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3. Juli 2023
Kann eine Traumatisierung eine Berufskrankheit sein?

Kann eine Traumatisierung eine Berufskrankheit sein?

Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Störung, die als Reaktion auf ein traumatisches Ereignis auftritt. Doch wann kann von solchen Ereignissen gesprochen werden? Darüber hatte das Bundessozialgericht im Fall eines Rettungssanitäters zu entscheiden.

Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bei Rettungssanitätern kann als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden, auch wenn sie nicht zu den in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgezählten Berufskrankheiten gehört. Das haben die Richter am Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Rettungssanitäter erlebte traumatisierende Ereignisse

Der Kläger war Rettungssanitäter und legte im Juli 2016 bei seinem Unfallversicherer einen Entlassungsbericht der Deutschen Rentenversicherung vor, in dem unter anderem eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) festgestellt wurde. Der Bericht führte aus, der Kläger habe im Rettungsdienst viele traumatisierende Erlebnisse gehabt (zum Beispiel Amoklauf, Suizide und andere das Leben sehr belastende Momente). Gleichzeitig habe er über Personalknappheit und ähnliche ihn belastende Vorgänge in der Rettungswache berichtet.

Unfallversicherer lehnt Leistungen ab

Der beklagte Unfallversicherer lehnte allerdings die Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Gleichzeitig stellte er fest, dass die Erkrankung auch nicht als Wie-Berufskrankheit anzuerkennen sei. Das sahen auch die Vorinstanzen (Sozialgericht Stuttgart, Landessozialgericht Baden-Württemberg) so und gaben dem Unfallversicherer recht. Sie argumentierten, dass ausreichend gesicherte neue medizinische Erkenntnisse über ein deutlich erhöhtes Risiko bei Rettungssanitätern, eine beruflich verursachte Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, ebenso wenig vorlägen wie über den Umstand, dass (allein) die wiederholte Konfrontation der Ersthelfer mit traumatischen Ereignissen bei anderen Personen generell geeignet sei, eine Posttraumatische Belastungsstörung zu verursachen.

BSG-Richter holen Gutachten ein

Die Richter am BSG allerdings verwarfen diese Einschätzungen und stellten sich auf die Seite des klagenden Rettungssanitäters. Auf Basis eines Sachverständigengutachtens zum Auftreten und zu Ursachenzusammenhängen von PTBS in der Berufsgruppe der Rettungssanitäter kamen das oberste Sozialgericht zu der Entscheidung, dass PTBS eine Erkrankung sei, die wegen der besonderen Einwirkungen, denen Rettungssanitäter gegenüber der übrigen Bevölkerung ausgesetzt sind, als Wie-Berufskrankheit bei dieser Personengruppe anzuerkennen ist.

Berufskrankheit ergibt sich aus international anerkanntem Diagnosesystem

Die Richter stellten in ihrem Urteil zunächst generell fest, dass Rettungssanitäter während ihrer Arbeitszeit einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt seien. Auf Basis des Gutachtens werde klar, dass diese Einwirkungen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft auch Ursache einer PTBS seien. Dieser Ursachenzusammenhang ergebe sich aus den international anerkannten Diagnosesystemen, insbesondere dem Statistischen Manual Psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung sowie den Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, argumentierte daher das Gericht.

Ob beim klagenden Rettungssanitäter allerdings tatsächlich eine PTBS vorliegt, die auf seine Tätigkeit als Rettungssanitäter zurückzuführen ist, bedürfe indes noch weiterer Feststellungen, so das BSG – und hat die Sache deswegen an die Vorinstanz zurückverwiesen. (as)

Bild: © sebra – stock.adobe.com