Bei Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen, die zwischen dem 29.07.1994 und Ende 2007 abgeschlossen wurden, gibt es ein Widerrufsrecht, wodurch die Verträge bei falscher Kundenbelehrung rückabgewickelt werden können. In einem solchen Fall erhalten die Kunden ihre gesamten Beiträge zurück, ohne Abzug der Verwaltungskosten. So beschreibt es auch verbraucherzentrale.de auf ihrer Website.
Das Widerspruchsrecht hat im Normalfall eine Frist von 14 Tagen nach Vertragsabschluss – wenn das Versicherungsunternehmen falsch belehrt hat, dann noch deutlich länger. Allerdings laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht bei „geringfügigen“ Belehrungsfehlern.
Klage zu gekündigten Lebensversicherungen
Bei dem vorliegenden Fall ging es um fondsgebundene Renten- und Lebensversicherungen, die zum 01.11. und 01.12.2002 zwischen den Versicherungsnehmern und der Beklagten nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden. 2016 und 2017 kündigten die Versicherungsnehmer die Verträge und erklärten jeweils 2018 den Widerspruch nach § 5a VVG a. F. (alte Fassung), der ebenjenes oben genanntes Widerspruchsrecht bei falscher Kundenbelehrung behandelt und bei Stattgabe zur Rückabwicklung berechtigt.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe der Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs der Grundsatz von „Treu und Glauben“ entgegen. Es liege ein „vorrangiges schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers in den Fortbestand des Vertrags“ vor. Denn es gebe Umstände, die schlussfolgern lassen, dass der Versicherungsnehmer auch in Kenntnis seines Lösungsrechts vom Vertrag an diesem festgehalten hätte. Die Klägerin führte als Begründung an, dass der Versicherer sie über die einzuhaltende Schriftform für die Widerspruchserklärung belehrt hätte, anstelle der ausreichenden Textform. Doch dies könne die Versicherungsnehmer nicht ernsthaft von der Ausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der bei ordnungsgemäßer Belehrung geltenden Frist abgehalten haben. Hiergegen hat die Klägerin beim BGH Revision eingereicht.
Lediglich ein „geringfügiger“ Belehrungsfehler
Der BGH kam schlichtweg zu dem Schluss, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts in diesem Fall gegen den Grundsatz Treu und Glauben verstoße. Den Versicherungsnehmern sei durch diesen geringfügigen Belehrungsfehler nicht die Möglichkeit genommen worden, das Widerrufsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben.
Kurzum: Dass die Versicherungsnehmer darüber unterrichtet wurden, dass der Widerruf der Schriftform, also mit Unterschrift bedarf, obwohl lediglich die Textform ohne Unterschrift genügt hätte, sei dem Urteil des BGH zufolge rechtlich nicht relevant. (mki)
BGH, Urteil vom 15.02.2023 – Az. IV ZR 353/21
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