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12. Februar 2020
Offene Immobilienfonds: Fondskrise war gestern

Offene Immobilienfonds: Fondskrise war gestern

Die offenen Immobilienfonds erleben ein Comeback. Die Mittelzuflüsse erreichen Rekord-Level und viele neue Fonds werden aufgelegt. Privatanleger können sich wieder zwischen zahlreichen Alternativen entscheiden. Sinnvoll ist eine zusätzliche Risikodiversifikation über mehrere offene Fonds.

Von Michael Schneider, Geschäftsführer der IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH

Die große Geldflut erreicht die offenen Immobilien-­Publikumsfonds. Die Vehikel für Privatanleger erleben aktuell einen Boom wie kaum jemals zuvor. Allein zwischen Januar 2018 und September 2019 stieg das Fondsvermögen der Branche laut Fondsverband BVI von 89 auf 107 Mrd. Euro. Dies entspricht einer Zunahme von 20% in nur 21 Monaten. Ein ähnliches Bild ergibt die Betrachtung der Gelder, die Anleger in die Fonds investieren. Die Nettomittelzuflüsse lagen laut Bundesbank im selben Zeitraum bei 14,3 Mrd. Euro.

„Branchen-Dickschiffe“ legen neue Fonds auf

Die hohe Nachfrage der Anleger führt dazu, dass aktuell – neben den etablierten „Branchen-Dickschiffen“ – viele neue Fonds für Privatinvestoren aufgelegt werden. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, da die bislang größte Krise der offenen Immobilienfonds gerade mal zehn Jahre zurückliegt. Ab 2010 mussten zahlreiche Fonds als Spätfolge der Finanzkrise und hoher Mittelabflüsse abgewickelt werden. Viele Anleger verloren dabei Teile ihres investierten Kapitals. Im Jahr 2013 erfolgte zudem eine umfassende Neuregulierung, bei der unter anderem die tägliche Rückgabemöglichkeit abgeschafft wurde. Seitdem müssen Anleger anfänglich alle Anteile zwei Jahre halten und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten einhalten. Die Abwicklungen und die Neuregulierung haben zunächst zu viel Verunsicherung geführt. Deswegen reduzierten sich das Fondsangebot und die Anbieter drastisch, neue Fonds wurden lange nicht aufgelegt. Der Markt wurde klar von vier großen Anbietern mit eigenen Vertriebsstrukturen dominiert: Commerz Real, DekaBank, DWS Gruppe und Union Investment.

Zwölf neue Fonds für Privatanleger seit 2015

Das Oligopol der „großen Vier“ kommt nun etwas ins Wanken. Seit 2015 wurden zwölf neue offene Immobilienfonds für Privatanleger aufgelegt. Initiativ wurden zwar teilweise auch die etablierten Häuser wie Deka Immobilien oder Union Investment. Aber auch Initiatoren, die neu in das Segment einstiegen, legten neue Fonds auf, wie etwa INDUSTRIA WOHNEN, KGAL, Swiss Life AM, Quadoro Investment oder Real I.S. Diese Häuser haben in der Regel große Immobilienerfahrung, waren jedoch bislang in anderen Segmenten des Fondsmarktes aktiv, insbesondere für institutionelle Investoren.

Fonds werden immer spezialisierter

Die neuen Fonds verfolgen teils themenbezogene Mischkonzepte, das heißt, sie investieren in einen Mix aus verschiedenen Nutzungsarten. Teilweise handelt es sich bei den neuen Vehikeln aber auch um Fonds mit Spezialisierung auf eine Nutzungsart. Dies ist im Segment der Publikumsfonds eine neue Entwicklung. In der Vergangenheit waren die Fonds in der Regel sehr ähnlich strukturiert: Sie investierten – grob gesagt – zu rund 60% in Büroimmobilien, zu rund 25% in Handelsimmobilien, maximal differenziert nach nationalen oder internationalen Zielländern. Der Rest verteilte sich meist auf Hotel und Logistik. Beispiele für die neuen, spezialisierten Fonds mit definiertem Profil sind der FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND von INDUSTRIA, der nur in Wohnimmobilien investiert, und der Habona Nahversorgungsfonds Deutschland von Habona, der nur in Nahversorgungs­immobilien investiert.

