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23. März 2022
Kaum aktienbasierte Geldanlagen bei Geringverdienern

Kaum aktienbasierte Geldanlagen bei Geringverdienern

Die Reform der Altersvorsorge soll auch durch kapitalmarktorientierte Elemente erfolgen. Auch wenn besonders Geringverdiener darauf angewiesen wären, besitzen sie kaum aktienbasierte Geldanlagen. Daher wird die Beratung durch Vermittler immer wichtiger, wie eine aktuelle Studie darlegt.

Die Altersvorsorge ist wohl ohne aktienbasierte Lösungen nicht mehr zukunftsfähig. Auch in weiten Teilen der Politik ist man inzwischen davon überzeugt, so weist doch der Koalitionsvertrag der Ampelregierung auf die Integration der Anlageklasse in allen drei Säulen hin. Wegen niedriger gesetzlicher Rentenansprüche sind dabei Geringverdiener besonders auf eine solche ergänzende Vorsorge angewiesen. Doch wie steht es um die Bedeutung aktienbasierter Geldanlagen in dieser Bevölkerungsgruppe?

Vielfach fehlen die Mittel für eine aktienbasierte Geldanlage

Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA), die AssCompact vorliegt, zeigt nun: Gerade einmal 15,2% der Geringverdiener verfügen über aktienbasierte Geldanlagen – deutlich weniger als Durchschnittsverdiener (33,1%) und Besserverdiener (51,7%). Mehr als die Hälfte der Geringverdiener (52,1%) gibt dazu an, nicht genügend Geld zur Verfügung zu haben. Knapp 35% der befragten Geringverdiener fürchten mit aktienbasierten Geldanlagen die Gefahr, die gesamte Anlagesumme zu verlieren. Zudem hält wiederum etwa ein Fünftel der befragten Geringverdiener aktienbasiertes Sparen für unattraktiv. „Das fehlende Interesse an aktienbasierten Anlageformen ist zumindest zu einem größeren Teil eine Folge fehlender Mittel“, schlussfolgert Prof. Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des DIVA.

Ein Aktiensparzwang führt an Geringverdienern vorbei

Die Ergebnisse sollten der Politik aber zu denken geben, gibt Heuser angesichts der fehlenden Mittel bei Geringverdienern zu bedenken. Denn gerade Menschen, deren gesetzliche Rente nicht ausreicht, hätten auch keine Mittel für ergänzende eigene Vorsorge. Die Idee der Ampelkoalition, die Bürger beispielsweise mit einer verpflichtenden Einzahlung zusätzlich zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rente zum Aktiensparen zu zwingen, gehe daher an Geringverdienenden vorbei. „Einem Bürger in die leeren Taschen zu greifen, wird wohl auf wenig Verständnis bei den Betroffenen stoßen. Und auch die EU-Kommission versucht, das falsche Problem zu lösen. Den Bürgern fehlt nicht der Zugang zum Kapitalmarkt, sondern schlicht das notwendige Geld“, so Heuser weiter.

Beratung durch freie Vermittler wird immer wichtiger

Bei der „letzten Meile zu den Finanzentscheidungen“ gewinnen für Geringverdiener Finanz- und Vermögensberater, die schlank aufgestellt und weiterhin in der Fläche präsent sind, vermehrt an Bedeutung, wie die Studienergebnisse zeigen. Mehr als ein Drittel (34%) und damit weit mehr als die Normal- und Besserverdiener (21% bzw. 25%) suchen ihren Rat. Die Studie schlussfolgert daher, dass persönliche Finanzberater zunehmend eine sozialpolitisch wichtige Aufgabe leisteten; sie würden Geringerverdiener bei Vermögensaufbau und Altersvorsorge unterstützen und damit eine wichtige Unterstützung bei Finanz- und Anlageentscheidungen bieten. „Wenn gerade für Privatkunden mit niedrigen und mittleren Einkommen der Marktzugang verbessert werden soll, dann kommt es entscheidend auf die freien Berater an. Diese sind es, die den Bürgern die Möglichkeiten des aktienbasierten Sparens erklären und beim Abschluss von Verträgen helfen. Die immer stärkere Regulierung der Beratung und Diskussionen über die Provisionen sind deshalb kontraproduktiv“, kritisiert Dr. Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV) und Träger des DIVA.

Zweifel an Expertise eines staatlichen Fondsmanagements

Allerdings: Auch wenn eine Zweidrittelmehrheit unter den befragten Aktienbesitzern der Meinung ist, dass ein Staatsfonds die gesetzliche Rente generell stabilisieren würde, bedeutet diese Zustimmung keinesfalls, dass man den Staat für den geeigneten Akteur in Sachen Aktien und Fonds hält. Im Gegenteil zeigen die befragten Aktionäre sehr deutliche Skepsis gegenüber dem Staat als Fondsmanager; die Geringerverdiener dabei noch etwas mehr als die höheren Einkommensgruppen. 51% haben nämlich Zweifel an der notwendigen Expertise beim Staat. Noch nüchterner fällt das Misstrauen gegenüber politischem Durchhaltevermögen aus: In allen Einkommensgruppen haben fast zwei Drittel (zwischen 60% und 64%) die Sorge, „dass die Politik Mittel des Staatsfonds auch für andere Zwecke als die Rente einsetzen könnte“.

Hintergrund der Studie

Empirische Grundlagen der Analyse sind eine repräsentative Bürgerbefragung des DIVA im November 2021 und eine repräsentative Befragung von Besitzern aktienbasierter Geldanlagen im Januar 2022. Dort definiert das DIVA „geringerverdienende Haushalte“ als solche mit einem monatlichen Nettohaushaltseinkommen bis 1.800 Euro. Sie umfassen rund zwölf Millionen Einheiten und damit etwa 30% aller Privathaushalte in Deutschland. (as)

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