AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
17. März 2020
Kind auf dem Rücksitz? Don’t look back in anger!

Kind auf dem Rücksitz? Don’t look back in anger!

Wenn man sich während einer Autofahrt zu seinem Kind umdreht, das sich auf der Rücksitzbank befindet, handelt man grob fahrlässig. Das geht aus dem Urteil des OLG Frankfurt am Main in einem Fall hervor, in dem ein Fahrer auf diese Weise einen Unfall verursacht hatte.

Da ist man mit seinen Kindern im Auto unterwegs und konzentriert sich auf den Verkehr, doch dann machen die Kleinen etwas, was plötzlich die Aufmerksamkeit des Fahrers erfordert. Was tun? Bleibt die Aufmerksamkeit vorbildlich auf den Verkehr gerichtet oder dreht man sich kurz zum Geschehen auf dem Rücksitz um? Und wenn man das tut, handelt es sich dann um sogenanntes Augenblickversagen oder grob fährlässiges Verhalten? Diese Fragen hatte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem aktuellen Fall zu entscheiden.

Fahrer trifft bei grober Fahrlässigkeit höhere Selbstbeteiligung

Ein Mann hatte ein Auto gemietet. Im Rahmen des Mietvertrags war eine Haftungsfreistellung zugunsten des Beklagten vereinbart worden. Dadurch käme bei einem selbst verschuldeten Unfall lediglich die Selbstbeteiligung von 1.050 Euro auf den Fahrer zu. Falls es sich jedoch um eine grob fahrlässige Verursachung des Unfalls handelte, hatte der Autovermieter die Möglichkeit, seine Leistungsverpflichtung gemäß der Schwere des Verschuldens zu kürzen.

Fahrer wechselt Fahrspur und dreht sich dann um

Mit dem gemieteten Fahrzeug war der Mann schließlich auf der Autobahn unterwegs. Der Verkehr verlief stockend. Auf dem Rücksitz saßen die beiden Söhne des Mannes. Sein achtjähriger Sohn, der auf dem rechten Rücksitz saß, hatte plötzlich einen Gegenstand in der Hand, den der Vater nicht erkennen konnte. Der Mann war gerade dabei, die Fahrspur zu wechseln, weshalb er sich nicht sofort umdrehte, sondern erst das Manöver beendete. Nachdem die Fahrspur gewechselt war, drehte er sich komplett zu seinem Sohn um, in der Sorge, dass es sich um etwas Gefährliches handeln könnte, das der Junge in der Hand hielt.

Mietwagen kollidiert mit Motorrad

Dem vor ihm liegenden Verkehr konnte der Mann nicht mehr folgen. Als ein Motorradfahrer vor ihm bremste, konnte er nicht mehr rechtzeitig reagieren und fuhr auf das Motorrad auf, wobei ein Sachschaden am Mietwagen von ca. 10.000 Euro entstand.

Autovermieter geht von grober Fahrlässigkeit aus

Der Mann beglich im weiteren Verlauf seine Selbstbeteiligung. Damit wollte sich die Autovermietung jedoch nicht zufriedengeben. Sie klagte auf anteilige Erstattung des Schadens, da der Fahrer ihrer Meinung nach grob fahrlässig gehandelt hatte, als er sich zu seinem Sohn umdrehte.

Landgericht geht von Augenblicksversagen aus

Das Landgericht lehnte die Klage ab und begründete dies damit, dass es sich in dem Moment lediglich um ein sogenanntes Augenblicksversagen gehandelt habe. Ein grob fahrlässiges Verhalten sah es jedoch nicht als erfüllt.

Fahrer muss Verkehr stets im Blick behalten

Dagegen ging die Autovermietung vor dem OLG Frankfurt am Main in Berufung und hatte diesmal mit der Klage Erfolg. Das OLG sah sehr wohl einen Fall von grob fahrlässigem Verhalten. Auch bei stockendem Verkehr sei ein Fahrzeugführer stets verpflichtet den Verkehr zu beobachten. Genau das hat der Fahrer nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht getan, als er sich zu seinem Sohn umdrehte.

Verhalten des Fahrers spricht gegen Augenblicksversagen

Des Weiteren könne es sich auch nicht um ein reflexartiges Augenblicksversagen handeln. Schließlich habe der Fahrer zuerst den Spurwechsel vollendet, bevor er sich umdrehte. Dies spreche laut Gerichtsurteil eindeutig gegen eine reflexartige Fehlleistung.

Umdrehen diente nicht der Abwehr einer Gefahr

Und auch der Einwand, dass das Umdrehen zur Abwehr einer angenommenen Gefahr diene, verfing vor Gericht nicht. Hätte der Sohn tatsächlich einen gefährlichen Gegenstand in der Hand gehalten, so hätte eine bloße Hinwendung die Gefahr nicht bannen können. Vielmehr hätte der Vater nur die Information erhalten, was der Sohn da in der Hand hielt. Das hätte er jedoch auch durch eine Frage an seinen Sohn oder seinen anderen danebensitzenden Sohn bewerkstelligen können. Auch eine Anweisung, wie das Kind sich zu verhalten habe, hätte er durchaus aussprechen können, ohne seine Aufmerksamkeit vom Straßenverkehr zu lenken. (tku)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.02.2020, Az.: 2 U 43/19

Bild: © alexkich – stock.adobe.com