AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
16. Dezember 2021
Nachhaltigkeit: VOTUM fordert Verschiebung von Beratungspflicht
Nachhaltigkeit: VOTUM fordert Verschiebung von Beratungspflicht

Nachhaltigkeit: VOTUM fordert Verschiebung von Beratungspflicht

Der VOTUM Verband hat die EU-Kommission aufgefordert, die Beratungspflicht bei Nachhaltigkeitspräferenzen im Vermittlungsgeschäft zu verschieben. Anlass sei die erneute Vertagung eines EU-Rechtsaktes auf Januar 2023.

Die Überarbeitung der Vertriebsrichtlinie IDD durch die Europäische Kommission wird Vermittlerinnen und Vermittler voraussichtlich ab August 2022 dazu verpflichten, in jedem Beratungsgespräch auch die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundinnen und Kunden abzufragen. Mit dieser Änderung sollen künftig kundenspezifische Nachhaltigkeitsvorlieben in der Anlageberatung und in der Versicherungsvermittlung Berücksichtigung finden. Voraussetzung dafür ist allerdings das Inkrafttreten eines sogenannten technischen Regulierungsstandards (RTS) zur einheitlichen und allgemeinverbindlichen Bestimmung der Nachhaltigkeitsfaktoren und der diesbezüglich verpflichtenden Berichterstattung für Unternehmen durch einen EU-Rechtsakt. Passend dazu hat auch das Europäische Finanzaufsichtssystem (ESA) bereits Ende Oktober der EU-Kommission einen ersten Entwurf zur Konkretisierung dieser neuen Standards vorgelegt.

Verkehrte Reihenfolge könnte Haftungsprobleme nach sich ziehen

Der ursprüngliche Ablaufplan der erforderlichen Gesetze und Verordnungen zur Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage sah vor, dass die RTS bereits zum 01.01.2022 in Kraft treten sollte. Daher hätte die Beratungspflicht erst zu einem Zeitpunkt gegolten, an dem bereits verbindliche standardisierte Informationen in Bezug auf die Taxonomie zur Verfügung stehen. „Nur auf Basis der RTS gibt es für Berater ein gesetzlich abgesichertes Fundament für die Beurteilung und Einordnung der jeweils am Markt angebotenen Kapitalanlagen und Versicherungsanlageprodukte“, wie es beim Branchenverband VOTUM heißt. Nun hat sich aber die EU-Kommission entgegen der Erwartung von Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern entschieden, den ursprünglichen Starttermin der RTS um ein ganzes Jahr auf den 01.01.2023 zu verlegen. „Durch die erneute Verschiebung der RTS um ein Jahr ist diese sinnvoll aufeinander aufbauende Gesetzgebung komplett auf den Kopf gestellt worden“, so VOTUM-Verbandschef Martin Klein. „Jetzt tritt erst die Beratungspflicht zur Nachhaltigkeit in Kraft und dann erst mehrere Monate später die verbindlichen technischen Standards für die Taxonomie und die Berichterstattung zu den Nachhaltigkeitsfaktoren, das funktioniert in der Praxis nicht“, urteilt Klein weiter. Vermittlerinnen und Vermittler werden dadurch dazu gezwungen, verbindliche Empfehlungen zu Kapitalanlagen und dem Grad, inwieweit diese den Nachhaltigkeitspräferenzen des Anlegers entsprechen, auszusprechen – ohne dass zu dem Zeitpunkt ihrer Empfehlung verbindliche Standards dafür bestehen, auf welcher Grundlage sie diesen Rat erteilen können. Diese Situation führt nun zu erhöhter Unsicherheit und einer weiter nicht aufzulösenden Haftungsproblematik für Anlageberaterinnen und -berater.

Offener Brief von VOTUM an EU-Kommission

„Die Unternehmen und Vermittler haften für die von ihnen erteilten Empfehlungen in der Versicherungs- und Anlageberatung. Eine rechtssichere Produktempfehlung im Anschluss an die Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen kann nur dann erteilt werden, wenn verbindliche technische Regulierungsstandards bestehen – und genau diese werden am 02.08.2022 nun fehlen“, bewertet Klein die neue Situation aufgrund der Verschiebung des EU-Rechtsaktes. Daher hat der VOTUM Verband nun die EU-Kommission in einem offenen Brief zur Verschiebung der Beratungspflicht aufgefordert. „Nach dem jüngsten Entschluss der Kommission, das Inkrafttreten der technischen Regulierungsstandards (RTS) […] auf den 01.01.2023 zu verschieben, kann die Kommission schlicht und ergreifend nicht am aktuell geplanten Start der Nachfragepflicht im Beratungsprozess festhalten“, so VOTUM-Chef Martin Klein wörtlich in seinem offenen Brief an den innerhalb der Europäischen Kommission für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zuständigen Generaldirektor John Berrigan. Der Branchenverband verlangt daher zur Wiederherstellung von Rechtssicherheit im Vermittlungsgeschäft nun die Vertagung der Einführung der neuen IDD-Richtlinie ebenfalls um ein Jahr bis 02.08.2023. (as)

Bild: © Ivan – adobe.stock.com