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21. Dezember 2022
Lebensversicherer: Die zwei Seiten der Zinswende

Lebensversicherer: Die zwei Seiten der Zinswende

Die Zinswende auf den Kapitalmärkten hat für die Lebensversicherer laut des aktuellen Ertragskraft-Garantie-Checks von Assekurata zwei Seiten: So brauchen die Versicherer zwar kein weiteres Kapital mehr in die Zinszusatzreserve zuführen. Es entstehen aber auch stille Lasten, die die Ertragskraft schmälern können.

Das Analysehaus Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH (Assekurata) hat die Lebensversicherer auf dem deutschen Markt einem sogenannten Ertragskraft-Garantie-Check (EKG) unterzogen. Bereits zum siebten Mal in Folge wurden 69 Versicherer auf zahlreiche Kennzahlen zu Ertrag, Sicherheit und Beständen geprüft. Und die diesjährige Prüfrunde der Assekurata war besonders: Denn durch die eingeläutete Zinswende auf den internationalen Kapitalmärkten haben sich die Vorzeichen für die Branche fundamental verändert. Als Ergebnis halten die Assekurata-Analysten daraufhin fest, dass die Lebensversicherer insgesamt von der eingeleiteten Zinswende profitieren werden.

Die erste Seite der Zinswende

Positiv ist, so die Assekurata-Studie, dass der Zinsanstieg am Kapitalmarkt den Referenzzins für die Berechnung der Zinszusatzreserve (ZZR) stabilisiert. Die Zinszusatzreserve wurde 2011 gebildet, um die hohen Zinsgarantien im Bestand trotz des niedrigen Zinsumfeldes gewährleisten zu können. Dieser Referenzzins war nach Einführung über viele Jahre gesunken. Dadurch wurde es für bestehende Verträge notwendig, zusätzliche Beiträge zur ZZR zu reservieren, was die Ertragskraft der Lebensversicherer schmälerte. Bis Ende 2021 war diese Reserve dadurch auf 96 Mrd. Euro angewachsen. Aufgrund der aktuell höheren Marktzinsen bleibt der Referenzzins für 2022 erstmals stabil bei 1,57%, was aus Sicht der Assekurata-Studienautoren in diesem Jahr erste Rückflüsse aus der ZZR von branchenweit 3 Mrd. Euro zur Folge haben wird. Damit entfällt die weitere Zuführung von Kapital zur ZZR durch die Lebensversicherer, was sich positiv auf deren Finanzkraft auswirkt.

In den kommenden Jahren beschleunigt sich der Abbau der ZZR

„Der Grund, weshalb auch bei gleichbleibendem Referenzzins die ZZR abgebaut wird, liegt in den Beständen der Lebensversicherer“, erklärt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „So ist der Effekt des sukzessive auslaufenden Altbestandes größer als der jährlich neu berechnete Zuführungsbedarf zur ZZR.“ Und auch der Blick in die Zukunft kann die Branche zuversichtlich stimmen. Dazu haben die Analysten die ZZR-Entwicklung für verschiedene Zins-Szenarien bis 2035 hochgerechnet. Im Falle eines weiteren Zinsaufschwungs bis 3,00% bliebe der Referenzzins auch in den kommenden Jahren stabil und würde ab 2028 sogar erstmals ansteigen. Damit könnte sich die Dynamik beim Abbau der ZZR sogar zusätzlich beschleunigen, resümiert die Studie.

Die zweite Seite der Zinswende

Doch die gestiegenen Zinsen haben laut Assekurata auch eine Schattenseite für die Lebensversicherer. Das höhere Zinsniveau zieht nämlich die Kurse der niedrig verzinsten Anleihen im Bestand nach unten. Während die zur Finanzierung der Zinszusatzreserve benötigten Bewertungsreserven Ende 2021 aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch ein Niveau von rund 150 Mrd. Euro aufwiesen, geht Assekurata nun aufgrund des Zinsanstiegs davon aus, dass die Branche im Saldo derzeit stille Lasten von etwa 50 Mrd. Euro aufweist. Die Versicherer sehen sich also zunächst mit einem deutlichen Marktwertverlust bei ihren Zinsanlagen in ihren Büchern konfrontiert.

Buy and Hold schützt vor Abschreibungen

Allerdings ergeben sich daraus keine unmittelbar negativen Effekte für die Lebensversicherer. Lebensversicherer gelten als Langfristinvestoren und agieren üblicherweise mit Buy-and-Hold-Strategien. Das bedeutet, dass bei rein zinsinduzierten Wertveränderungen keine Abschreibungen bei den Kapitalanlagen notwendig sind. Der Buchwert in der Bilanz bleibt also trotz des gesunkenen Marktwerts erhalten. Grundsätzlich bestehe aber das Risiko, dass die stillen Lasten realisiert werden müssten. Nämlich dann, so die Analysten, wenn Kunden im großen Stil Verträge kündigten oder aufgrund von Bonitätsverschlechterungen der Emittenten Abschreibungen nötig seien. Außerdem minderten die stillen Lasten die Ertragsflexibilität.

Versicherer mit diversifizierter Kapitalanlage sind im Vorteil

Allerdings werde auch die Nettoverzinsung noch weiter zurückgehen. Nachdem sie 2021 noch bei 3,58% gelegen hat, kalkulieren die Assekurata-Analysten für 2022 nur noch mit durchschnittlich 2,40%. „Auf lange Sicht dürften die Versicherer durch den Zinsanstieg jedoch in der Lage sein, in der Neu- und Wiederanlage wieder stärker in rentablere Papiere zu investieren“, prognostiziert Heermann.

Abgesehen von den Folgen der Zinswende für die Gesamtbranche ist die Ausgangslage mit Blick auf einzelne Anbieter laut Assekurata sehr unterschiedlich. Versicherer mit einem zinsunabhängigeren Geschäftsprofil und einer stärker diversifizierten Kapitalanlage weisen im EKG in der Regel höhere Kennzahlenwerte auf als traditionelle kapitalbildende Anbieter. „Bereits 2021 sind durch den Rückgang der Bewertungsreserven die EKG-Quoten vieler Unternehmen zurückgegangen“, fasst Lars Heermann die Studienergebnisse zusammen. (as)

Die komplette Studie kann hier bestellt werden.

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