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19. Juni 2017
Kunst versichern heißt Kunst verstehen

Kunst versichern heißt Kunst verstehen

Auf sagenhafte 3 Mrd. Euro taxierten Versicherer den Wert der ausgestellten Kunst auf der gerade zu Ende gegangenen Kunstmesse Art Basel. Der Kunstmarkt boomt und damit auch der benötigte Versicherungsschutz. Der Trend hin zu standardisierten Versicherungslösungen kann aber nicht immer die Bedürfnisse des sensiblen Kunstmarktes bedienen, der mehr verlangt als eine reine Police. Nachgefragt bei Madeleine Schulz und Paul Bunten, Geschäftsführer der Preventum GmbH, einem Spezialmakler im Bereich Kunst.

Frau Schulz, Herr Bunten, wie würden Sie in Kürze die wichtigsten Veränderungen bzw. Treiber am Kunstmarkt beschreiben?

In den vergangenen Tag fand die Art Basel statt, die weltweit größte und wichtigste internationale Kunstmesse für zeitgenössische und moderne Kunst. Nach Hochrechnungen der Versicherer addieren sich die Werte der dort ausgestellten Kunst auf rund 3 Mrd. Euro. Das Volumen des globalen Kunstmarktes hat sich binnen der letzten 15 Jahre mehr als verdreifacht. Der Markt für zeitgenössische Kunst hat sich längst von einem Nischenmarkt für risikofreudige Sammler und passionierte Galeristen zum marktbestimmenden Segment entwickelt. Liquidität fließt in den Kunstmarkt, umso mehr in Zeiten fehlender Investitionsmöglichkeiten. Zunehmendes Privatvermögen und eine zunehmend ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen führen zu steigenden Umsätzen im Kunstmarkt. Diese Entwicklung birgt aber auch Risiken. Es entsteht ein High End Markt. Das mittlere Marktsegment trocknet aus, das Risiko der Volatilität nimmt zu.

Trägt zu dieser Veränderung auch bei, dass Kunst stärker als Investitionsobjekt wahrgenommen wird?

Die Niedrigzinspolitik und traditionelle Anlagevehikel veranlassen viele vermögende Personen, in Kunst zu investieren. Dessen ungeachtet gilt generell, dass der Kunstmarkt kurzatmige Investments straft. Was im Aktienmarkt als langfristig gilt, ist im Kunstmarkt im besten Fall als mittelfristig anzusehen.

Falls ja, welche Auswirkungen hat dies auf die Absicherung von Kunstobjekten oder Kunsteinrichtungen?

Der Bedarf an der Versicherung, sprich Absicherung von in Kunst materialisierten Vermögenswerten ist selbstverständlich vorhanden, umso mehr je intensiver der monetäre Wert von Kunst in den Blickpunkt rückt. Professionelle Kunstversicherung bedeutet jedoch nicht nur die Kunstobjekte im Rahmen einer Versicherungspolice zu versichern. Eine Kunstversicherung ist stets „work in progress“. Gefordert ist eine ständige Beobachtung des Kunstmarktes und seiner Entwicklung, um die Versicherungswerte der Kunstobjekte konsequent auf dem aktuellen Preisniveau zu halten. Voraussetzung hierzu sind Spezialkenntnisse des betreuenden Versicherungsmaklers.

Können Sie uns etwas zu dem neuen Kulturgutschutzgesetz sagen? Und dessen Folgen?

Das neue Kulturgutschutzgesetz wird im Kunstbetrieb vielfach als Katastrophe gewertet. Das Gesetz sieht verschärfte Auflagen für die Einfuhr und Ausfuhr von Kunstwerken vor und soll „deutsche“ Kunst vor Abwanderung ins Ausland schützen. Dieses Gesetz greift massiv in das durch das Grundgesetz geschützte Eigentum des Einzelnen ein. Verfassungsrechtler zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Der von der Politik so gern dämonisierte Kunsthandel trägt zum internationalen Kulturaustausch mehr bei als es die Kulturpolitik wahrhaben möchte. Was bedeutet nationale Identität in Zeiten der Globalisierung? Den Handel mit Raubkunst und den illegalen Kunsthandel des Islamischen Staates zur Terrorfinanzierung wird man mit dem neuen Kulturgutschutzgesetz nicht abstellen können.

