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24. Juni 2022
Konsolidierung im Maklermarkt: Wohin geht die Reise?
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Konsolidierung im Maklermarkt: Wohin geht die Reise?

Der Maklermarkt befindet sich im Wandel. Aus kleinen und mittleren Einheiten werden größere – eine Folge der stetig steigenden Herausforderungen. Insofern verändert sich ein kompletter Vertriebskanal der Versicherungswirtschaft. Und das Ende ist noch nicht erreicht.

Ein Artikel von Christian Mylius, Partner & Managing Director bei der EY-Parthenon Financial Services GmbH, und Johannes Schmidt, Director bei der EY-Parthenon Financial Services GmbH

Im Jahr 2021 erreichte das Transaktionsgeschehen im deutschen Maklermarkt seinen bisherigen Höhepunkt. Besondere Strahlkraft hatte der Kauf von FondsFinanz durch Hg Capital für nicht bestätigte 200 Mio. Euro für 60% der Anteile (Quelle: Versicherungsmonitor). Aber auch Maklerhäuser wie MRH Trowe, MLP, Ecclesia, Südvers sowie weitere Marktteilnehmer wie auch Versicherer erweiterten ihre Portfolios durch Zukäufe.

Die häufigsten Fragen, die angesichts der vielen Transaktionen und des gesteigerten Interesses seitens verschiedenster Käufertypen von Maklern, Versicherern bis hin zu Private-Equity-Fonds regelmäßig aufkommen, sind dreierlei:

  • Wo stehen wir in Deutschland in Sachen Konsolidierung – am Anfang, mittendrin oder bereits am Ende der „Konsolidierungswelle“?
  • Wo geht die Reise hin – wird sich der deutsche Maklermarkt ähnlich wie die Märkte in den USA oder im Vereinigten Königreich entwickeln?
  • Machen Zukäufe eigentlich Sinn bzw. wie kann durch Transaktionen nachhaltig Wert geschaffen werden?
Die Konsolidierung im deutschen Maklermarkt ist in vollem Gange

Transaktionen zwischen Unternehmen in Form von Asset oder Share Deals gehören zunächst einmal zu den typischen Aktivitäten in jedem Markt. Auch im deutschen Versicherungs- bzw. Maklermarkt ist das nicht anders. Von Konsolidierung wird im Allgemeinen erst dann gesprochen, wenn die Konzentration des Geschäftsvolumens einer Branche durch Unternehmenskäufe steigt. Das kann, muss aber zunächst nicht mit einer abnehmenden Anzahl aktiver Unternehmen in einer Branche einhergehen.

Erste Konsolidierungstendenzen im Maklerumfeld waren in Deutschland vor knapp zehn Jahren zu erkennen. Dazu zählten beispielsweise die Übernahmen von IC Unicon durch die Artus Gruppe (Juli 2012) und der Erwerb von Glauerdt durch die Gossler, Gobert und Wolters Gruppe (Januar 2013). Auch die Martens & Prahl Gruppe war bereits damals mit vielen Akquisitionen aktiv, zumeist mit Minderheitsbeteiligungen. Seitdem ist sehr viel passiert, denn die Transaktionsdynamik hat rasant zugenommen und bei vielen Maklern ab einer bestimmten Größe klingelt derzeit wohl häufig das Telefon, um Verkaufsambitionen auszuloten.

Über Kooperationen mit anderen Unternehmen nachzudenken und gegebenenfalls auch im „M&A-­Geschäft“ aktiv zu werden, macht strategisch aus zwei Gründen Sinn: Zum einen steigen die Marktanforderungen, unter anderem durch Regulierung, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Covid-19 und zunehmend unsichere volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen. Zum anderen sind die organischen Wachstumschancen im Versicherungsmarkt limitiert. Durch einen starken Verbund oder gar einen Zusammenschluss lässt sich – ein professionelles Management der Transaktion und des „Lebens danach“ vorausgesetzt – die strategische, operative und finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens signifikant steigern.

