Herr Müller, bekommen wir an der Börse eine ruhige und besinnliche Adventszeit?
Momentan sieht ja wirklich alles nach Jahresendrallye aus. Es ist jedes Jahr das Gleiche. Die großen Geldverwalter der Welt –die Fondsmanager und deren Gesellschaften – haben alle das gleiche Ziel: einen möglichst gute Jahresendstand. Denn auf dieser Basis wird bewertet, wie gut ihre Arbeit war; und auch ihr Bonus hängt davon ab. Diese Marktteilnehmer verwalten und bewegen Billionen. Es muss also schon viel passieren, damit die Jahresendrallye ausfällt. Wie nachhaltig das ist, darüber kann man diskutieren.
Wie geht es 2016 weiter? Wieder so turbulent wie 2015?
Es würde mich stark überraschen, wenn es nicht so wäre. Es kann aber niemand sagen, in welche Richtung es gehen wird, auch wenn das jetzt sehr beliebig klingt. Aber tatsächlich könnte man eine Stunde lang Argumente vortragen, warum es massiv nach unten gehen wird. Und die nächste Stunde genauso werthaltige Argumente bringen, warum wir zu neuen Höchstständen aufbrechen werden. Niemand weiß, wie es tatsächlich kommen wird.
Warum?
Wir haben eine Situation, in der alles da ist. Alles liegt auf dem Tisch. Nur weiß niemand, welches Instrument oder Ereignis stechen wird. Es gibt so viele Elemente, die 2016 wahrscheinlich zum Tragen kommen werden. Da ist zum einen die extreme Abkühlung in China. Dazu die Zinssituation, die auch viel über die Situation der realen Wirtschaft aussagt.
Inwiefern?
Wenn die Weltwirtschaft laufen würde, hätten wir eine andere Geldpolitik. Die Notenbanken sind alle noch im Krisenmodus und man hat dadurch nichts verbessert. Die Situation kühlt sich weiter ab. Der Ölpreis ist weiter im Keller. Dazu kommen die militärischen Entwicklungen auf dem eurasischen Kontinent. Themen für 2016 haben wir also genug.
Und dann kommt ohnehin wieder ein Ereignis um die Ecke, das keiner erwartet hatte …
Ganz genau. Denken Sie doch nur mal an Griechenland. Was haben wir Anfang des Jahres über Griechenland gesprochen. Eine Brennpunkt-Sendung folgte der nächsten. Heute ist Griechenland schon wieder ganz weit weg. Es ist unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit Großereignisse bzw. vermeintliche Großereignisse momentan durchgereicht werden.
Klingt nach einer schwierigen Zeit, vor allem wenn man wie Sie seit einem guten halben Jahr nicht nur gefragter Experte ist, sondern mit dem Dirk Müller Premium Aktien auch noch einen Fonds hat …
Ja und Nein. Bewegungen sind auch hilfreich für Geldanlagen. Ein Börsenmakler wie auch ein guter Fondsmanager ist auf zwei Seiten vorbereitet. Ich freue mich sowohl über fallende als auch über steigende Kurse. Die fallenden sind die Chance, günstig einzukaufen, und bei den steigenden wird geerntet. An der Börse geht es nicht darum, Recht zu haben. Es geht darum, eine Strategie zu haben, bei der es keine Rolle spielt, ob man Recht hat oder nicht. Wenn man Recht hat, gibt es eine 1 mit Sternchen. Wenn man nicht Recht hat, sollte es aber immer noch für eine 2 bis 3 reichen. Diese Strategie versuchen wir, im Fonds umzusetzen.
Wie gut gelingt das bisher?
Bisher recht erfolgreich. Als es im Sommer massiv nach unten ging, hat der Fonds nicht einmal halb so viel wie der Markt verloren. Nach oben sind wir dann wieder mitgelaufen. Genau das war die Strategie. Wir sind daher nach wie vor besser als der Gesamtmarkt und hatten dabei nur die Hälfte der Schwankungsintensität. In den nächsten Jahren werden wir natürlich zeigen müssen, dass sich das fortsetzt. Aber im Moment sind wir wirklich zufrieden mit der Entwicklung.
Sind Sie auch mit dem Volumen, sprich der Nachfrage nach dem Fonds, zufrieden?