Die Einschätzung von Werten und Risiken im Kunstmarkt sind komplex. Zudem umfassen Schäden gleich sehr hohe Beträge. Stellen Sie fest, dass sich weitere Versicherer aus dem Markt zurückziehen?

Nein. Wir stellen jedoch fest, dass die Versicherer, die sich des Themas Kunstversicherung angenommen haben, ihre Versicherungsbedingungen immer weiter standardisieren vor dem Hintergrund des stetig steigenden Kostendrucks. Wir sind schon seit längerem in der Lage mit eigenständigen, von uns entwickelten Maklerwordings individuell und sehr flexibel auf den Versicherungsbedarf unserer Mandanten zu reagieren.

Welche Auswirkungen hat dies auf die Prämien?

Die Prämien im Segment der Kunstausstellungsversicherung, gemeint ist hier die Versicherung großer Sonderausstellung in Museen mit internationalen Leihgaben, bewegen sich seit Jahren auf einem sehr niedrigem Niveau, Tendenz weiter fallend. Die Prämien für die übrigen Segmente sind bislang relativ stabil, bewegen sich aber auch auf einem Niveau, das sicherlich nicht oder nur annähernd risiko- bzw. marktgerecht ist.

Sind eigentlich „moderne“ Kunstwerke, zum Beispiel Street Art, Internet- und Videokunst, auf traditionelle Weise noch versicherbar?

Kunstwerke im öffentlichen Raum, Internet- und Videokunst sind natürlich versicherbar. Wenn Sie mit „traditioneller Weise“ Standard meinen, nein. Auch hier ist wieder individuelles Handeln, also risikogerechtes Underwriting und flexibles Formulieren der Versicherungsbedingungen Voraussetzung für adäquaten Schutz.

Spezialmakler zu sein, birgt auch Risiken und Herausforderungen für Ihr Unternehmen. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, weitere Geschäftsfelder aufzunehmen?

Wir sind überzeugt, dass in der Spezialisierung die Zukunft liegt. Wir haben uns auf die spezifischen Anforderungen an Risikomanagement und individuelle Versicherungslösungen eingestellt, die unterschiedliche Teilnehmer des Kunstbetriebes haben. Zu unseren Kunden zählen neben Privatsammlern zum Beispiel auch Kunststiftungen, Künstlernachlässe, international agierende Auktionshäuser und Finanzdienstleistungsunternehmen, die in der Nische der Kunstfinanzierung tätig sind. Für diese Kunden entwickeln wir sehr individuelle Versicherungsprogramme, die es so am Versicherungsmarkt nicht „von der Stange“ gibt. Darüber hinaus haben wir vor knapp vier Jahren das unabhängige Kunstberatungsunternehmen Art Vocatum gegründet. Damit bieten wir Beratung in allen Belangen des Umgangs mit Kunst.

Ihnen geht es als Kunsthistoriker und -liebhaber nicht nur um die Absicherung von Kunst, sondern auch um die Kunst selbst. Würden Sie uns verraten, wo ihre eigenen Präferenzen liegen?

Madeleine Schulz: Zurzeit das Werk von Josef Albers, Albers am Bauhaus in Weimar und emigrierte 1933 in die USA. In seinen „Homage to the Square“-Bildern erkennt man heute die Verbindungslinie zwischen der europäischen Avantgarde zwischen den beiden Weltkriegen und der Fortführung der im Bauhaus angelegten Moderne in den USA. Abers will uns die Relativität der Farbwahrnehmung bewusst machen. Wir sehen eine Farbe nie als absoluten Ton, sondern stets in ihrer Interaktion mit den umgebenen Farbtönen. Ungeachtet der vollkommenen Gegenstandslosigkeit dieser Bilder von ineinander gesetzten Quadraten vermitteln sie auf faszinierende, subtile Weise ein Farbklima, Gefühlswerte, Assoziationen.

Paul Bunten: Ein breites Spektrum, das neben zeitgenössischer Kunst auch Kunstgewerbe und Malerei des 19. Jahrhunderts einschließt. Vor Kurzem entdeckte ich den Künstler Herbert Zangs, der mit Josef Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte, viele Ideen der Zero-Bewegung in der 1950er- und 1960er-Jahren vorwegnahm. Seine noch heute revolutionär wirkenden Arbeiten erfahren erst heute langsam die Würdigung, die sie verdienen. (tk)