Private Equity läutet neue Phase ein

Eine neue Phase der Konsolidierung im deutschen Maklermarkt hat mit dem Einstieg von Private-Equity-Unternehmen wie Summit Capital Partners, AnaCap Financial Partners, BlackFin Capital Partners, Hg Capital und weiteren kleineren professionellen Kapitelgebern begonnen. Private-Equity-finanzierte Maklerhäuser konnten nunmehr nicht ein bis zwei meist eigenkapital­finanzierte Transaktionen pro Jahr durchführen, sondern teilweise mehr als zehn. Da das Angebot an geeigneten größeren Akquisitionsobjekten im Markt jedoch eher begrenzt ist, haben sich in der Folge viele hiesige Marktteilnehmer wiederum zu einer aktiveren M&A-Strategie entschieden, um möglichst schnell zu agieren. Dadurch entstand eine Transaktionsdynamik im Markt, die 2021 mit um die 50 Transaktionen ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hat.

Der Blick auf andere Märkte wie USA oder UK hilft, das Transaktionsgeschehen im heimischen Markt einzuordnen. In den USA sind beispielsweise nur noch zwei der größten 30 Makler inhabergeführt, der Rest ist entweder börsennotiert oder Private-Equity-finanziert, Letzteres teilweise bereits im zweiten oder mittlerweile dritten „Roll­over“. Zudem nahm die Anzahl an Transaktionen pro Jahr in den USA rasant zu. So wurden vor zehn Jahren noch etwa 150 bis 200 Maklerverkäufe pro Jahr gezählt, während es 2020 schon knapp 500 Transaktionen waren. Fast 70% dieser Transaktionen fand mit Private-Equity-Beteiligung statt. Ähnliche Trends sind im Vereinigten Königreich erkennbar, wo nur noch ein Fünftel der Top 20-Makler inhabergeführt ist. In Frankreich ist es immerhin die Hälfte. In Italien und Spanien sind noch mehr als 50% der Makler ohne Private-Equity-Beteiligung.

Deutscher Maklermarkt – Quo vadis?

Die Frage ist also berechtigt, ob wir in Deutschland bald eine ähnliche Entwicklung sehen werden wie in den USA oder in UK und insbesondere, ob der Anteil an Private Equity im Maklermarkt weiter zunehmen wird. Der erste Blick lässt dies zumindest vermuten. Denn neben den bereits aktiven „Konsolidierern“ und den beteiligten Private-Equity-Gesellschaften steht eine Reihe weiterer potenzieller Investoren Schlange – einige davon sind bereits in konkreten Gesprächen, andere sind noch auf der Suche nach einem geeigneten Erstinvestment. Das Spektrum an Interessenten ist breit – vom Private-Equity-Fonds aus Asien, Europa oder den USA bis hin zu international führenden Großmaklern. An der Nachfrage nach Transaktionen wird es also derzeit nicht liegen.

Etwas anders sieht es gegenwärtig auf der Angebotsseite aus. Geeignete Akquisitionsobjekte im Maklermarkt als Startpunkt für eine ambitionierte Buy-and-build-Strategie sind rar. Von den rund 46.000 aktiven Maklern in Deutschland scheidet das Gros der Einzelmakler und mittelständischen Makler für die meisten professionellen Investoren aufgrund der mangelnden Größe für ein Erstinvestment aus. Es verbleiben einzelne größere Industrie- und Spezialmakler, einige Maklerpools und Finanzvertriebe sowie ausgewählte firmenverbundene Makler als „Objekt der Begierde“.

Geld ist nicht alles

Jedoch sind derzeit noch nicht alle dieser Unternehmen bereit, über einen Verkauf von Anteilen zu sprechen. Schon gar nicht, wenn Geld das alleinige Lockmittel zu sein scheint. Vielmehr sind strategische Assets wie Zugänge zu neuen Märkten und Kundengruppen sowie technologischem Know-how und Talenten vielen Inhabern mindestens genauso wichtig wie der Zugang zu Kapital und die damit verbundene Vergoldung ihres langjährig erfolgreichen Unternehmertums.