Als sehr optimistisches Jahresendziel hatten wir uns ursprünglich erhofft, Richtung 40 Mio. Euro Fondsvolumen zu gehen. Tatsächlich standen wir Ende November bei 58 Mio. Euro. Das ist weit über unseren Prognosen. Wir sind also mehr als zufrieden. Selbst einige institutionelle Investoren sind mit an Bord. Einige Versicherer haben uns sogar in ihre fondsgebundenen Lebensversicherungen aufgenommen. Selbst ein Dachfonds hat zum Jahreswechsel seinen Einstieg angekündigt, obwohl diese bei einer Fondshistorie von unter drei Jahren normalerweise gar nicht erst zuhören.
Wie viel Arbeit stecken Sie in den Fonds?
Der Fonds macht natürlich viel Arbeit. Momentan sind das auf jeden Fall 50% meiner täglichen Arbeitszeit, zumal wir auch sehr aktiv mit den Anlegern kommunizieren, ob über Newsletter, Facebook oder das Forum, was sehr gut angenommen wird. Vor Kurzem haben wir Bakkafrost, einen der größten fischverarbeitenden Betriebe der Färöer-Inseln, mit einem Kamerateam besucht, um zu vermitteln, in welches Unternehmen der Fonds da investiert, und haben dem Vorstand zudem die Fragen unserer Anleger weitergeleitet. Für den Fonds müssen momentan eben andere Sachen zurückstecken. Hier geht es schließlich um das Geld der Anleger und das hat absolute Priorität.
Wie Bakkafrost sind skandinavische Unternehmen im Fonds allgemein relativ gut vertreten. Ist das ein Zufall oder eine bewusste Übergewichtung?
Der europäische Schwerpunkt liegt tatsächlich auch auf Skandinavien. Wir haben aber nicht gesagt: „wir wollen soundso viel Anteil Skandinavien im Portfolio, sondern uns unter tausenden Titeln weltweit nur die Unternehmen herausgesucht, die perfekt passen. Der hohe Anteil ist aber zumindest logisch zu erklären. Das Wichtigste für ein Unternehmen ist Planungs- und Rechtssicherheit. Dann ist es erfolgreich. Je sicherer die Planung möglich ist, desto besser und niedriger kann ein Unternehmen seine Margen festlegen. Je mehr sie damit rechnen müssen, dass irgendwo eine korrupte Hand aufgehalten wird und Gesetze gebrochen oder auch im Eilverfahren geändert werden, desto schwieriger lässt sich kalkulieren und umso breiter müssen die Margen ausfallen, um solche Eventualitäten einzubauen – und umso schwieriger ist es um die Wettbewerbsfähigkeit bestellt. Auch die USA bieten ein Höchstmaß an Planungs- und Rechtssicherheit für die eigenen Firmen und fördern diese sogar aktiv gegen die ausländische Konkurrenz. Solche Faktoren spiegeln sich im Fonds indirekt wider.
Gegen ausländische Firmen gehen die USA dagegen zum Teil recht konsequent vor. Volkswagen ist das jüngste spektakuläre Beispiel hierfür. Sie haben die öffentliche Panikmache heftig kritisiert. Sehen Sie sich in der starken Kurserholung der Aktien in den vergangenen Wochen darin bestätigt?
Wir leben in einer Welt, in der wir von einer Hysterie in die nächste verfallen. Es gibt nur noch himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Dazwischen gibt es im Grunde nichts mehr. Man muss beim einen wie beim anderen versuchen, eine Balance herzustellen. So wie es völlig übertrieben ist, wie die amerikanische Startup-Szene nach oben schießt, ist es auch das in die Tonne treten von Volkswagen. Das ist immer noch der größte Arbeitgeber der Bundesrepublik und ein Erfolgsunternehmen, das riesige Gewinne macht und an dem auch noch der Staat beteiligt ist. Das wird jetzt zugegebenermaßen vermutlich zwei schwierige Jahre haben. Aber davon zu fabulieren, dass Volkswagen jetzt pleite ist, ist so lächerlich. Wenn Mr. Market so hysterisch ist, muss man die Chancen ergreifen.
Im Fonds ist die VW-Aktie allerdings nicht …
Nein, denn dafür stimmen einfach die Rahmenbedingungen nicht. Für den Fonds haben wir ganz klare Richtlinien, die die Unternehmen erfüllen müssen. Bei Volkswagen gibt es einfach viele Dinge, warum die Aktie nicht reinpasst, wie etwa eine zu geringe Marge, hohe Schulden und relativ zyklisches Geschäft. Autobauer lassen sich nicht so sauber kalkulieren wie andere Unternehmen. Deshalb ist auch keiner im Portfolio. (mh)
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