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31. Mai 2025
KI im Asset-Management: Was Berater wissen müssen
KI im Asset-Management: Was Berater wissen müssen

KI im Asset-Management: Was Berater wissen müssen

Künstliche Intelligenz ist längst im Asset-Management angekommen – und verändert, wie Portfolios gebaut, Risiken bewertet und Anlageentscheidungen getroffen werden. Wie KI im Investmentprozess eingesetzt wird, wo ihre Grenzen liegen und warum Beratung weiterhin wichtig bleibt, zeigt der folgende Beitrag.

Ein Artikel von Christian Sievers, Geschäftsführer der LAIC Vermögensverwaltung GmbH, KI-Tochter des Asset Managers LAIQON. Er verantwortet seit 2019 die Entwicklung und Anwendung KI-gestützter Strategien im Asset-Management sowie fünf mit KI gemanagte Fonds.

Die Diskussion um künstliche Intelligenz (KI) ist längst auch in der Finanz- und Versicherungsbranche angekommen. Viele Berater begegnen dem Thema mit großem Interesse – aber auch mit Skepsis. Zwischen medialem Hype und tatsächlicher Anwendung ist es nicht immer einfach, die Orientierung zu behalten. Fakt ist: KI ist kein Zukunftsthema mehr. Sie wird längst im Asset-Management eingesetzt – wenn auch in verschiedenen Ausprägungen und mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen. Auch Berater werden in den kommenden Jahren zunehmend mit KI-basierten Strategien in Berührung kommen – sei es in Gesprächen über innovative Fonds oder im Rahmen der Vermögensverwaltung für anspruchsvolle Kunden. Es lohnt sich also, das Thema differenziert zu betrachten.

Was ist KI – und was nicht?

Der Begriff „künstliche Intelligenz“ wird häufig unscharf verwendet. Nicht jede automatisierte Auswertung von Kursdaten ist bereits ein KI-System. Auch regelbasierte Ansätze wie die sogenannten Quant-Fonds oder modernere Robo-Advisor basieren meist nicht auf KI. Solche Konzepte folgen fest definierten Regeln: „Wenn A, dann B.“ Sie funktionieren in stabilen Marktphasen, stoßen aber schnell an ihre Grenzen, wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen verändern.

Die heutigen KI-Ansätze – insbesondere solche, die auf Deep Learning basieren – gehen deutlich darüber hinaus. Sie testen nicht nur Hypothesen oder führen vorher festgelegte Aktivitäten aus. Sie erkennen selbstständig Muster in großen Datenmengen und passen ihre Einschätzungen kontinuierlich an neue Informationen an. Das ist wichtig, weil Unternehmen, Märkte und die Weltwirtschaft keinen physikalischen Gesetzen folgen. Was Rendite bringt und wo Risiken lauern, verändert sich ständig.

KI und Wahrscheinlichkeiten

Ein besonders innovativer Ansatz ist die Kombination von KI und Wahrscheinlichkeiten. In einem solchen Modellansatz modellieren die dazu eingesetzten neuronalen Netze nicht nur, was passieren könnte, sondern auch, wie sicher diese Vorhersage ist. Eine einfache KI gibt dagegen nur ein Kauf- oder Verkaufssignal – aber keine Aussage, wie wahrscheinlich ein Kursanstieg oder -abfall ist. Gerade diese Fähigkeit zur Quantifizierung von Unsicherheit hat sich im Portfoliomanagement schon als sehr wertvoll erwiesen.

Wo kommt KI konkret zum Einsatz?

KI kann den Investmentprozess unterstützen oder sogar vollständig steuern. Je nach Tiefe der Integration lassen sich in der Praxis drei Anwendungsformen unterscheiden. Weiter verbreitet ist der Einsatz von KI als Analysewerkzeug. Hier unterstützt die Technologie den Menschen, indem sie relevante Informationen aus umfangreichen Datenströmen filtert, zum Beispiel aus makroökonomischen Kennzahlen, Unternehmens- oder Kursdaten. Eine tiefere Integration ist die Nutzung von KI als Assistenten für bestimmte Teilprozesse, zum Beispiel für die Einzeltitelbewertung, die Asset Allocation oder das Risikomanagement. In dieser Variante bereitet die KI einzelne Handlungsempfehlungen vor, das Fondsmanagement bleibt aber weiter verantwortlich für die Zusammenstellung des Fonds.

