Dass die Situation in der sozialen Pflegeversicherung alles andere als rosig ist, das ist inzwischen allgemein bekannt. Immer weiter steigende Eigenanteile, Fachkräftemangel und ein finanzielles Defizit in Milliardenhöhe, das laut Zahlen des Bundesrechnungshofs weiterhin dramatisch klettern könnte, belasten die Pflegeversicherung seit Jahren. Der Bundesrechnungshof prophezeit für das Jahr 2026 ein Defizit von 3,5 Mrd. Euro. Ohne Strukturreformen könnten es im Jahr 2029 bereits 12,3 Mrd. Euro sein.
Angesichts dessen könnten Beiträge weiter steigen. Das bestätigte auch Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) diese Woche im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin. „Wenn wir im parlamentarischen Verfahren nicht weitere Mittel für den Haushalt bekommen, ist eine Beitragssatzsteigerung ab Januar zu befürchten“, so Warken. „Die würden wir gerne abwenden.“ Dafür bräuchte es aber „kurzfristig“ weitere Unterstützung im Haushalt.
Arbeitsgruppen haben „keine Denkverbote“
Diese Unterstützung sei auch wichtig, damit die Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission später „wirken können“. Am Montag, den 07.07.2025, hat die Kommission, die damit beauftragt ist, eine große Pflegereform auszuarbeiten, erstmals getagt. Sie soll noch 2025 Ergebnisse vorlegen und wird dafür in zwei Facharbeitsgruppen beraten, wie Warken erklärte. In den nächsten Wochen soll dies wöchentlich geschehen. Die Arbeitsgruppe habe einen „breiten Auftrag“ und laut der Ministerin gebe es „keine Denkverbote“, Man möchte zu tatsächlichen Ergebnissen kommen.
Denkbar sei etwa die Einführung einer verpflichtenden Zusatzversicherung. „Das ist sicherlich ein Punkt, den die Kommission beleuchten wird und der dringend nötig sein wird, um das System zukunftsfest zu gestalten“, erklärt Warken. Auch eine Deckelung der Eigenbeiträge könne in den Blick genommen werden. Der Eigenbeitrag setzt sich jedoch aus zwei Teilen zusammen – Pflege und Betreuung sowie für Verpflegung und Unterbringung. Für eine Deckelung käme jedoch nur der Anteil, der für Pflege und Betreuung entrichtet werden muss, in Frage.
Zudem seien Prävention und Fachkräftemangel Themen, die die Arbeitsgruppe in den Fokus nehmen wird. Eine Art Bürgerversicherung in der Pflege lehnt Warken dagegen ab. Das sei nicht Auftrag oder Ansatz der Arbeitsgruppe. „Und damit sind Probleme ja dann auch nicht gelöst“, so die Ministerin.
PKV-Verband stellt Zehn-Punkte-Plan vor
An Ideen, wie man die Pflege reformieren könnte, mangelt es nicht. Ein Vorschlag kommt vom Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV-Verband), der kürzlich einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt hat. Der PKV fordert demnach einen „echten Paradigmenwechsel in der Pflegefinanzierung“. Die Umlagefinanzierung dürfe nicht ausgeweitet, sondern müsse sinnvoll ergänzt werden. Das solle durch eine Stärkung der Eigenverantwortung und der „generationengerechten privaten und betrieblichen Vorsorge“ geschehen, heißt es in einer Pressemitteilung.
Unter anderem schlägt der Zehn-Punkte-Plan vor, private Vorsorge gezielt steuerlich zu fördern, Bürokratie abzubauen, Prävention zu stärken und die Dynamik bei den Ausgaben der vollstationären Pflege zurückzufahren.
Experten-Rat stellt aktualisiertes Pflege-Plus-Konzept vor
Der PKV-Verband verweist in seinem Plan auf den „praxisnahen und sofort umsetzbaren Vorschlag“ des "Experten-Rats Pflegefinanzen“, der im Jahr 2022 vom PKV-Verband als „unabhängiges und interdisziplinäres Wissenschaftsgremium unter Beteiligung der Verbraucherschützer“ initiiert wurde und unter der Leitung von Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem steht. Bereits im Jahr 2023 legte der Rat einen Vorschlag zu einer kapitalgedeckten verpflichtenden Pflegeversicherung, der sogenannten „Pflege-Plus-Versicherung“, vor. Nun hat der Experten-Rat den Vorschlag mit aktualisierten kalkulatorischen Grundlagen und Beiträgen erneut veröffentlicht.
Mit der Pflege-Plus-Versicherung wären die pflegebedingten Eigenanteile der stationären Pflege bis auf einen Selbstbehalt von 10% versichert. Die Prämien würden paritätisch vom Arbeitgeber mitfinanziert werden, Kinder wären prämienfrei mitversichert, nicht erwerbstätige Ehegatten würden eine halbierte Prämie zahlen, genau wie Versicherte ab einem Alter von 67 Jahren (hier mehr zur Pflege-Plus-Versicherung).
Wasem warnt in einer Pressemitteilung, noch mehr Zeit zu verschwenden. „Uns läuft die Zeit davon, die Pflegeversicherung für die Baby-Boomer-Generation vorzubereiten“, so der Gesundheitsökonom. (js)
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