Ein Gastbeitrag von Sonja Knorr, Head of Alternative Investments bei Scope Fund Analysis
Hinter der Branche der offenen Immobilienfonds liegt kein leichtes Jahr. Die Fonds standen gleich mehreren Herausforderungen gegenüber – und stehen es noch. Das erhöhte Zinsniveau hatte gleich mehrfach Auswirkungen auf die Produkte. Zum einen sorgte es dafür, dass die Finanzierung von Immobilien erschwert wurde, was in der Folge das Transaktionsgeschehen am Immobilienmarkt in den Winterschlaf versetzte und die Gebäudepreise belastete. Zum anderen erhöhte es die Attraktivität von Zinsanlagen wie Anleihen, Fest- und Tagesgeld, die sich damit zu einer wesentlich härteren Konkurrenz für offene Immobilienfonds entwickelt haben als in den Jahren zuvor.
Anleger wenden sich ab
Einige Anleger haben sich deshalb entschieden, den Produkten den Rücken zu kehren. Sie kündigten ihre Anteile und wurden bereits ausgezahlt oder warten nun auf die Auszahlung des Geldes zwölf Monate nach dem Kündigungszeitpunkt. Die Rückgaben fallen von Fonds zu Fonds sehr unterschiedlich aus. Das hat zum einen mit der Ausrichtung des Portfolios zu tun, zum anderen mit den Vertriebsstrukturen. Im dritten Quartal war ein Höhepunkt bei den Rückgaben in diesem Jahr erkennbar.
Anleger, die ihre Anteile unter Einhaltung der zwölfmonatigen Kündigungsfrist kündigen, bekommen nicht den Preis ihrer Anteile von heute, sondern den in einem Jahr gültigen Wert ausgezahlt. Einige Gesellschaften haben ihren Anlegern angeboten, von ihren Kündigungen zurückzutreten. Das könnte den Druck auf die Anbieter reduzieren, Gebäude in einer schwierigen Marktphase verkaufen zu müssen, um flüssige Mittel zu beschaffen.
Auffällig ist, dass institutionelle Investoren in der Breite aufgrund der ungünstigen Marktlage größtenteils von Verkäufen absehen. Ihnen ist – anders als so manchem Privatanleger – bewusst, dass eine Flucht aus Immobilien bzw. Immobilienfonds in einer schlechten Marktsituation die Rendite weiter belastet.
Abwertung der Bestände
Die Kündigungen der Anleger haben bereits dafür gesorgt, dass die Immobilienfonds ihre Bestände teilweise abwerten mussten. Produkte, bei denen Anleger vermehrt ihre Anteile zurückgeben, mussten und müssen Gebäude verkaufen, um Liquidität zu schaffen. Das gelingt aber oft nicht zu den Preisen, die in den Büchern stehen, sodass Abwertungen nötig sind, um die Gebäude marktfähig zu machen. Denn die Fonds dürfen keine Gebäude zu einem Preis verkaufen, der deutlich unter dem Buchwert liegt. Die Abwertungen betreffen die Fonds aber sehr unterschiedlich. Anleger sollten deshalb nicht alle Produkte über einen Kamm scheren. Besonders betroffen sind Immobilien, die in der Hochpreisphase der Märkte in den Jahren 2019 bis 2022 erworben wurden.
Offene Immobilienfonds werden mittlerweile aufgrund ihrer Anlegerrückgaben vermehrt als Verkäufer unter Druck („forced seller“) am Markt wahrgenommen, was den Druck auf die Verkaufspreise vonseiten potenzieller Käufer zusätzlich erhöht.
Fondsmanager unter Druck
Aufgrund der Rückgaben und Kündigungen ist die Liquiditätssteuerung weiterhin klar im Fokus der Fondsmanager. Objektverkäufe sind bei vielen Fonds bereits erfolgt und sind weiterhin erforderlich, um Anteilscheinrückgaben der Anleger dauerhaft bedienen zu können. Um weitere Mittelabflüsse umsetzen zu können und im Bedarfsfall weitere Liquidität zu schaffen, müssen Teile des Immobilienportfolios kurzfristig vermarktungsfähig sein. Dazu gehört unter anderem auch, die Vermietungsniveaus und die Mietvertragslaufzeiten auf hohem Niveau zu halten – was im Kontext der aktuellen Mieterzurückhaltung und vermehrter Insolvenzen keine triviale Aufgabe ist. Die Anforderungen an das Fondsmanagement werden daher 2025 hoch bleiben.