Regulierung hat die Produkte unterm Strich sicherer gemacht

Was haben Privatanleger von den Fonds der neuen Generation zu halten? Zunächst einmal ist die Neuregulierung von 2013 zu begrüßen. Die Fristentransformation – zwischen langfristigem Immobilieninvestment und täglich verfügbaren Anteilen – wurde deutlich entschärft. Das Produkt ist sicherer geworden und wird von den Anlegern wie auch den relevanten Vertriebspartnern angenommen – wie die Zuflüsse zeigen. Unterm Strich sind die Fonds in dieser Hinsicht besser auf­gestellt als vor der letzten Krise.

Privatinvestoren müssen über mehrere offene Fonds streuen

Der beschriebene Trend zur Spezialisierung ist einerseits positiv zu sehen, da spezialisierte Fonds in der Regel höhere Renditen ermöglichen. Dies haben die aktuellen Beispiele bereits beweisen können. Andererseits kann das Risiko bei der Konzentration auf nur eine Nutzungsart höher sein. Experten empfehlen Privatanlegern auch bei offenen Immobilienfonds – die ja grundsätzlich schon in ein risikodiversifiziertes Portfolio mit verschiedenen Immobilien, Standorten und Mietern investieren müssen – eine zusätzliche Diversifizierung über verschiedene Immobilienfonds anzustreben.

Welche Renditen können Anleger von den neuen Fonds erwarten?

Innerhalb der Gruppe der neuen Fonds existiert eine große Bandbreite. Die aktuellen BVI-Renditen beginnen bei 2,2% p. a. beim UniImmo: Wohnen ZBI und reichen bis zu 3,75% p. a. beim KanAm Leading Cities Invest bzw. 5,00% p. a. beim Fokus Wohnen Deutschland. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 betrug die durchschnittliche Rendite aller offenen Immobilienfonds 3,1% p. a. Die Zahlen zeigen: Eine pauschale Aussage, dass die neuen Fonds aktuell oder zukünftig höher oder niedriger rentieren als die Altfonds, ist nicht möglich.

Neue Fonds müssen in Hochpreisphase aufbauen

Ein Vorteil der neuen Fonds ist, dass sie neue bzw. zeitgemäße Immobilien kaufen, die wenig Instandhaltungsaufwand und wenig Vermietungsrisiken bergen. Dem entgegen steht das Risiko, dass sie Portfolios in einer Hochpreisphase ankaufen müssen. Dies ist im Vergleich zu Investments in die großen Bestandsportfolios der Altfonds eventuell riskanter. Doch auch Altfonds bieten ihre Immobilien den Neuzeichnern grundsätzlich zu aktuellen Verkehrswerten an. Ein weiterer Vorteil der jungen Fonds ist, dass sie die Gelder von Anfang an effizienter managen. Während Altfonds teilweise auf sehr großen Liquiditätspolstern sitzen, arbeiten die neuen Fonds in der Regel mit sogenannten Cash-Calls. Sie nehmen nur neue Anleger­gelder auf, wenn sie auch Immobilien kaufen können. Eine solche Liquiditätssteuerung ist auch aus Renditegesichtspunkten effizient, da die nicht in Immobilien angelegten Anlegergelder keine oder sogar negative Renditen erzielen und so die Gesamtfondsrenditen negativ belasten.

Renditen der offenen Fonds im Vergleich sehr attraktiv

Angesichts des günstigen Umfeldes ist von weiteren Neuauflagen auszugehen. Ein Ende des Niedrigzinsumfeldes liegt in weiter Ferne und die Renditen von offenen Immobilienfonds liegen immer noch mehr als 300 Basispunkte oberhalb von Staatsanleihen. Eine wichtige Rolle spielen auch die niedrigen Mindestan­lagesummen. In der Regel kann ab 50 Euro investiert werden. In geschlossene Fonds oder Eigentumswohnungen kann nur mit sehr viel größeren Summen investiert werden. Für Privatinvestoren sind diese Einstiegshürden oft zu hoch. Für das Gros der Privatanleger bergen die genannten Investments zudem ein erhebliches Klumpenrisiko sowie eine sehr eingeschränkte Fungibilität. Unterm Strich eignen sich somit offene Immo­bilienfonds sehr gut zur privaten Altersvorsorge. Privatanleger können – je nach Lebensalter – zwischen 10 und 40% ihres Portfolios in offene Immobilienfonds investieren und bleiben, im Vergleich zu einer Direktinvestition, flexibel.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2020, Seite 64f, und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Michael Schneider