Auf ihrer Sitzung Anfang Februar hat die Europäische Zentralbank (EZB) erneut an der Zinsschraube gedreht. Das Leitzinsniveau wurde um 50 Basispunkte auf einen Zinssatz von 3,0% erhöht. Zugleich hat EZB-Chefin Lagarde eine weitere geplante Erhöhung im März angekündigt (AssCompact berichtete). Laut Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Kreditvermittlers Dr. Klein, ist eine solch konkrete Absichtsbekundung unüblich. „Die EZB will mit ihrer Entscheidung und der Kommunikation über zukünftige Pläne alle Zweifel ausräumen, dass sie es mit dem Kampf der Inflation ernst meint“, sagt Neumann. Die Verpflichtung zu einer weiterhin straffen Geldpolitik solle die Inflationserwartungen und die Lohnentwicklung abbremsen.
Rendite der Bundesanleihe ist gesunken
Wie Neumann weiter mitteilt, sei die Vehemenz, die suggeriert werden sollte, bei den Märkten aber nicht angekommen. So hat die Rendite der Bundesanleihe, an dem sich die Zinsen für Baufinanzierungen tendenziell orientieren, nach der erneuten Leitzinserhöhung nachgegeben. „Die Märkte glauben nicht, dass Christine Lagarde ihren Kurs auch nach März noch durchhält“, betont der Vorstandsvorsitzende von Dr. Klein. Seiner Einschätzung nach sei man an den Kapitalmärkten der Ansicht, dass die Notenbanken bald von ihrer restriktiven Geldpolitik abrücken könnten.
Neumann glaubt aber nicht, dass die Baufinanzierungszinsen den aktuellen Renditerückgang nachvollziehen werden. Es handele sich um einen temporären Ausschlag, und Bauzinsen folgten einem etwas längeren Trend, aber keinen kurzfristigen Bewegungen innerhalb eines einzelnen Tages. Der repräsentative Bestzins bei Dr. Klein für ein zehnjähriges Darlehen zeigt sich stabil und liegt aktuell bei 3,19% (Stand: 07.02.2023).
Entspannen sich die Bauzinsen?
Neumann wiederum ist nicht der Ansicht, dass es das schon gewesen sein muss mit den deutlichen Leitzinserhöhungen. „Die rückläufigen Inflationsraten täuschen nicht darüber hinweg, dass der Druck hoch bleibt. Wesentliche beständige Inflationsfaktoren, die nicht über die Jahreszeiten schwanken, sind rekordhoch. Ich rechne daher mit einem tendenziell steigenden Zinsniveau für Baufinanzierungen“, so der Experte. In diesem Zusammenhang weist er auf den so genannten Zweitrundeneffekt hin: Kosten infolge von höheren Löhnen, Rohstoff- oder Energiekosten würden weiterhin beim Verbraucher ankommen – auch wenn zwischenzeitlich die Energiepreise wieder etwas gesunken sind. Und dagegen müsse die EZB weiterhin entschieden ankämpfen, so Neumann.
Wie geht es weiter auf dem Immobilienmarkt?
Der rasante Anstieg der Bauzinsen im vergangenen Jahr hat zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage nach Immobilien und damit auch nach Baufinanzierungen geführt. Neumann zufolge hat sich der Markt noch nicht wieder deutlich belebt. „Fakt ist: In der aktuellen Zinssituation bleiben die Bau- und Kaufpreise für viele zu hoch“, unterstreicht der Dr.-Klein-Vorstand. Insbesondere bei jungen Leuten sei auch schlicht die finanzielle Grenze erreicht. Neumann sieht aber Bewegung ins Preisgefüge kommen. Auch wenn die Angebotspreise vielerorts noch nicht signifikant gesunken sind, seien bei den tatsächlich gezahlten Preisen bereits leichte Rückgänge zu verzeichnen. Preisverhandlungen sind wieder möglich. Der Experte geht davon aus, dass der Immobilienmarkt noch in diesem Jahr wieder an Fahrt aufnimmt und sich sukzessive normalisiert. (tk)
Bild: © doucefleur – stock.adobe.com
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