Immerhin zeigt sich trotz der noch immer schwierigen Situation eine Stabilisierung am Immobilienmarkt insgesamt. Aufgrund der jüngsten Zinssenkungen stabilisiert sich die Lage wieder etwas. Es wird von einer nahen Bodenbildung bei den Immobilienpreisen ausgegangen und auch das Transaktionsgeschehen nimmt wieder Fahrt auf, wenn auch auf einem deutlich reduzierten Niveau im Vorkrisenvergleich.
Büroimmobilien bleiben Sorgenkind
Am unklarsten ist die Lage sicherlich am Büroimmobilienmarkt. Büroimmobilien haben bereits gelitten und die weitere Entwicklung des konkreten zukünftigen Büroflächenbedarfs ist offen. Fest steht, dass das dauerhafte Etablieren von Home-Office den Büroimmobilienmarkt belastet. Hinzu kommt der Ausgang der US-Wahl, der Europa wirtschaftlich zusetzen dürfte.
Aber auch hier gilt: Nicht jede Büroimmobilie darf gleich beurteilt werden. Der Trend zum Home-Office setzt vor allem Gebäude in B-Lagen oder schlechter unter Druck. Selbst unmittelbar benachbarte Gebäude mit guter Nahverkehrsanbindung können unterschiedlich sein: Wenn das eine Objekt eine gute ESG-Bilanz aufweist und eine flexible Flächenaufteilung erlaubt und das andere nicht, kann die Nachfrage nach ersterem groß sein, während letzteres ignoriert wird.
Offene Immobilienfonds im Spannungsfeld
In den vergangenen Monaten erlebte die Branche Nettomittelabflüsse, die aufgrund der erfolgten Kündigungen anhalten und ein Abschmelzen des Vermögens in der Gesamtbranchenbetrachtung nach sich ziehen werden. Auch 2025 werden die Bruttomittelabflüsse aufgrund der zu bedienenden Kündigungen hoch bleiben. Nennenswerte Zuflüsse bleiben aufgrund der Stärke von alternativen Anlagemöglichkeiten auch nach den Zinssenkungen aktuell noch weitgehend aus, wenngleich sich die Situation im Hinblick auf die Attraktivität alternativer Zinsanlagen hier leicht entspannt.
Trotz allem behalten offene Immobilienfonds weiterhin ihre Berechtigung als Baustein in einem diversifizierten Depot. Aber als Langfristinvestment und nicht als Tagesgeldersatz. Es gibt für Anleger nicht viele Möglichkeiten, mit überschaubaren Beträgen in Immobilien zu investieren – die Fonds sind eine davon.
Differenzierte Betrachtung der Produkte wünschenswert
Erhöhte Risiken sind derzeit besonders bei Immobilienfonds mit einer hohen Fremdkapitalquote und bei solchen, die unter hohem Verkaufsdruck stehen, zu erkennen. Jedoch erscheinen undifferenzierte Empfehlungen, aus offenen Immobilienfonds generell auszusteigen, wenig hilfreich. Hier wäre eine Differenzierung wünschenswert, denn die Produkte unterscheiden sich zum Teil deutlich voneinander.
Positiv ist, dass die Ausschüttungsrenditen der Fonds zuletzt überwiegend stabil waren oder sogar gestiegen sind. Denn die Einnahmesituation stellt sich oft als solide dar. Die Mietverträge laufen häufig langfristig und wurden zum Teil während der Pandemie sogar noch verlängert und die hohe Inflation der Vergangenheit resultierte in steigenden Mieten.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 12/2024 und in unserem ePaper.
Bild: © Daniel – stock.adobe.com

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