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28. Oktober 2020
Kein Paradigmenwechsel durch Corona-Krise: Value mit Qualität hat Bestand

Kein Paradigmenwechsel durch Corona-Krise: Value mit Qualität hat Bestand

Mit steigenden Infektionszahlen und dem Anbruch der kühleren Jahreszeit greifen wieder stärkere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Was bedeutet das für Anlageberater? Den Dialog suchen. Viele Kunden sind verunsichert: Ist mein Geld noch angemessen anlegt? Wo lauern besondere Risiken? Wo die Chancen?

Von Patrick Linden, Partner und Geschäftsführer der Niederlassung Deutschland von Clartan Associés

Gerade jetzt, in Zeiten der Unsicherheit, sollte man nicht ängstlich in Untätigkeit verharren. Die Nullzinspolitik der letzten Jahre wird uns, nicht zuletzt auch aufgrund der globalen Pandemie, bis auf Weiteres begleiten. Wer sein Geld gewinnbringend anlegen möchte, sollte es nicht aufs Sparkonto packen. Niedrigzinsen lassen es verkümmern. Aktien sind die bessere Lösung. Aber Vorsicht: Anleger sollten nicht jedem Trend hinterherlaufen. Gerade bei den großen Technologieunternehmen ist nach den Kursgewinnen der letzten Monate Zurückhaltung angeraten. Stattdessen gibt es Unternehmen, die jüngst durch die Pandemie zu Unrecht an den Börsen abgestraft worden sind: klassische Value-Titel.

Firmen, die solide und rentabel wirtschaften

Value-Unternehmen sind werthaltige Firmen, die solide und rentabel wirtschaften – was sich aber aktuell nicht in ihrem Börsenkurs widerspiegelt. Folglich haben sie ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV). Ein weiterer Anhaltspunkt ist der intrinsische Wert. Unsere Investmentphilosophie basiert auf dem Grundsatz: „Quality & Value“. Das heißt, wir erwerben Qualitätsunternehmen mit hoher Unterbewertung. Oder anders ausgedrückt: Das wichtigste Kriterium einer Aktie in unsere Fonds ist die niedrige Bewertung gepaart mit einem hohem intrinsischen Wachstumspotential. Denn eine nachhaltige und langfristige Geldanlage sollte stets auf einem wahren Wert basieren. Alles andere ist in unseren Augen Spekulation.

Erkenntnisse aus Gesprächen mit Firmenverantwortlichen

Unersetzbar sind zudem die persönlichen Gespräche mit den Geschäftsführern und Vorständen der Unternehmen, ob physisch oder per Video. Die Informationen und dadurch gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage, um die weitere Entwicklung der Firmen zu erkennen, zu bewerten – und daraus die Antwort auf die Frage abzuleiten: Investieren, ja oder nein? Denn während einige unterbewerte Unternehmen extrem hohes Aufholpotenzial besitzen, hakt es bei anderen tatsächlich beim Geschäftsmodell. Diese werden womöglich nicht so schnell wieder auf die Beine kommen. Die Einzeltitelanalyse hat in den letzten Monaten somit wieder deutlich an Bedeutung gewonnen. Statt über eine ETF beispielsweise pauschal auf einen kompletten Index zu setzen, ist Selektion via Stock-Picking gefragt.

Tech-Werte: Bereits eine Blase?

Das Plus im bisherigen Jahresverlauf hat der amerikanischen Index S&P 500 maßgeblich den sogenannten GAFAM-Titeln – namentlich Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft – zu verdanken. Diese fünf Tech-Werte haben nach ihrem Höhenflug einen Anteil von rund einem Fünftel an dem Index.

Rationalität wird sich bald wieder durchsetzen

Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Kursen und erwarteten Gewinnen (KGV) erscheint der Markt zwar insgesamt teuer, aber in der Branchenbetrachtung ergibt sich ein differenzierteres Bild: Das erwartete KGV, also die Bewertung der Gewinne der kommenden zwölf Monate, liegt für den Gesamtindex bei 22,9 – und damit auf dem höchsten Stand seit dem Jahr 2000. Finanzwerte alleine erreichen jedoch nur einen Wert von 14,2, während IT-Unternehmen mit dem 50-fachen der erwarteten Gewinne bewertet werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solche Diskrepanzen nicht dauerhaft sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Rationalität der Marktteilnehmer wieder durchsetzt. Zum Vergleich: Kurz vor Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 haben ebenfalls fünf Unternehmen – General Motors, Microsoft, Cisco, Intel und Exxon Mobil – 18% des S&P 500-Volumens auf sich vereint.

Value? Ja, jetzt!

Natürlich weiß niemand, wann diese Krise ausgestanden ist. Wir haben in den vergangenen 30 Jahren gesehen, dass Value insbesondere nach einer Korrektur enormes Aufholpotenzial liefert. Das belegt beispielsweise die Zeitspanne der Jahre 2000 bis 2007. Ein antizyklischer Investmentansatz kann somit auch als gewisse Absicherung bei Börsenrücksetzern und der darauffolgenden Erholungsphase dienen. Die jüngsten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise haben zu enormen Preisdiskrepanzen an den Märkten geführt. Abhängig vom Eindämmen der Pandemie und ihrer Einschränkungen wird es einen „Flight to Quality Value“ geben – mit einer Normalisierung der Bewertungen insgesamt. Das bedeutet konkret: Abverkauf von extrem überbewerteten Tech-Firmen zu Gunsten klassischer stark unterbewerteter, rentabler Value-Unternehmen. Unsere anhaltenden Gespräche mit Firmenverantwortlichen aus klassischen Industrien zeigen genau das. Denn die meisten dieser Manager blicken positiv in die Zukunft.

Stock-Picking entscheidend

Wichtig ist, sich nicht verunsichern zu lassen. Zugegeben, das ist ob der Umstände nicht immer ganz leicht. Aber Anlagen in Aktien sollten stets einen langfristigen Ansatz und Horizont verfolgen. Aktuell erwirtschaften viele Unternehmen trotz des herausfordernden Umfeldes solide Erträge. Etliche Firmen haben eine positive Gewinnsituation und ein wertschöpfendes Geschäftsmodel – und sind trotzdem günstig an der Börse zu haben. Gerade im Energiebereich und bei Banken gibt es interessante Value-Chancen. Wir halten an unserer Überzeugung fest und haben stets die langfristige Perspektive jedes einzelnen Unternehmens im Blick. Dieser werthaltige Ansatz sollte sich langfristig auszahlen.

Über den Autor:

Patrick Linden ist Partner und Geschäftsführer der Niederlassung Deutschland von Clartan Associés, einer 1986 unter dem Namen Rouvier Associés gegründeten unabhängigen Vermögensverwaltungsgesellschaft aus Paris. Der studierte Diplom-Volkswirt und Bankkaufmann arbeitet in dieser Position seit dem Jahr 2011. Zuvor war er mehr als zehn Jahre für Standard & Poor’s, BNP Paribas und die Deutsche Bank in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien tätig.

Bild: © Costello77 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Patrick Linden