Letztlich wächst aber der Druck insbesondere auf die inhabergeführten Maklerunternehmen stetig, sodass mittelfristig von einer steigenden Gesprächsbereitschaft auszugehen ist. Denn die Herausforderungen, bedingt durch die Intensivierung des Wettbewerbs, O den Kampf um Bestandskunden mit Honorartarifen und den Wettkampf um erfolgskritisches Personal, werden weiter steigen. Gleichzeitig ist auch die interne Nachfolge nicht immer geklärt oder möglich. Daher könnten sich künftig auch jene Makler an den Verhandlungstisch begeben, die die erste Konsolidierungsphase bislang lediglich beobachtend verfolgt haben.

Aus klein mach groß

Nun muss sich die Konsolidierung einer Branche nicht ausschließlich auf die 10% der größten Unternehmen beschränken. Dies gilt auch für den Maklermarkt. Insbesondere aus den Segmenten der Einzelmakler und mittelständischen Makler lässt sich mittels vieler kleinerer Transaktionen und einer smarten Buy-and-build-Strategie ebenso etwas Großes errichten. In diesem Umfeld haben wir bereits ebenso viele Transaktionen gesehen, jedoch ist davon auszugehen, dass dies erst der Startpunkt war. Denn gerade in diesem Segment werden die meisten Makler nicht in der Lage sein, die oben beschriebenen Herausforderungen allein zu bewältigen, sodass es sehr sinnvoll sein kann, sich einer „Buy-and-build-Plattform“ anzuschließen, um von den Synergien der Gruppe zu profitieren.

Strategische Auseinandersetzung mit M&A erfolgskritisch

Auch wenn wir gegenwärtig noch weit entfernt von den Beteiligungsverhältnissen und dem Trans­aktions­geschehen im US-amerikanischen Markt sind, zeigt sich doch, dass, wer am Ende relevant bleiben möchte, nicht um eine strategische Auseinandersetzung mit dem Thema „anorganisches Wachstum“ herumkommt – egal aus welcher Perspektive. Denn nur hinreichend große Makler­unternehmen mit branchenspezifischem Know-how und Netzwerk sowie einer modernen IT werden künftig die wachsenden Anforderungen ihrer Kunden erfüllen, eine attraktive Arbeitgebermarke für junge Talente sein und professioneller Partner für Versicherer bleiben können.

Für die verkaufenden Maklerhäuser hingegen wird es noch wichtiger, die Unterschiede und Motive der verschiedenen „Aufkäufer“ genau zu verstehen, sich nach Möglichkeit aktiv zu positionieren und sich für ein passendes Modell aus freien Stücken zu entscheiden, solange es wirtschaftlich noch möglich ist. Die derzeitigen M&A-Modelle unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Beteiligungsstrukturen als auch bezüglich ihrer Buy-and-build-­Ansätze. Verkäufer sollten genau hinschauen und den interessierten Käufern insbesondere die Fragen stellen, welcher Gesellschafter wirklich „das Sagen“ hat, auf welchem Weg Synergien geschaffen werden sollen (abseits der kurzfristigen Optimierung von Courtagen), welche Finanzierungs­logik und welche damit verbundenen Risiken bei einer Nichterfüllung bestimmter Finanzierungsauflagen bestehen sowie was in drei, fünf und zehn Jahren geplant ist.

Zu guter Letzt sollten die Verkäufer auch das gute alte Bauch­gefühl nicht außer Acht lassen, denn Kultur und Werte sind nicht zu vernachlässigende weiche Faktoren, die sich richtig anfühlen bzw. zusammenpassen müssen. Nur mit höchstmöglicher Transparenz über die Ambitionen und Pläne des Käufers werden Verkäufer in der Lage sein, den jeweils optimalen Partner zu finden und mit ihm individuelle Ziele zu erreichen.

Fazit

Die Konsolidierung in Deutschland hat gerade erst begonnen. Jeder Makler sollte sich damit beschäftigen und für sich den optimalen Weg in die Zukunft ableiten. Die Option des Anteilsverkaufes sollte dabei nicht ausgeschlossen werden – solange diese Option noch besteht.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2022, S. 106 ff., und in unserem ePaper.

Bild: © Vasif_art – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Christian Mylius
Johannes Schmidt