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18. Februar 2020
Mietrecht: Verfallenes Haus darf nicht geräumt werden

Mietrecht: Verfallenes Haus darf nicht geräumt werden

Wenn ein Vermieter ein Mietverhältnis beenden will, um eine Immobilie verkaufen zu können, gelten dafür hohe Hürden. Selbst wenn eine Kündigung die einzige Möglichkeit ist, um überhaupt einen Käufer zu finden, kann sie dennoch unzulässig sein. Das geht aus einem aktuellen Urteil des LG Osnabrück hervor.

Wenn ein Gebäude oder eine Eigentumswohnung verkauft werden soll, kann es von Vorteil sein, dass sie bereits vermietet ist. Gerade im momentanen Zinstief ist es für viele Anleger verlockend, wenn sie nicht selbst nach einem zuverlässigen Mieter suchen müssen, sondern diesen „mitgeliefert“ bekommen. Doch wenn erheblicher Sanierungsbedarf besteht, kann ein bestehendes Mietverhältnis auch vom Kauf abhalten.

Nur eine von vier Wohnungen vermietet

Eine Gemeinde hatte eine Kündigung gegen einen Mieter ausgesprochen, der in einem gemeindeeigenen Haus wohnte. Das Haus bot zwar Platz für vier Wohnungen, jedoch war nur eine davon vermietet. Die danebenliegende leerstehende Wohnung nutzte der Mieter einfach mit.

Sanierungsbedürftiges Haus

Das übrige Haus stand leer und war in einem schlechten Zustand. Die letzten Sanierungsmaßnahmen lagen Jahrzehnte zurück. Die Miete wurde in den 1950-er Jahren zuletzt erhöht. Aus diesem Grund betrug sie lediglich 40 Euro.

Verkauf statt Sanierung geplant

2016 plante die Gemeinde dann, die Immobilie abzustoßen. Die zu erwartenden Sanierungskosten wurden als zu hoch eingeschätzt. Die Gemeinde bot die Immobilie folglich an ihrem „Schwarzen Brett“ zum Mindestkaufpreis von 60.000 Euro an. Zeitgleich kündigte die Gemeinde dem letzten verbliebenen Mieter. Die Sanierung sei wirtschaftlich nicht darstellbar, weshalb ein Verkauf angestrebt werde, begründete der Eigentümer diesen Schritt. Ein Verkäufer lasse sich jedoch nur finden, wenn das Gebäude nicht vermietet sei.

Amtsgericht sieht Kündigung gerechtfertigt

Der Mieter lehnte die Kündigung ab, woraufhin die Gemeinde Klage auf Räumung des Hauses erhob. Das zuständige Amtsgericht gab der klagenden Gemeinde Recht. Basierend auf dem Urteil eines Sachverständigen für Immobilienbewertung kam das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass eine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 BGB gerechtfertigt ist.

Sanierung nicht über Mieteinnahmen zu refinanzieren

Der Sachverständige stellte fest, dass die Gemeinde das Haus nur im geräumten Zustand veräußern könne. Im vermieteten Zustand müsse die Sanierung über die Mieteinnahmen refinanziert werden, was bei einer derart geringen Miete unmöglich sei. Aus demselben Grund sei die Sanierung durch die Gemeinde wirtschaftlich nicht zumutbar.

Mieter hatte nie Mängel angezeigt

Den Einwand, dass die Gemeinde Jahrzehnte nicht in das Haus investiert hatte und somit den sanierungsbedürftigen Zustand selbst mitverschuldet hatte, ließ das Amtsgericht nicht gelten. Schließlich habe der Mieter zu keiner Zeit Mängel angezeigt oder Reparaturmaßnahmen verlangt. Der Mieter ging gegen dieses Urteil in Berufung.

Verwertungskündigung nicht gerechtfertigt

Das Landgericht (LG) Osnabrück hob das Urteil auf und wies die Räumungsklage ab. Das Gericht sah keine Grundlage für eine Verwertungskündigung. Ob die Weiterführung eines Mietverhältnisses zumutbar sei, hänge immer von der Abwägung im Einzelfall ab. Im konkreten Fall sei dies gegeben.

Investitionsbedarf selbst verschuldet

Diese Entscheidung begründete das Gericht damit, dass sowohl die geringen Mieteinnahmen als auch die hohen Sanierungskosten auf Versäumnissen der Gemeinde beruhten. Die Gemeinde hatte seit mehr als 50 Jahren die Möglichkeit gehabt die Miete zu erhöhen, dies jedoch nie getan. Außerdem wurde das Haus über Jahrzehnte hinweg nicht saniert, woraus sich der heute existierende Investitionsbedarf ergibt.

Vermieter ist zur Instandhaltung verpflichtet

Dass der Mieter seinerseits nie Mängel angezeigt hatte, ließ das LG nicht als Einwand gelten. Die Gemeinde sei als Eigentümer verpflichtet gewesen, die Immobilie laufend instandzuhalten. Gegen diese Pflicht hat sie offensichtlich verstoßen. Es sei jedoch nicht zulässig, das Gebäude erst verfallen zu lassen und sich schließlich auf die hohen Sanierungskosten zu berufen, um damit die Kündigung eines Mieters zu rechtfertigen.

Unzureichende Werbemaßnahmen

Darüber hinaus zweifelte das LG die Aussage der Gemeinde an, dass das Haus im vermieteten Zustand nicht zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen veräußert werden könnte. Diese Annahme sei nicht ausreichend begründet worden. Schließlich hat die Gemeinde das Haus lediglich am eigenen „Schwarzen Brett“ zum Verkauf angeboten, was den Kreis der möglichen Interessenten unnötig eingeengt habe. Letztlich habe sich auch nur ein einziger Kaufinteressent bei der Gemeinde gemeldet.

Gewisser Preisnachteil ist zumutbar

Dieser habe zwar angegeben, dass er nicht bereit wäre die Immobilie vermietet zu erwerben, was jedoch nicht bedeutet hätte, dass bei der aktuellen Lage auf dem Immobilienmarkt nicht doch ein Käufer gefunden hätte werden können. Unter Umständen wäre der erzielte Preis dann geringer gewesen, als der nach einer Räumung, aber das sei der Gemeinde zuzumuten. Ein gewisser Preisnachteil durch den Verkauf einer vermieteten Immobilie sei kein hinreichender Grund für eine Verwertungskündigung. (tku)

LG Osnabrück, Urteil vom 29.01.2020, Az.: 1 S 117/19

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