Interview mit Thomas Meinke, Investment Strategist und Vice President bei Dimensional Fund Advisors Deutschland
Herr Meinke, Dimensional Fund Advisors bestreitet seit über 40 Jahren das Investmentgeschäft. Wie schlägt man sich im aktuellen Marktumfeld?
Die vergangenen Jahre waren für Investoren schwierig, weil es viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Unsicherheiten gab. So haben die Aktienmärkte in den letzten drei Kalenderjahren zwei Schritte nach vorn und einen zurück gemacht. Der Gesamttrend war aber gut für Anleger, die Disziplin bewahren und damit die Aktienprämie abschöpfen konnten. Unser deutsches Geschäft läuft ebenfalls sehr gut. Wir hatten im vergangenen Jahr Rekordzuflüsse, was wir der erfolgreichen Zusammenarbeit mit den von uns betreuten Beratern und deren ausgezeichneten Kundenbeziehungen zurechnen.
Ihr Unternehmen zeichnet sich durch einen wissenschaftlich orientierten Investmentansatz aus. Was sind die tragenden Säulen dieses Ansatzes?
Die Finanzwissenschaft lehrt uns, dass liquide Kapitalmärkte effiziente Informationsverarbeitungsmaschinen sind und aktuelle Marktpreise deshalb eine faire, realistische Bewertung darstellen. Beispielsweise lässt sich dies aus verschiedensten Studien der letzten Jahrzehnte ableiten, die den Erfolg traditioneller Fonds analysiert haben. Die meisten aktiven Fondsmanager konnten ihre Benchmark über längere Zeiträume nicht übertreffen. Und die wenigen erfolgreichen Manager konnten dies in den Folgejahren nicht zuverlässig fortsetzen, was es sehr schwierig macht, diese Manager im Voraus zu erkennen.
Unserer Meinung nach können Anleger auch ohne eine Kristallkugel erfolgreich investieren. Wir denken, dass aktuelle Marktpreise zuverlässige Informationen über erwartete Renditen enthalten. Deshalb verwenden wir Preise in Verbindung mit fundamentalen Unternehmensdaten, um sogenannte „Faktorprämien“ zu identifizieren. Diese Prämien erklären im Großen und Ganzen die historischen Renditeunterschiede in den Aktien- und Anleihemärkten. Manche der empirischen Nachweise reichen sogar ein knappes Jahrhundert zurück.
Braucht man dafür nicht ein speziell geschultes Personal mit einer besonderen Vor-/Ausbildung?
In bestimmten Bereichen ja. Unser Forschungsteam besteht zum Beispiel aus einer Vielzahl von Doktoranden aus den Disziplinen Finanzen, Wirtschaft und Physik. Die Arbeit meiner Kollegen ähnelt dabei der universitärer Wissenschaftler. Wir profitieren auch von der Erfahrung und der wissenschaftlichen Akribie mehrerer Akademiker wie z. B. der beiden Nobelpreisträger Eugene Fama und Robert Merton sowie der renommierten Finanzmarktforscher Ken French und Robert Novy-Marx, die uns allesamt beratend unterstützen.
Wie gelangen Sie an die relevanten Daten, die Sie für diesen Investmentansatz brauchen?
Wir verwenden verschiedene externe Datenanbieter sowie eigenständig gesammelte Daten in unserem Anlageprozess, also zu Forschungszwecken, bei der Portfoliostrukturierung und -verwaltung sowie beim Wertpapierhandel. Allein unsere interne Handelsdatenbank sammelt täglich Marktdaten von ungefähr 90 Millionen Transaktionen für rund 19.000 Wertpapiere aus 47 Ländern. Daneben verwenden wir auch frei zugängliche Datenquellen für die Forschung. Beispielsweise veröffentlicht das Center for Research in Security Prices in Zusammenarbeit mit Ken French Faktordaten, unter anderem die sogenannten Fama-French-Indizes. Unserer Meinung nach ist das der Goldstandard, um zu verstehen, welchen Mehrwert Faktorprämien bieten.
Zu welchen Kriterien führt die wissenschaftliche Herangehensweise bei der Anlageauswahl? Sind es andere als sonst?
In der Forschung schauen wir insbesondere darauf, ob eine neu gewonnene Erkenntnis robusten Tests standhält und verlässlich unseren bestehenden Anlageprozess verbessern kann. Wir setzen uns dabei eine hohe Messlatte, da in den letzten Jahrzehnten ein wahrer „Faktorenzoo“ entstanden ist und mehr als 450 Merkmale beschrieben wurden, die auf dem Papier historische Renditen erklären konnten. Unsere Forschungsergebnisse werden von einigen der Besten in der Finanzwissenschaft auf Verlässlichkeit und Umsetzbarkeit geprüft, bevor wir Änderungen an unserem Anlageansatz in Betracht ziehen. Eine theoretische Grundlage zu haben, ist noch nicht viel wert, die eigentliche Umsetzung ist am Ende des Tages das Entscheidende.
Bei Aktien setzen wir bei all unseren Strategien beispielsweise auf die Size-, Value- und die Profitabilitätsprämie: Kleinere Unternehmen, auch Small Caps genannt, haben in der Vergangenheit im Durchschnitt höhere Renditen abgeworfen als größere Unternehmen. Unternehmen mit einem niedrigeren relativen Preis, also günstiger bewertete Value-Titel, haben sich langfristig ebenfalls besser entwickelt. Und wir schauen auf die operative Profitabilität, wobei profitablere Unternehmen andere auf lange Sicht übertreffen konnten. Neben diesen langfristigen Treibern setzen wir auch auf kurzfristigere Effekte wie die Momentumprämie. Obwohl wir wissen, dass diese Faktoren die Wertentwicklung treiben, sind die Prämien durchaus auch mal negativ. Deshalb ist auch Anlagedisziplin ein wichtiger Bestandteil unserer Investmentphilosophie, insbesondere in volatilen Zeiten.
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