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27. November 2020
Pensionskassen unter Druck: Unterdeckungen und neue PSV-Pflicht

Pensionskassen unter Druck: Unterdeckungen und neue PSV-Pflicht

Das Zinstief setzt regulierte Pensionskassen unter Druck, die ehemals höhere Garantiezinsen versprochen haben als deregulierte. Es überrascht nicht, dass einige unter „intensivierter“ Aufsicht der BaFin stehen. Nun kommt auch noch die PSV-Pflicht. Ein Überblick über die aktuelle Lage.

Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein aG (PSV): Wie konnte es dazu kommen?

Werden garantierte Leistungen durch eine Pensionskasse (kurz PK) zu Sanierungszwecken gekürzt, steht der Arbeitgeber dafür ein („Subsidiärhaftung“ nach § 1 Abs. 1 S. 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG); Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 10.02.2015 – 3 AZR 65/14). Geht dieser wiederum insolvent, dann bleibt der Arbeitnehmer auf der Leistungskürzung sitzen. Denn die Leistungskürzung ist bis dato nicht durch den PSV geschützt (vgl. §§ 7 ff. BetrAVG bzw. BAG vom 20.02.2018 – 3 AZR 142/16). Genau aus diesem Grund klagte ein betroffener Betriebsrentner bis zum EuGH. Seiner Auffassung nach müsste ein Schutz nach europäischem Recht bestehen. Der EuGH gab ihm Recht (19.12.2019 – C-168/18 Bauer): Es müssen mindestens 50% einer Betriebsrente geschützt werden („Opfergrenze“). Der Gesetzgeber hat deshalb mit dem 7. SGB IV-Änderungsgesetz dafür gesorgt, dass PK-Leistungskürzungen, für die ein insolventer Arbeitgeber nicht einsteht, zukünftig vom PSV geschützt werden. Das führt auch zur PSV-­Beitragspflicht für Arbeitgeber mit PK-Versorgungen.

So sieht die neue PSV-Pflicht aus

Betroffen sind PK, die nicht dem Sicherungsfonds („Protektor Lebensversicherungs-AG – Sicherungsfonds für Lebensversicherer“; kurz „Protektor“) unterliegen bzw. nicht als gemeinsame Einrichtung von Tarifvertragsparteien organisiert sind. Eine Liste der dem Sicherungsfonds unterliegenden PK findet sich unter www.protektor-ag.de.

PSV-Beiträge werden ab 2021 fällig. Der Beitragssatz beträgt für PK im Jahr 2021 individuelle 3‰. Aufgrund des Nach­finanzierungsbedarfs erhöht sich in den Jahren von 2022 bis 2025 der im jeweiligen Jahr geltende PSV-Beitragssatz für PK jeweils um 1,5‰.

Die Einstandspflicht des PSV greift für alle Sicherungsfälle ab 2022. Davor steht der PSV nur dann ein, wenn die PK Leistungskürzungen von mehr als 50% vorgenommen hat oder ein Arbeitnehmer aufgrund der Leistungskürzung unter die Armutsgefährdungsschwelle nach Eurostat fällt – beides eher unwahrscheinlich.

Neue Bemessungsgrundlage – Auch Pensionsfonds betroffen!

Für unverfallbare Anwartschaften auf lebenslange Altersleistungen entspricht die Bemessungsgrundlage für die PSV-Beiträge der Höhe der erreichbaren jährlichen Versorgungsleistung. Bei lebenslangen Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistungen gilt jeweils ein Viertel davon als Bemessungsgrundlage, bei Kapitalleistungen 10% der Kapitalleistung. Im Falle laufender Renten entspricht die Bemessungsgrundlage 20% des nach § 4d Abs. 1 EStG berechneten Deckungskapitals.

Die vorgenannten Regelungen gelten zukünftig auch für Pensionsfonds. Bis dato waren dort 20% des Teilwerts nach § 6a EStG Bemessungsgrundlage.

PSV-Beitragspflicht bei PK? Neue Vertriebschancen!

