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18. Juni 2020
Kfz-Versicherung: Vollkasko-Kürzung nach Motor-Tuning?

Kfz-Versicherung: Vollkasko-Kürzung nach Motor-Tuning?

Darf ein Kfz-Versicherer seine Leistung kürzen oder sogar ablehnen, wenn die Motorleistung des versicherten Kfz durch Tuning drastisch erhöht wurde? Darüber hatte das OLG Saarbrücken in einem Fall zu urteilen, in dem ein Mann die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und gegen eine Tunnelwand prallte.

Ob 243 PS oder 405 PS, das kann doch keinen großen Unterschied bei einer Kfz-Versicherung machen. Ein eher ungewöhnlicher Gedanke, den wahrscheinlich nur eingefleischte Freunde des Auto-Tunings nachvollziehen können. Das Landgericht (LG) Saarbrücken hatte zu entscheiden, in welcher Höhe eine Kfz-Vollkaskoversicherung noch leisten muss, wenn einfach kurzerhand der Motor des versicherten Autos mit einem leistungsstärkeres Modell ausgetauscht wurde.

Versehentlich das Gaspedal betätigt

Ein Mann war mit seinem Chevrolet Cabrio aus den 80er Jahren unterwegs. Am Ende eines Tunnels musste er wegen einer roten Ampel abbremsen, jedoch rutschte er vom Bremspedal direkt auf das Gaspedal ab und beschleunigte wieder. Der Mann krachte mit seinem Wagen an die Wand des Tunnels und verursachte damit einen Schaden an seinem Auto in Höhe von über 23.000 Euro.

Kfz-Versicherer lehnt Schadenregulierung ab

Der Mann konnte jedoch hoffen, nicht selbst für die Reparaturkosten im Rahmen der Instandsetzung aufkommen zu müssen. Schließlich verfügte er über eine Kfz-Vollkaskoversicherung. Doch die lehnte die Leistungspflicht ab. Der Versicherer begründete das damit, dass der Mann einen neuen Motor mit mehr PS in seinen Wagen einbauen hatte lassen. Dieses Motor-Tuning stelle eine Gefahrenerhöhung im Sinne von § 23 VVG dar, die der Kfz-Halter hätte melden müssen.

Versicherungsnehmer sieht sich im Recht

Damit wollte der Mann sich nicht abspeisen lassen und klagte gegen seinen Versicherer. Zum einen behauptete er, durch seine Fachwerkstatt für Auto-Tuning nicht darüber informiert worden zu sein, dass er den neuen Motor in die Fahrzeugpapiere eintragen lassen müsse. Zum anderen habe sich der Unfall ereignet, weil er vom Bremspedal abgerutscht war. Ein leistungsschwächerer Motor hätte das und somit den Unfall nicht verhindert. Des Weiteren sei der Motor eintragsfähig gewesen, was bedeute, dass er auch nach Eintragung Versicherungsschutz bei seinem Versicherer genossen hätte – wenngleich auch zu höheren Versicherungsprämien. Und auch der Einbau sei nicht in erster Linie zur Leistungssteigerung erfolgt, sondern vielmehr, weil der alte Motor zu hohe Reparaturkosten verursacht habe.

Versicherer lehnt Argumente ab

Der Versicherer hielt dagegen, dass der Motor selbst lediglich ein Viertel des Betrags gekostet habe, den der Mann in das Motor-Tuning seines Wagens investiert hatte. Mutmaßlich stand also sehr wohl die Leistungssteigerung im Zentrum des Motortauschs und nicht bloß der Ersatz eines defekten Bauteils. Der Versicherer behauptete auch, dass der Kläger selbstverständlich von seiner Werkstatt über die Eintragungspflicht belehrt worden sei – darüber hinaus sei die Eintragungspflicht aber auch hinlänglich bekannt. Zuletzt sei auch der Unfallhergang geradezu typisch für übermotorisierte Fahrzeuge, die bei der Betätigung des Gaspedals nicht mehr kontrolliert werden könnten. Deshalb erlösche bei derartig gravierenden Veränderungen, ohne amtliche Abnahme, die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs.

Motorleistungssteigerung stellt beachtliche Gefahrenerhöhung dar

Erstinstanzlich wurde die Klage des Mannes abgewiesen und auch das OLG Saarbrücken urteilte im Berufungsverfahren zugunsten des Versicherers. So stelle der Einbau eines anderen, leistungsfähigeren Motors eine beachtliche Gefahrenerhöhung dar, die der Kläger bei seinem Versicherer hätte melden müssen. Diese Pflicht habe er grob fahrlässig verletzt, da ihm bereits durch einfachste Überlegungen hätte klar werden müssen, dass die vorgenommenen Änderungen den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher machten.

Kürzungshöhe immer am Verschulden orientiert

Laut Urteil des OLG Saarbrücken darf der Versicherer die Versicherungsleistung im vorliegenden Fall kürzen. Eine Kürzung um zwei Drittel sieht das Gericht als angemessen an. Die Höhe der zulässigen Kürzung müsse sich in derartigen Fällen immer am konkreten Verschulden des Versicherungsnehmers orientieren. Somit ist in besonders schweren Fällen auch eine Leistungsfreiheit denkbar. (tku)

OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.03.2020, Az.: 5 U 64/19

Bild: © Thomas Dutour – stock.adobe.com