hardenberg, warum bieten immer mehr Unternehmen Home-Office-Lösungen an?

In den allermeisten Fällen, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es wünschen. Da hat sich wirklich etwas bewegt. Früher habe ich mit Kandidaten für eine Stelle in der Immobilienwirtschaft über den Firmenwagen gesprochen, heute reden wir über das Home Office. Den Anfang machten junge Kollegen, die berühmten Millennials, und Mütter von kleinen Kindern. Doch inzwischen ist der Wunsch bei beiden Geschlechtern und in allen Altersstufen präsent.

Woher kommt dieser Sinneswandel?

Der wichtigste Punkt ist sicherlich der Abschied von der klassischen Ein-Verdiener-Ehe. Vati im Büro, Mutti bei den Kindern – das gibt es so kaum noch. An Stelle dieses Modells sind eine Menge sehr unterschiedlicher Lebensentwürfe getreten. Viele Menschen möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, viele möchten sich aber auch um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmern. Wegen hoher Mieten in den Städten nehmen Pendler lange Arbeitswege auf sich. Und auch die Arbeit im Büro selbst ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten weniger attraktiv geworden. Viele Arbeitnehmer fühlen sich im Großraumbüro mit Desk Sharing weniger wohl als mit einem traditionellen Büro.

Ausgerechnet die Immobilienbranche leidet unter dem Immobilienboom?

So kann man das durchaus sehen. Es sind ja nicht nur die Arbeitnehmer, die aus der Stadt verdrängt werden. Auch die Unternehmen selbst zahlen immer mehr für ihre Büroflächen. In diesem Kontext wird das Home Office auch für den Arbeitgeber attraktiv. Weniger Präsenz übersetzt sich direkt in ein kleineres Büro und eine niedrigere Miete.

Wie kann ich denn sicher sein, dass der Arbeitnehmer zu Hause auch tatsächlich arbeitet?

Das ist in der Tat eine weit verbreitete Besorgnis. Viele Führungskräfte in der Branche sind an direkte Kontrolle gewöhnt und tun sich schwer mit der Umstellung. Das Problem ist aber nicht nur subjektiv. Das Home Office wirft ganz konkrete Fragen auf, zum Beispiel nach Zeiterfassung, Datensicherheit, Arbeitsschutz oder Arbeitssicherheit. Home-Office-Vereinbarungen müssen darauf reagieren und passende Regeln anbieten. Nach meiner Erfahrung ist Kontrolle in der Praxis gar nicht das große Thema, eher geht es um Organisation und Kommunikation. Viele Arbeitnehmer werden heute ohnehin nicht nach Zeit bezahlt, sondern nach Arbeitsergebnissen. Der Arbeitnehmer muss stärker als bisher selbst dafür sorgen, dass er alle nötigen Informationen erhält und auch mehr als bisher dafür sorgen, dass er selbst und seine Leistung gesehen werden.

Was muss der Arbeitgeber für ein erfolgreiches Home Office tun?

Das Home Office setzt eine agilere Art von Führung voraus. Mit Firmenhandy und -Laptop allein ist es nicht getan. Insbesondere in der Anfangsphase, also wenn ein neuer Kollege in das Unternehmen kommt, ist erst einmal Nähe gefragt, um eine gute Einarbeitung zu gewährleisten. Nach einer Eingewöhnungsphase vor Ort können dann zum Beispiel ein oder mehrere Home-Office-Tage pro Woche oder Monat hinzukommen. In dieser Phase ist der direkte Kontakt zum Vorgesetzten und zum Team weiterhin wichtig, kann aber anders gestaltet werden. Hier bieten sich regelmäßige Calls an, vielleicht auch Videokonferenzen, um sich untereinander zu informieren und abzustimmen. Daneben muss das Team regelmäßig persönlich zusammen kommen. Persönliche Treffen mit einzelnen Kollegen an verschiedenen Tagen können nicht dasselbe allgemeine Informations- und Organisationsniveau sicherstellen wie ein Plenum. Es muss also Tage mit Anwesenheitspflicht möglichst für alle geben – am besten langfristig geplant und verbindlich in allen Kalendern vermerkt.

Calls und Teammeetings – das ist alles?

Es hört sich vielleicht etwas einfacher an, als es ist. Im Home Office kann ich nicht einfach mal kurz ins nächste Büro gehen und nachfragen, wenn ich etwas vergessen habe. Die inhaltlichen Ansprüche an Calls und Meetings steigen in diesem Modell deutlich. Und Gruppenformate können natürlich nicht den direkten Kontakt zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter ersetzen. Führungskräfte sollen Fähigkeiten und Potenziale ihrer Leute einschätzen, ihnen Ziele setzen und Perspektiven aufzeigen – all das erfordert ein Maß an persönlichem Kontakt, das sich nicht auf Team-Events herstellen lässt. Wenn Führungskräfte sich mit diesen Anforderungen nicht wohl fühlen, können Weiterbildung oder ein Coaching helfen.

Geht der zusätzliche Aufwand für Organisation zulasten der Produktivität?

Wenn man es richtig macht, nicht. Wir haben heute viele Tools, die die Abstimmung im virtuellen Team erleichtern und verschlanken. Das können Gruppenchats sein, Teamkalender, Cloud-Dokumente, die von verschiedenen Personen in Echtzeit parallel bearbeitet werden können, Wiki-Lösungen, Online-Umfragetools und vieles mehr. Wenn eine spezifische Frage mit einer kurzen Online-Umfrage geklärt wird anstatt mit ein paar Dutzend E-Mails, dann ist schon viel gewonnen. Außerdem weisen Studien darauf hin, dass viele Arbeitnehmer im Home Office tendenziell mehr arbeiten als im Büro, wegen der Vorteile mit der Mehrarbeit aber zufrieden sind.

Welche Unternehmen führen den Trend an?

Man könnte meinen, dass kleinere Immobilienunternehmen flexibler auf neue Anforderungen reagieren, aber in meiner Praxis erlebe ich eher, dass die großen Player schon weiter sind. Ein angestellter Manager geht mit einem (gefühlten) Kontrollverlust anders um als zum Beispiel ein Familienunternehmer, der das Unternehmen vor Jahrzehnten selbst gegründet hat. Und die internationalen Anbieter können außerdem auf Erfahrungen aus anderen Ländern aufbauen, die uns in diesem Punkt teilweise voraus sind. (mh)

Bild: © XtravaganT – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Kathrin von Hardenberg