AssCompact suche
Home
Immobilien
17. Januar 2023
Offene Immobilienfonds: Stabilitätsanker in unruhigen Zeiten?
Leader village sale concept. Panoramic 3d rendering

Offene Immobilienfonds: Stabilitätsanker in unruhigen Zeiten?

Wie sind offene Immobilienfonds durch das von Krisen geprägte Jahr 2022 gekommen und was erwartet die Asset-Klasse 2023? Neue Arbeitswelten, Digi­talisierung, ESG, Urbanisierung und der demografische Wandel sprechen für Investments in Immobilien. Ein Ausblick von Swiss Life Asset Managers.

Ein Beitrag von Klaus Speitmann, Leiter Vertrieb Living + Working, Swiss Life Kapitalverwaltungs­gesellschaft mbH

Die sich verfestigende und hohe Inflation und die daraus resultierende Zinswende haben 2022 für Unruhe und starke Volatilitäten bei den liquiden Asset-Klassen gesorgt. Offene Immobilienfonds hingegen profitierten von indexierten Mietverträgen und einer nicht mehr negativen Verzinsung der Liquiditätsanlagen. Die Verkehrswerte der Objekte blieben durch die steigenden Mieten stabil, obwohl es auch hier – wie beim Immobilienmarkt allgemein – zu einem Rückgang der Einkaufsfaktoren kam.

Aber wie sieht es im Jahr 2023 aus? Die Mischung macht’s. In den vergangenen Jahren verloren die Investoren aufgrund der Niedrigzinsphase das Interesse an festverzins­lichen Wertpapieren. Nach dem Zinscrash im vergangenen Jahr ist diese Asset-Klasse mit echten Zinscoupons wieder attraktiv für die Anleger geworden. Ein ausgewogenes Portfolio sollte aber auch in Zukunft diversifiziert ausgerichtet bleiben, das heißt, neben Aktien, Renten und Rohstoffen gehören auch Immobilienfonds weiterhin zu einer guten Allokation. Wichtig im neuen Jahr wird ebenfalls eine gute Anlageberatung sein. Anleger sollten sich mit ihrer Beraterin bzw. ihrem Berater in ihren Jahresgesprächen austauschen und auf die geänderten Anforderungen reagieren.

Erfahrene Asset-Manager können auch Krise

Dass sich die Rahmenbedingungen durch die Zinswende, die hohe Inflation sowie den Material- und Fachkräftemangel am Immobilienmarkt in diesem Jahr deutlich verändert haben, steht außer Frage. Nicht nur die Baukosten sind massiv gestiegen, auch die Baukredite haben sich verteuert. Nun schlägt wieder die Stunde der Profis: Erfahrene Asset-Manager können jetzt ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Inflation, hohe Zinsen und ein verknapptes Angebot sind bekannte Größen, mit denen sie umgehen können – etwa indem sie ihre Liquiditätsreserven in attraktive Opportunitäten investieren, auf die sie aufgrund ihrer Marktkenntnis und Vernetztheit potenziell mehr Zugriff haben. Auch der Umgang bei Bestandsimmobilien mit Leerständen, Revitalisierungen oder der Umsetzung von ESG-Maßnahmen wird hier die sogenannte Spreu vom Weizen trennen.

Immobilien im Fokus

Die langfristigen und nachhaltigen Trends wie neue Arbeitswelten, Digitalisierung, ESG, Urbanisierung und demografischer Wandel sprechen klar für das Produkt Immobilie. Besonders deutlich zeigt sich das im Wohnsegment. Erstens hält allein der schleppende Neubau in Deutschland die Nachfrage für Wohnraum in Ballungszentren auf einem hohen Niveau. Zweitens sind mögliche sinkende Preise in Relation zu betrachten. Denn dem bislang moderaten Preisrückgang stehen steigende Mieten gegenüber.

Dafür gibt es zwei Treiber: Zum einen geben Vermieter die inflationsbedingt steigenden Kosten über indexierte Mietverträge an die Mieter weiter, zum anderen wächst der Nachfrageüberhang bei Mietimmobilien, da viele Haushalte den Traum vom Eigenheim angesichts hoher Finanzierungskosten aufgeben mussten. Im Hinblick auf die ebenfalls gestiegenen Nebenkosten für Energie zeigt sich bereits jetzt eine höhere Nachfrage nach Miet­raum, der nach den neuesten Energiestandards, zum Beispiel KfW55, gebaut wurde.

