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15. August 2025
InsurTechs: Warum jetzt Profitabilität zählt
InsurTechs: Warum jetzt Profitabilität zählt

InsurTechs: Warum jetzt Profitabilität zählt

Die Insolvenz des Digitalversicherers Element hat die Branche aufgerüttelt und die BaFin auf den Plan gerufen. Sie fordert von den InsurTechs einen klaren Kurs in Richtung Gewinnzone. Eine Marktanalyse über den Status quo sowie die unterschiedlichen Geschäftsmodelle.

Ein Artikel von Payam Rezvanian, Co-CEO Finanzchef24

Die deutsche InsurTech-Szene hat einen unüberhörbaren Weckruf erhalten. Mit der Insolvenz des Berliner Digitalversicherers Element zum Jahreswechsel und der darauffolgenden, unmissverständlichen Forderung der Finanzaufsicht BaFin nach mehr Profitabilität ist eine Zäsur erreicht. Für viele der ab 2015 gegründeten Unternehmen, die angetreten waren, die Versicherungswirtschaft mit digitalen Angeboten zu revolutionieren, endet damit die Ära des rein auf Wachstum ausgerichteten Geschäftsmodells.

Jahrelang wurde der Erfolg von InsurTechs primär an Skalierung, Kundenzahlen und Finanzierungsrunden gemessen. Risikokapital floss reichlich, Profitabilität schien ein fernes Ziel zu sein. Doch das Marktumfeld hat sich gedreht: Gestiegene Zinsen und vorsichtigere Investoren haben den Druck bereits erhöht. Die Element-Pleite, von der mehrere Hunderttausend Vertragspartner betroffen waren und bei der über 11.000 Forderungsanmeldungen eingingen, hat nun auch die Aufsicht alarmiert. Die Botschaft der BaFin ist klar: Ein nachhaltiges, tragfähiges Geschäftsmodell ist keine Option mehr, sondern zum Überleben notwendig.

Zwei Welten unter einem Dach

Die aktuelle Situation zeigt, dass der Versuch, ein InsurTech neu aufzubauen und in die Gewinnzone zu führen, sich oft als schwieriger erweist als gedacht. Eine Analyse des Marktes offenbart ein heterogenes Bild und macht eine Differenzierung nach Geschäftsmodellen zwingend erforderlich: auf der einen Seite die volllizenzierten Risikoträger, auf der anderen Seite die digitalen Vermittler und Assekuradeure.

1. Herausforderung für volllizenzierte InsurTech-Versicherer

InsurTechs, die als Risikoträger mit eigener BaFin-Lizenz agieren, tragen die größte Last. Sie müssen nicht nur innovative Produkte und eine exzellente digitale User-Experience bieten, sondern auch die komplexen regulatorischen Anforderungen erfüllen und ausreichend Kapital für die Risikoübernahme vorhalten. Die jüngsten Solvenzberichte zeichnen ein gemischtes Bild: Die deutsche InsurTech-Branche zeigt zunehmend heterogene Entwicklungsphasen. Während einige frühe Marktteilnehmer wie Getsafe nun die Schwelle zur Profitabilität im eigenen Versicherungsgeschäft überschreiten, ist bei ihnen gleichzeitig eine strategische Neuausrichtung hin zum weniger kapitalintensiven Vermittler- und Assekuradeur-Geschäft zu beobachten. Andere Unternehmen befinden sich noch in einer Phase der Konsolidierung und Optimierung. So werden beispielsweise bei Neodigital Maßnahmen zur Bestandsbereinigung und zur Anpassung der Preisstruktur umgesetzt, um die versicherungstechnischen Ergebnisse zu verbessern. Der digitale Krankenversicherer ottonova wiederum demonstriert mit einem starken Prämienwachstum erfolgreich die hohe Marktakzeptanz, steht aber – wie in diesem Segment üblich – vor der Aufgabe, dieses Wachstum mit den Kosten für Versicherungsfälle in Einklang zu bringen.

Diese Beispiele zeigen: Der Weg zur Profitabilität als Risikoträger ist steinig, aber nicht unmöglich. Er erfordert exzellentes Underwriting, diszipliniertes Kostenmanagement und eine klare Strategie.

2. Die Position der digitalen Vermittler und Plattformen

Ein anderes Bild zeigt sich bei InsurTechs, die als digitale Versicherungsmakler oder Assekuradeure agieren. Plattform-Geschäftsmodelle konzentrieren sich auf die Kernkompetenzen Technologie, Vertrieb und Kundenservice, während das Risiko bei etablierten Versicherungsgesellschaften verbleibt. Dieses Modell bietet entscheidende Vorteile in der aktuellen Marktphase:

  • Geringerer Kapitalbedarf: Da kein Risiko getragen wird, sind die Kapitalanforderungen erheblich niedriger.
  • Fokus auf Effizienz: Ressourcen können vollständig in die Optimierung von Prozessen, die Verbesserung der Customer Journey und die Entwicklung von Technologielösungen investiert werden.
  • Flexibilität und Unabhängigkeit: Als Vermittler kann auf ein breites Produktportfolio verschiedener Risikoträger zurückgegriffen werden, um für den Kunden die beste Lösung zu finden.

Digitale Vermittler wie Finanzchef24, die den Fokus auf profitables Wachstum frühzeitig gesetzt haben, profitieren in diesem Umfeld besonders von ihrer Agilität und Kapitalunabhängigkeit.

Die strategische Neuausrichtung von Getsafe, das mittlerweile ein Vermittlungsvolumen von über 500 Mio. Euro vorweist, und der Plan von Neodigital, sich künftig stärker als Technologieanbieter zu positionieren, unterstreichen die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit technologiegetriebener Vertriebs- und Plattformmodelle.

Die Chancen der Marktbereinigung

Die gegenwärtige Marktphase ist keine Krise, sondern eine notwendige und gesunde Bereinigung. Sie trennt die nachhaltigen Geschäftsmodelle von den rein auf schnelles Wachstum ausgelegten Konzepten. Für die Zukunft ergeben sich daraus klare Herausforderungen, aber auch bedeutende Chancen.

Die Herausforderung für alle Marktteilnehmer besteht darin, das durch die Element-Insolvenz beschädigte Vertrauen bei Kunden und Investoren wiederherzustellen. Es muss der Beweis erbracht werden, dass „digital“ und „stabil“ keine Gegensätze sind.

Die Chancen liegen in der Konzentration auf das Wesentliche. Die Zukunft gehört resilienten und anpassungsfähigen Geschäftsmodellen. Hybride Ansätze, die die technologische Agilität von InsurTechs mit der Kapitalstärke und Erfahrung traditioneller Versicherer verbinden, werden sich durchsetzen. Digitale Vermittler sind hierbei ideal positioniert: Sie agieren als entscheidende Schnittstelle, die technologische Innovation direkt zum Kunden bringt, ohne die bilanzielle Last des Risikotragens schultern zu müssen.

Die Forderung der BaFin nach Profitabilität ist somit kein Hemmnis, sondern ein Katalysator für eine reifere, stabilere und letztlich erfolgreichere InsurTech-Branche. Profitabilität ist nicht länger nur ein finanzielles Ziel, sondern die Lizenz für die Zukunftsfähigkeit im Versicherungsmarkt.

Lesen Sie auch: White-Label-Versicherung: Was die BaFin Verbrauchern rät

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Ein Artikel von
Payam Rezvanian