Bei vielen Versicherungsmaklern ist es bisher gar nicht angekommen: das PEPP (Pan-Europäisches Pensionsprodukt). Von Beginn an verfolgte die EU-Kommission mit diesem Projekt eine Strategie, die Vermittler weitgehend außen vor ließ. Doch auch aufseiten der Anbieter wollte der Funke nicht recht überspringen: Das Produkt fand kaum Anklang, sodass nur zwei Angebote überhaupt den Weg auf den Markt fanden.
Trotz dieses offensichtlichen Flops hält die Kommission an ihrem Ziel fest, den Bürgerinnen und Bürgern Europas einen einfachen, grenzüberschreitenden Zugang zu langfristiger Vorsorge zu ermöglichen. In der vergangenen Woche startete sie einen neuen Versuch und legte einen Vorschlag zur Reform des PEPP vor.
Vorschlag findet Zustimmung des GDV
Der deutsche Versichererverband GDV begrüßt die europäische Zusatzrente und sieht in dem Vorschlag längst überfällige Schritte, um das PEPP aus seiner bisherigen Bedeutungslosigkeit zu führen. „Das neue PEPP ist die Chance, die Weichen für eine zukunftsfeste Altersvorsorge in der EU zu stellen. Es schafft die Möglichkeit, einfache und integrierbare Produkte anzubieten, die Menschen EU-weit eine verlässliche Zusatzvorsorge ermöglichen“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Besonders wichtig sei dabei die Abschaffung des bislang obligatorischen Basis-PEPP. Künftig können Versicherer eigene Varianten entwickeln, was deutlich mehr Freiheit bei der Gestaltung von Vorsorgeprodukten ermögliche.
Das Rentenpaket der EU-Kommission
Die PEPP-Reform ist Teil des umfassenden „Supplementary Pension Package“ der EU-Kommission. Dazu gehören Empfehlungen für ein europaweites Pension-Tracking-System, das den digitalen Überblick über Rentenansprüche erleichtern soll – ähnlich der digitalen Rentenübersicht in Deutschland. Zudem setzt die Kommission auf automatische Teilnahmeverfahren in ergänzenden Vorsorgemodellen sowie auf eine Überarbeitung der EbAV-II-Richtlinie zur Stärkung der bAV. Nationale Pensions-Dashboards sollen künftig länderweite Informationen bündeln.
BVK: Ohne Beratung erhebliche Risiken
„Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass der Kostendeckel von einem Prozent und die fehlende Möglichkeit einer qualifizierten Beratung die größten Schwachstellen des PEPP sind“, erklärt BVK-Präsident Michael H. Heinz nach Bekanntwerden der Pläne. „Die nun vorgesehene Abschaffung des Kostendeckels ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Sie ermöglicht endlich eine qualitativ hochwertige Beratung, die für eine sichere Altersvorsorge unverzichtbar ist.“
Der BVK kritisiert jedoch, dass das Basis-PEPP ohne Beratung angeboten werden soll. „Altersvorsorge ist komplex und erfordert individuelle Lösungen. Ein Produkt ohne Beratung birgt erhebliche Risiken für Verbraucher, die ihre Entscheidungen oft nicht allein auf Basis von Informationsmaterial treffen können“, so Heinz weiter. Der BVK fordert daher, dass auch für das Basis-PEPP zumindest eine verpflichtende Beratung vor Vertragsabschluss vorgesehen wird, um Fehlentscheidungen und Versorgungslücken zu vermeiden.
AfW: Bruch mit Qualitätsstandards und Provisionsverbot durch die Hintertür
Der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung teilt diese Bedenken. Während bisher eine vollständige Beratung nach den üblichen europäischen Standards erforderlich war, soll künftig im Falle einer Beratung für das Basic-PEPP keine Abfrage der Kenntnisse und Erfahrungen des potenziellen Sparers mehr erfolgen müssen. Dies stelle, so der AfW, aber einen klaren Bruch mit sämtlichen bestehenden Qualitätsstandards in Deutschland und Europa dar.
Die Beratung zum Basic-PEPP soll künftig ausschließlich unabhängig erfolgen. Das ist aus Sicht des AfW besonders kritisch, denn es bedeute aus Sicht der EU-Kommission: Eine Vergütung durch Produktgeber, mit anderen Worten eine Provision, darf nicht mehr fließen. Damit verbindet die EU eine Absenkung der Beratungspflichten mit einer weitgehenden Einschränkung der Vergütungsmodelle.
„Eine Beratung zweiter Klasse, verbunden mit einem Provisionsverbot – das passt nicht zusammen. Wer hochwertige Altersvorsorgeberatung leisten und für deren Inhalt auch haften soll, braucht ein tragfähiges Geschäftsmodell. Hier schafft die EU ein strukturell komplett unausgegorenes Regime,“ betont AfW-Vorstand Norman Wirth.
Die Folge: Unabhängige Vermittler könnten diesen Bereich kaum noch wirtschaftlich abdecken. Große Banken, Versicherer oder digitale Plattformen könnten das PEPP-Produkt hingegen als standardisiertes Massengeschäft etablieren – ohne individuellen Beratungsanspruch. Dies würde zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen zulasten der unabhängigen Beratung führen. Deshalb fordert der AfW deutliche Nachbesserungen. Demnach dürften die bestehenden Beratungsstandards keinesfalls abgesenkt werden. Insbesondere die verpflichtende Abfrage von Kenntnissen und Erfahrungen müsse erhalten bleiben. Gleichzeitig brauche es Vergütungsmodelle, die eine unabhängige Beratung auch wirtschaftlich tragfähig machen und keine Wettbewerbsnachteile für kleine und mittelständische Beratungshäuser schaffen. Der AfW warnt zudem vor einem faktischen Provisionsverbot durch die Hintertür und plädiert insgesamt dafür, die qualifizierte persönliche Beratung zu stärken, statt gewachsene Qualitätsstandards zurückzufahren.
VOTUM mit genereller Kritik an EU-Bürokratismus
Der VOTUM-Verband stellt vor die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Reformvorschlag eine allgemeine Kritik der europäischen Politik.
Getäuscht von der Nebelkerze der Kommission, mit dem Entwurf einen starren Kostendeckel für PEPP‘s abzuschaffen, habe es bereits zustimmende Bewertungen der Versicherungs- und Vermittlerbranche zu dieser Vorlage gegeben. Diese Einschätzung werde jedoch bei einer gründlichen Prüfung des Verordnungsentwurfs sicher noch revidiert werden, heißt es in der VOTUM-Stellungnahme: „Unter dem Deckmantel der Abschaffung von augenscheinlichen Kostenbegrenzungen erleben wir hier ein klassisches vom Regen in die Traufe mit einem nochmaligen Zuwachs erheblicher Bürokratie.“
Im Ergebnis sei dieser Verordnungsentwurf nicht zustimmungsfähig. Das gesamte Gebaren der EU-Kommission sei hier tatsächlich mehr als kritikwürdig. Sie habe im Jahr 2019 mit der PEPP-Verordnung einen überbürokratischen Ansatz gewählt, dessen erwartetes Scheitern von allen Marktteilnehmern vorhergesehen wurde. Der neue Vorschlag sei die Fortsetzung dieses Irrwegs mit anderen Mitteln.
EU-Gesetzgebungsverfahren läuft
Mit dem vorliegenden Reformvorschlag läuft nun das EU-Gesetzgebungsverfahren weiter. Die Vorschläge zur Änderung der PEPP-Verordnung müssen nun vom Europäischen Parlament und vom Rat ausgehandelt und dann im weiteren Verlauf gebilligt werden. (bh)
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