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4. August 2025
Inflation, Lieferengpässe, Zinsen: Was treibt die Schadenkosten?
Inflation, Lieferengpässe, Zinsen: Was treibt die Schadenkosten?

Inflation, Lieferengpässe, Zinsen: Was treibt die Schadenkosten?

Mit steigenden Schadenkosten klettern nicht nur Prämien in die Höhe, sondern auch das Risiko der Unterversicherung. Werden Versicherungsverträge nicht regelmäßig überprüft und angepasst, kann dies im Schadenfall existenzgefährdend sein. Was Vermittler und Unternehmen tun können, damit es nicht so weit kommt.

Ein Artikel von Konrad Hahn, Geschäftsführer gvp Gesellschaft für Versicherungsprüfung mbH

Die Zeiten moderater, planbarer Preissteigerungen sind vorbei. Unternehmer und Versicherer sehen sich mit Kostenentwicklungen konfrontiert, die schwer vorhersehbar und noch schwerer kalkulierbar sind. Baupreise steigen, Material fehlt, Personal ist knapp – und all das schlägt direkt auf die Schadenregulierung durch.

Gleichzeitig fehlen den Versicherern Einnahmen: In der langjährigen Niedrigzinsphase sind die Erträge aus Kapitalanlagen eingebrochen. Das hat dazu geführt, dass viele Versicherer Zurückhaltung üben – auch bei der Regulierung größerer Schäden.

Für Unternehmen bedeutet das: Die eigene Versicherungssumme muss realistisch bemessen sein. Denn Preissteigerungen führen sonst zu einer finanziellen Lücke, und das trotz Versicherungsschutz.

Die unsichtbare Gefahr: Unterversicherung

Steigende Preise wirken sich auch auf den Versicherungsschutz aus – und zwar oft unbemerkt. Denn viele Verträge beruhen auf Schätzwerten, die bei Vertragsabschluss einmalig festgelegt wurden. Werden diese nicht regelmäßig aktualisiert, droht im Schadenfall eine Unterversicherung.

Unterversicherung bedeutet: Die vereinbarte Versicherungssumme ist niedriger als der tatsächliche Wiederherstellungswert. Im Falle eines Totalschadens zahlt der Versicherer nur bis zur vereinbarten Summe. Bei Teilschäden wird sogar anteilig gekürzt.

Ein Beispiel: Wird ein Gebäude mit einem tatsächlichen Neuwert von 3 Mio. Euro nur mit 2 Mio. Euro versichert, ersetzt der Versicherer bei einem Teilschaden von 1 Mio. Euro lediglich zwei Drittel – also rund 667.000 Euro.

Gerade in Zeiten sprunghafter Preissteigerungen im Baugewerbe kann diese Lücke existenzgefährdend sein. Umso wichtiger ist deshalb, die Versicherungssumme realistisch zu ermitteln und sie regelmäßig mittels Index anzupassen.

Versicherungswert korrekt ermitteln und aktuell halten

Die Grundlage jeder Versicherung ist die richtige Höhe der Versicherungssumme. Doch genau hier passieren viele Fehler. Häufig orientieren sich Unternehmen an früheren Anschaffungskosten mit Rabatten oder dem Buchwert – also daran, was eine Anschaffung oder Wiederherstellung ursprünglich gekostet hat.

Auch selbst gebaute oder gebraucht erworbene Maschinen und selbst erstellte Gebäude müssen zum üblichen Neupreis bewertet werden. Besonders tückisch ist die fehlerhafte Zuordnung: Wird ein Lastenaufzug etwa als Gebäudeteil statt als Betriebseinrichtung deklariert, kann das im Schadenfall zu Abzügen führen. Umgekehrt zählt ein Personenaufzug zum Gebäude – eine Entscheidung, die vielen nicht bewusst ist.

Selbst wenn die Versicherungssumme zu Beginn korrekt ermittelt wurde, bleibt sie nicht automatisch aktuell. Zwar passen viele Versicherer sie jährlich per Index an, doch diese Indizes bilden meist nur allgemeine Trends ab. Wer neue Maschinen anschafft, Warenbestände erhöht oder investiert, muss dies aktiv nachmelden. Sonst wächst die Deckungslücke.