Gerade jetzt lohnt ein Blick auf die Mietrenditen

Aus der Kombination von sinkenden Kaufpreisfaktoren und höheren Mieten können sich stabile Bewertungen bei steigenden Mietrenditen ergeben. Ein Beispiel: Angenommen, für eine kleine Immobilie im Wert von 100.000 Euro ließen sich im Vorjahr 250 Euro Kaltmiete erzielen. Dann beliefe sich die Mietrendite, also die Jahresmiete von 3.000 Euro geteilt durch den Kaufpreis von 100.000 Euro – gleich 0,03 –, multipliziert mit 100, auf 3%. Damit läge der Kaufpreisfaktor bei ca. dem 33,3-­Fachen der Jahresmiete. Angenommen, die Miete dieser Wohnung steigt durch einen indexierten Mietvertrag um 10% auf 275 Euro, dann liegt die Mietrendite bei gleichem Immobilienpreis bei 3,3% und der Kaufpreisfaktor damit nur noch bei ca. dem 30,3-Fachen – also bleibt trotz moderat gesunkenen Kaufpreisfaktors und einer damit einhergehenden leicht höheren Mietrendite der Immobilienpreis stabil.

ESG-konforme Objekte gewinnen an Wert

Wenn die Corona-Krise ein Beschleuniger für die Digitalisierung war, dann sind die gestiegenen Energiekosten ein Beschleuniger für das Thema Energiesparen und Energieeffizienz. Die energetische Objektqualität fällt bei der Entscheidung für einen Objektkauf oder eine Anmietung zunehmend stärker ins Gewicht – bei Immo­bilieninvestoren und Mietern ebenso wie bei Anlegern. Wie stark die Politik die Finanzwirtschaft in die Transformation zu einem CO2-neutralen Europa einbezieht, sieht man auch daran, dass die seit dem 02.08.2022 geltende MiFID-II-Vorgabe Anlageberaterinnen und -berater verpflichtet, Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen.

Mittlerweile haben alle im Vertrieb relevanten offenen Immobilienfonds, die als Artikel-8-Fonds nach Offenlegungsverordnung klassifiziert sind, ihre ESG-Strategien und Prospekte entsprechend angepasst. Das mag sich einfach anhören, ist aber mit umfassenden Prozessen, Dokumentationen und Prüfungspflichten verbunden. Um die Daten mess- und vergleichbar zu machen, nutzen viele Asset-­Manager unabhängige Scoring-Modelle, zum Beispiel das GRESB-Bewertungssystem.

GRESB-Rating: Transparenz und fortlaufende Verbesserung

Das GRESB-Verfahren führt zu großer Transparenz der Anstrengungen der Fondsanbieter. Der zwischen 0 und 100 liegende GRESB-Score bemisst sich nicht nur nach der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, sondern fragt bei Fonds und Unternehmen sieben Kriterien ab, die in unterschiedlicher Gewichtung in die Wertung einfließen. Dokumentiert werden die Ergebnisse in den GRESB-Scorecards, die sowohl Anlegern als Orientierung dienen als auch den Teilnehmern ihre Position im Ranking aufzeigen. Da der Wett­bewerb bekanntlich nicht schläft, besteht ein ständiger Anreiz zur Verbesserung.

Maßnahmen im Bestand zur Portfoliooptimierung

Bei der Optimierung der Immobilienportfolios unter Nachhaltigkeitsaspekten lohnt sich vor allem auch der Blick auf die Bestände. Sie sind die entscheidende Stellschraube zur Erreichung der Pariser Klimaziele, aber auch im Hinblick auf soziale Nachhaltigkeit. Investitionen in die energetische Optimierung und die Verbesserung unter sozialen Gesichtspunkten, beispielsweise die Inklusion benachteiligter Gruppen, werden zu nachhaltigem Werterhalt und einer Wertsteigerung der Objekte und somit zu einem nachhaltigen Ertrag für die Anleger führen.

Markt wird sich auf höherem Niveau einpendeln

Angesichts solider Mietrenditen und stetiger ESG-Optimierung werden offene Immobilienfonds auch künftig der Stabilitätsanker im Depot sein. Es ist davon auszugehen, dass die Zinsen dieses Jahr ihren Höhepunkt erreichen. Bei allem Bestreben, die Inflation zu senken, wird die EZB ihre Zinsentscheidungen auch mit Blick auf die Wirtschaft treffen. An einem gewissen Wohlstandsverlust wird kein Weg vorbeiführen, aber der Markt wird sich – dank gestiegener Löhne, die wiederum Produktion und Dienstleistungen verteuern – auf einem höheren Zins­niveau einpendeln.

Das gerade begonnene Jahr 2023 wird eventuell noch keinen Turn­around am Investmentmarkt, dafür aber vermutlich mehr Klarheit zu Inflation, Geldpolitik und Zinsentwicklung bringen und Investoren die Umsetzung einer angepassten Immo­bilienstrategie ermöglichen. Die Chancen, dass 2024 wieder die Inflationsziele der Europäischen Zentralbank erreicht werden, stehen gut. Spätestens dann können Immobilienfonds – die ohnehin als langfristige Anlage gedacht sind – nicht nur Inflationsschutz und Mietrenditen bieten, sondern auch weiterhin stabile Wertzuwächse erwirtschaften.

Diesen Artikel lesen Sie auch in der Januar-Ausgabe der AssCompact und in unserem epaper.

Bild: © 1xpert – stock.adobe.com; Porträtfoto: © Swiss Life Asset Managers

 
Ein Artikel von
Klaus Speitmann