KI als Fondsmanager

Noch selten, aber der Weg in die Zukunft, ist der Einsatz von KI als eigenständiger Fondsmanager. In echten KI-Fonds oder Mandaten steuert die KI den gesamten Anlageprozess – von der Analyse über die Titelauswahl bis zur Umschichtung. Die Ergebnisse solcher reinen KI-Fonds können sich sehen lassen: In hochliquiden Märkten wie US-Large-Caps erzielen KI-Strategien bereits längerfristige Outperformance gegenüber ihrer Benchmark – etwa durch frühe Reaktionen auf Marktveränderungen oder durch das Aufspüren neuer Renditetreiber im Datenuniversum.

Was KI gut kann ...

KI spielt ihre Stärken besonders dort aus, wo strukturierte und qualitativ hochwertige Daten in großer Menge verfügbar sind. Das trifft vor allem auf effiziente Märkte zu wie Large Caps in Europa und den USA, auf große Aktienindizes oder ETFs. Hier kann die KI die Datenmengen schneller und umfassender auswerten als menschliche Analysten. Sie nutzt zudem ein deutlich größeres Datenuniversum für die Mustererkennung, also neben Unternehmens-, Branchen-, Trend- und Makrodaten auch unstrukturierte Informationen wie Analystenmeinungen, Telefonkonferenzen zu Quartalsberichten oder Social Media Sentiments.

... und wo die künstliche Intelligenz an Grenzen stößt

Doch es gibt auch Grenzen. In intransparenten oder illiquiden Märkten fehlt oft die Datenbasis, um verlässliche Prognosen zu ermöglichen – etwa bei Small Caps, in Schwellenländern oder bei Anleihen. Hier sind menschliche Fondsmanager weiter im Vorteil. Wichtig ist darüber hinaus die Datenqualität. Fehlerhafte oder verzerrte Daten können dazu führen, dass die KI falsche Muster erkennt. Dieses Risiko muss besonders im Training der Modelle sorgfältig gemanagt werden. Nur wenn die Daten vielfältig sind und viele verschiedene Marktphasen abdecken, kann die KI ihre Macht wirklich entfalten. Für die Praxis bedeutet das: KI ist kein Allheilmittel. Ihre Stärken entfaltet sie dort, wo Komplexität hoch, Datenqualität gut und Geschwindigkeit entscheidend ist.

Fazit: Chancen für Berater und Vermittler

Für Berater und Vermittler eröffnet das Thema KI neue Gesprächsanlässe und Beratungsansätze. Denn KI-getriebene Produkte werden sich zu einer festen Größe entwickeln – neben aktiv gemanagten Fonds und Indexfonds. Auch wünschen sich viele Kunden nachvollziehbare und zukunftsorientierte Lösungen. Hier können KI-basierte Strategien eine Lösung sein – wenn der Vermittler die Funktionsweise verständlich erklären kann. Und schließlich bietet eine KI-gesteuerte Vermögensverwaltung ein völlig neues Level an echten, intelligenten Individualisierungen im Portfolio. Denn die KI kann persönliche Präferenzen wie Nachhaltigkeit, Risikoneigung, Länder- und Sektorenallokation passgenau zusammenstellen und managen.

Die Entwicklungen im Blick behalten

Sicher ist: Künstliche Intelligenz wird das Asset-Management in den kommenden Jahren maßgeblich prägen. Für Vermittler lohnt es sich, die Grundprinzipien und Einsatzmöglichkeiten zu kennen, um Kunden souverän beraten und Innovationen einordnen zu können. So positionieren sie sich als moderne, technologieaffine Partner – ein wichtiger Wettbewerbsvorteil in einem sich wandelnden Markt.

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Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2025 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Christian Sievers