Ein Kommentar von Hendrik Richter, Geschäftsführer von ohne-makler.net
Wird der Immobilienmakler obsolet? Diese Frage kann mit Blick auf aktuelle Umfrageergebnisse gestellt werden. 2.076 Probanden wurden zwischen dem 05.06.2023 und dem 07.06.2023 zur Relevanz von Immobilienmaklern befragt. Die Ergebnisse? Fast jeder zweite Proband (47%) traut sich grundsätzlich zu, eine Immobilie selbst zu verkaufen – ohne die Hilfe eines Immobilienmaklers. 17% der Befragten stimmen dieser Aussage „voll und ganz“ zu, weitere 30% stimmen „eher“ zu.
Ganze 67% der Befragten ziehen es als Kaufinteressent sogar vor, ohne Vermittler und dafür direkt mit dem Eigentümer über das Objekt zu sprechen. Das zeigt: Das Selbstbewusstsein ist in puncto Kaufbeziehungen unter Immobilienfans sehr hoch. Aus Sicht von Immobilienmaklern wäre es fatal, auf diese Entwicklung nicht zu reagieren und das eigene Geschäftsmodell wie gehabt zu organisieren.
Herausfordernde Zeiten für Immobilienmakler
Das Immobiliengeschäft lief prächtig, die Nachfrage überstieg das Angebot bei Weitem. Spitz formuliert reichte es in der Vergangenheit überhaupt Angebote zu haben – Interessenten folgten quasi automatisch.
Doch mit der sich allgemein verschlechternden Wirtschaftslage läuft das Immobilienmakler-Geschäft seit einiger Zeit nicht mehr rund. Die Gründe: Kaufinteressenten werden aufgrund von steigenden Bauzinsen, hohen Energiekosten und horrenden Inflationszahlen immer skeptischer. Immer weniger Privatpersonen können sich so Immobilien leisten und mit der komplexen Finanzierung umgehen.
Immobilienmakler ohne vollständige Unterlagen zum Objekt sowie mit unzuverlässigen Angaben über Ausstattung, sozio-ökonomische Lage oder energetischen Zustand steigern diese Skepsis auf Interessentenseite um ein Vielfaches. Fehlt es dann auch noch an einem belastbaren Netzwerk, das Interessenten mit Finanzierern, Verwaltern oder weiteren Eigentümern zusammenbringen kann, winkt praktisch jeder auch noch so leicht interessierte Käufer dankend ab.
Mehr und mehr Probanden, das zeigt auch die YouGov-Umfrage, stoßen sich zudem am Provisionsmodell und den üblichen bis zu 7,14% des Verkaufspreises als angemessene Honorargröße für diese Dienstleistung. 61% der Befragten halten diese Provisionshöhe für Immobilienmakler laut der Umfrage nicht oder nicht mehr für angemessen.
Mehr noch: 68% der befragten Käufer stimmen der Aussage zu, dass die Provision insoweit ungerechtfertigt sei, da das Vermitteln von Verkäufern und Käufern an sich nur eine Leistung für den Verkäufer darstelle.
Neben der Provisionshöhe stören sich mehr als zwei von drei Befragten auch daran, dass eine dritte Partei den direkten Kontakt zum Eigentümer versperrt. Sie würden lieber direkt mit den Verkäufern einer Immobilie in Kontakt treten, um Details zu besprechen. Heißt im Zwischenfazit: Immobilienmakler können sich zukünftig kaum mehr „nur“ mit der Vermittlung des Objektes zufriedengeben. Ein Stück weit muss sich diese Berufsgruppe neu erfunden, wenn sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will.
Haben Immobilienmakler ausgedient?
Immobilienmakler – ein überholter Berufsstand? Ganz so radikal ist die Wirklichkeit und wohl auch die Zukunft nicht. Die Berufsgruppe sollte sich nur im eigenen Interesse intensiv mit den Ergebnissen und den Schlussfolgerungen aus dieser Umfrage befassen. So wie bis vor Kurzem wird es nicht weitergehen – und „die gute, alte Zeit“ am Immobilienmarkt wird auch so schnell nicht zurückkehren.
Vor allem das klassische Provisionsmodell scheint in die Jahre gekommen zu sein. Sowohl, was seine Höhe der Provision betrifft, als auch die Verzerrung des Objektwertes durch einen künstlich nach oben oder nach unten veränderten Preis für das Abkassieren von hohen bzw. schnellen Provisionen. Eine Gesamtprovisionshöhe von mehr als sieben Prozent ist überzogen, wenn sich die makelnde Dienstleistung wie nicht selten in der Vergangenheit bei manch schwarzem Schaf auf das reine Türaufschließen und Austauschen von E-Mails beschränkt. Insbesondere heutzutage, nach dem konstanten und rapiden Anstieg der Kaufpreise, steigt das Anforderungsprofil an diese Berufsgruppe erkennbar an.
Wissen macht den Unterschied – und Vertriebserfolg
Viele Immobilienmakler offenbaren oft erschreckend geringe Kenntnisse über die betreffenden Immobilienobjekte – was die Vermittlungsdauer oft unnötig in die Länge zieht. Hier gibt es in Sachen Schulungen und Qualifizierung eine Menge Luft nach oben.
Der seit Langem diskutierte Sachkundenachweis lässt weiter auf sich warten. Ein Grund, warum ab und an Kunden auf Immobilienmakler stoßen, die nicht einmal wissen, ob die von ihnen zu vermittelnde Wohnung einen Keller hat oder die keinen Schlüssel zu Hand haben. Die Branche war mit den steigenden Immobilienpreisen eine Branche von Glücksrittern gewesen. Doch diese Zeiten sind vorbei – und jetzt trennt sich auch unter den Immobilienmaklern die Spreu vom Weizen.
Käufer und Käuferinnen, Verkäufer und Verkäuferinnen ziehen aus ihren Erfahrungen immer häufiger einen Schluss – abzulesen an den Resultaten der Untersuchung: Sie gehen eigenständig und ohne Immobilienmakler auf Immobiliensuche beziehungsweise in die Vermarktung. 48% der befragten Verkäuferinnen und Verkäufer trauen sich zu, eine kostenpflichtige Anzeige in einem führenden Immobilienportal zu schalten und dann selbstständig auf die Suche nach dem passenden Geschäftspartner zu gehen.
Immerhin für jeden Dritten und jede Dritte in der Umfrage kommt ein Zwitter-Modell infrage: Sie möchten keine Provision zahlen, wünschen sich aber dennoch einen fachkundigen Ansprechpartner, den sie bei Bedarf für Detailfragen des Immobilien(ver)kaufs zurate ziehen können. Genau darin könnte eine neue Chance für seriöse Anbieter bestehen.
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