Standardindex reicht oft nicht

Viele Versicherungsverträge enthalten eine sogenannte Summenanpassungsklausel: Die Versicherungssumme wird jährlich anhand eines Preisindexes angepasst, etwa an den Baupreisindex oder Verbraucherpreisindex. Das klingt vernünftig, greift in der Praxis aber oft zu kurz.

Denn solche Indizes bilden nur den Durchschnitt ab. Preisentwicklungen in bestimmten Branchen oder Regionen laufen jedoch weit darüber hinaus. In der Landwirtschaft etwa haben sich Stallbauten und Spezialtechnik teils deutlich stärker verteuert als der allgemeine Baupreis. Gleiches gilt für Maschinen- und Anlagenbauer, bei denen Rohstoffkosten, Lieferfristen und Zulieferketten massiv unter Druck stehen.

Wer sich allein auf die Indexanpassungen des Versicherers verlässt, riskiert eine gefährliche Deckungslücke, gerade in Bereichen mit überdurchschnittlicher Preisvolatilität. Deshalb ist entscheidend, regelmäßig zu prüfen, ob der verwendete Index zur eigenen Branche und Investitionsrealität passt.

Nebenkosten im Schadenfall – oft vergessen, selten versichert

Ein Beispiel: Nach einem Brandschaden verlangt die Bauaufsicht den Einbau einer stärkeren Dachisolierung oder einer Photovoltaikanlage, obwohl beides vorher nicht vorhanden war. Solche Mehrkosten aufgrund behördlicher Auflagen sind nicht automatisch versichert, können aber abgesichert werden, sofern dies vertraglich vereinbart ist.

Auch zeitliche Preissteigerungen sind ein Problem: Die Versicherung berechnet den Schaden auf Basis des Tageswerts zum Schadentag. Die Wiederbeschaffung erfolgt jedoch oft erst Monate später – zu teureren Konditionen. Ohne entsprechende Klauseln trägt der Versicherungsnehmer diese Differenz selbst.

Diese Fälle zeigen: Entscheidend ist nicht nur die richtige Versicherungssumme, sondern auch der vertragliche Umfang des versicherten Schadens, inklusive Nebenkosten, Folgekosten und Auflagen.

Professionelle Unterstützung sichert Existenzen

Versicherer regulieren nach wirtschaftlichen Maßgaben im Rahmen dessen, was vertraglich vereinbart und nachgewiesen ist. Wer im Ernstfall allein auf eine wohlwollende Regulierung hofft, riskiert eine böse Überraschung.

Spezialisierte Berater helfen, Versicherungssummen korrekt zu bemessen, Lücken zu erkennen und im Schadenfall strukturiert und durchsetzungsstark zu agieren, auf Augenhöhe mit den Versicherern.

Professionelle Berater sorgen dafür, dass:

  • die Versicherungssumme korrekt ermittelt und aktuell gehalten wird,
  • zusätzliche Risiken und Nebenkosten berücksichtigt sind,
  • im Schadenfall zügig reagiert wird,
  • Gespräche mit Versicherern und deren Gutachtern sachgerecht geführt werden.
Wer heute richtig versichern will, muss morgen noch wissen, was es kostet

Inflation, Lieferkettenprobleme, baurechtliche Vorgaben und volatile Rohstoffpreise verändern die Rahmenbedingungen der Schadenregulierung tiefgreifend. Was heute ausreichend versichert scheint, kann morgen bereits zu wenig sein.

Unternehmen sind gut beraten, nicht nur die Höhe der Versicherungssumme im Blick zu behalten, sondern auch den tatsächlichen Leistungsumfang ihrer Policen – inklusive Nebenkosten, Anpassungsklauseln und branchenspezifischer Besonderheiten. Standardlösungen reichen in vielen Fällen nicht aus.

Wer seine Risiken realistisch bewerten und im Ernstfall souverän vertreten wissen will, sollte frühzeitig auf spezialisierte Partner setzen, in der Beratung wie der Schadenabwicklung. Das reduziert Unsicherheiten, vermeidet Streitfälle und sichert die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit im Fall der Fälle.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2025 und in unserem ePaper.

 

 
Ein Artikel von
Konrad Hahn