Zwar bieten PK durch die Einbindung ins PSV-Sicherungssystem den Versorgungsberechtigten zusätzliche Sicher­heit. Die meisten Arbeitgeber wollen trotzdem den Durchführungsweg wechseln, hin zur Direktversicherung, um der PSV-Beitragspflicht zu entgehen. Mit Wirkung für die Zukunft ist das möglich: Ein Versorgungswerk kann in der Regel jederzeit für Neueintritte geschlossen bzw. neu gestaltet werden. Vermittlern und Beratern bieten sich hier entsprechende Vertriebschancen.

Für bestehende unverfallbare Anwartschaften fallen hingegen unweigerlich PSV-Beiträge an. Übrigens selbst dann, wenn der Arbeitnehmer schon vor vielen Jahren das Unternehmen verlassen und der Arbeitgeber das Thema PK durch Mitgabe des Vertrags eigentlich bereits „abgehakt“ hat.

„Echte“ Problemfälle: (Subsidiär-) Haftung für Leistungskürzungen

Für Arbeitgeber ist die PSV-Beitragspflicht zwar ärgerlich, aber finanziell in der Regel verschmerzbar. Richtig weh tun PK-Leistungskürzungen, für die der Arbeitgeber einstehen muss. Mehrkosten, die verständlicherweise nicht eingeplant wurden. Ein BMF-Schreiben vom 19.02.2020 bestätigt ferner, dass Arbeitgeberleistungen zum Ausgleich von Leistungskürzungen nach § 19 EStG und damit wie unmittelbare Pensionsleistungen nach §19 EStG zu besteuern sind. Arbeitgeber müssen also diese Ausgleichsleistungen lohnsteuerlich abrechnen und bilanziell abbilden. Dies können Arbeitgeber nur vermeiden, indem sie die Leistungskürzung über einen anderen Versorgungsträger bzw. Durchführungsweg ausfinanzieren. Wiederum ein Vertriebsansatz.

Wie können Arbeitgeber in der Praxis mit der Haftung für Leistungskürzungen umgehen?

Unverfallbar Ausgeschiedene und Rentner: Zuvorderst sollte geprüft werden, ob Kleinstanwartschaften bestehen (vgl. § 3 BetrAVG; im Jahr 2020: < 31,85 Euro monatliche Rente). Diese können einseitig abgefunden werden, wobei die Bestimmung des jeweiligen Abfindungsbetrags etwas Arbeit erfordert. Ansonsten kann die PK-Leistungskürzung über andere Durchführungswege bzw. einen anderen Anbieter ausfinanziert werden. Es gilt mit Unterstützung eines Beraters bzw. Vermittlers und unter Beachtung der Restriktionen der Durchführungswege den im Einzelfall passenden Durchführungsweg und Anbieter zu finden.

Aktive: Um sich die laufende Auszahlung der Leistungsdifferenzen zu sparen, könnte mit Arbeitnehmern im laufenden Arbeitsverhältnis eine Teilabfindung im Umfang der Leistungskürzung vereinbart werden. Auch die Komplettabfindung der Versorgungsansprüche ist im Einvernehmen möglich. Einseitig wiederum könnte der Arbeitgeber auf Basis der Rechtsprechung des BAG („Drei-Stufen-Theorie“) unter bestimmten Voraussetzungen die Leistungskürzung für Leistungen aus zukünftigen Beiträgen („future service“) an die Arbeitnehmer weitergeben. Schlussendlich kann mit Einverständnis der Aktiven auch der Durchführungsweg bzw. Anbieter zumindest mit Wirkung für zukünftige Beiträge gewechselt werden, was allerdings regelmäßig mit Leistungseinbußen verbunden ist. Greift keine der genannten Möglichkeiten, steht der Arbeitgeber für die kompletten Leistungskürzungen ein. Es gilt wie bei den Ausgeschiedenen und Rentnern: Eine Ausfinanzierung kann über andere Durchführungswege umgesetzt werden, um wenigstens unmittelbare Pensionsverpflichtungen zu vermeiden.

Die vorgenannten Punkte zeigen: Zwar lässt sich die Einstands­pflicht für Leistungskürzungen in der Regel nicht vollständig eliminieren. Aber wer sich – mit entsprechender fachlicher Unterstützung – mit dem Thema auseinandersetzt, erreicht durchaus Verbesserungen gegenüber dem Status quo.

Von Markus Keller,Geschäftsführer der febs Consulting GmbH.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 11/2020, Seite 32f., und in unserem ePaper.

Bild: © Kenjo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Markus Keller