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26. Juni 2025
Mindesturlaub bleibt Mindesturlaub – trotz Vergleich
Mindesturlaub bleibt Mindesturlaub – trotz gerichtlichem Vergleich

Mindesturlaub bleibt Mindesturlaub – trotz Vergleich

In einem bestehenden Arbeitsverhältnis kann ein Arbeitnehmer selbst durch gerichtlichen Vergleich nicht auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“. Ein Ausschluss des Urlaubs sei unwirksam, so hat das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich wieder geurteilt.

Der gesetzliche Mindesturlaub gilt als unabdingbarer Anspruch des Arbeitnehmers. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt erneut, dass dieser Urlaub nicht durch einen gerichtlichen Vergleich im bestehenden Arbeitsverhältnis wirksam ausgeschlossen oder auf ihn verzichtet werden kann. Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023.

Sachverhalt: Arbeitsunfähigkeit und gerichtlicher Vergleich

Der Kläger war vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2023 als Betriebsleiter bei einem Unternehmen beschäftigt. Im Jahr 2023 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte daher seinen Urlaub nicht nehmen. Im März 2023 einigten sich die Parteien in einem gerichtlichen Vergleichs darauf, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 10.000 Euro durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30.04.2023 zu beenden. Im Vergleich wurde unter anderem festgehalten: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“ Vor Abschluss des Vergleichs hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht möglich sei. Trotz dieser Bedenken stimmte der Kläger dem Vergleich zu.

Rechtsstreit um Abgeltung des Mindesturlaubs

Der Kläger verlangte die Abgeltung von sieben Urlaubstagen in Höhe von 1.615,11 Euro zuzüglich Zinsen. Er argumentierte, der im Vergleich geregelte Verzicht sei unwirksam. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Das BAG bestätigte diese Entscheidungen und wies die Revision des Arbeitgebers weitgehend zurück.

BAG: Unabdingbarkeit des Mindesturlaubs

Das BAG stellte klar: Der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG kann nicht durch vertragliche Regelungen oder Vergleichsklauseln ausgeschlossen werden. Die im Vergleich enthaltene Formulierung, dass Urlaubsansprüche „in natura gewährt“ seien, ist gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn sie auf einen Ausschluss des Mindesturlaubs gerichtet ist.

Auch bei feststehender krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist ein Ausschluss oder Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht zulässig. Der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Abgeltungsanspruch bleibt bestehen.

Europäische Richtlinien und ihre Bedeutung

Das Urteil stützt sich auch auf Art. 7 Abs. 2 der EU-Richtlinie 2003/88/EG über die Arbeitszeitgestaltung. Diese schreibt vor, dass bezahlter Mindesturlaub grundsätzlich nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Verzicht auf Mindesturlaub im bestehenden Arbeitsverhältnis ist somit unzulässig.

Keine Anwendung des Tatsachenvergleichs

Ziffer 7 des Prozessvergleichs stellt keinen Tatsachenvergleich dar, der gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG zulässig wäre. Ein Tatsachenvergleich setzt eine bestehende Unsicherheit über die Voraussetzungen eines Anspruchs voraus. Da der Kläger jedoch seit Jahresbeginn 2023 ununterbrochen arbeitsunfähig war, gab es keine solche Unsicherheit bezüglich des Urlaubsanspruchs.

Kein Verlass auf eine rechtswidrige Regelung

Die Beklagte hatte geltend gemacht, der Kläger könne sich nach Treu und Glauben nicht auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses berufen. Dieser Einwand wurde vom BAG zurückgewiesen. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass eine offensichtlich rechtswidrige Regelung Bestand haben würde.(bh)

BAG, Urteil vom 03.06.2025 – Az: 9 AZR 104/24