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13. April 2021
Polizist versetzt sich in den Dienst und wird verletzt – Dienstunfall?

Polizist versetzt sich in den Dienst und wird verletzt – Dienstunfall?

Kann ein Dienstunfall vorliegen, wenn sich ein Polizeibeamter in seiner Freizeit bei dem Versuch verletzt, seine Lebensgefährtin zu verteidigen? Zu dieser Frage musste das Verwaltungsgericht Neustadt eine Entscheidung treffen, nachdem der Dienstherr des Polizisten einen Dienstunfall verneint hatte.

Die Lebensgefährtin eines Polizeibeamten wurde, als sie mit dem Auto auf ihren Partner wartete, von einigen Personen verbal angegriffen und beleidigt. Der hinzueilende Polizist, der aktuell nicht im Dienst und auch nicht als Polizeibeamter erkennbar war, versuchte zunächst zu schlichten. Nachdem die Lage aber weiter eskalierte, gab er sich als Polizeibeamter zu erkennen und wollte die Personalien der anderen Personen aufnehmen, um die Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin zur Strafanzeige zu bringen.

Pöbler geht auf Polizisten los

Im weiteren Verlauf der fortdauernden und zunehmend aggressiven Auseinandersetzung fuhr einer der beteiligten Männer mit seinem Pkw auf den Polizisten zu, verletzte ihn hierdurch am Bein und versetzte ihm im Anschluss einen Faustschlag seitlich von hinten gegen den Kopf. Dafür wurde der Täter später strafgerichtlich wegen Körperverletzung verurteilt. Der Beamte war kurz bewusstlos. Seine Lebensgefährtin rief mit ihrem Mobiltelefon eine Polizeistreife, die kurze Zeit später erschien.

Dienstherr lehnt Anerkennung als Dienstunfall ab

Der Polizist trug aufgrund des Vorfalls mehrere Verletzungen davon und beantragte bei seinem Dienstherrn, dem Land Rheinland-Pfalz, den Vorfall als Dienstunfall anzuerkennen. Das Land lehnte die Anerkennung eines Dienstunfalls mit der Begründung ab, der Streit habe im privaten Bereich stattgefunden, da der Polizist zum Unfallzeitpunkt nicht im Dienst gewesen sei. Es habe auch keine Situation vorgelegen, die sein sofortiges Einschreiten als Polizist erforderlich gemacht hätte. Eine Gefahr in Verzug habe nach Ansicht des Dienstherren nicht bestanden. Der Kläger hätte deeskalierend handeln und wegen der Beleidigungen gegen seine Lebensgefährtin die zuständige Polizeidienststelle verständigen können. Da er sich aus diesen Gründen nicht wirksam selbst in den Dienst versetzt habe, liege auch kein Dienstunfall vor.

Polizist erachtet sein Eingreifen als berechtigt

Der Kläger widersprach der Entscheidung zunächst erfolglos und erhob schließlich Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße. Im Zuge dessen machte er geltend, dass er sich wegen des immensen Aggressionspotenzials der damaligen Auseinandersetzung als Polizeibeamter zu erkennen gegeben habe. Auf diese Weise wollte er Straftaten eindämmen, weitere verhindern und notwendige Feststellungen treffen. Zumindest von dem Beteiligten, der sein Fahrzeug als Waffe eingesetzt und ihn geschlagen habe, sei eine unmittelbare Gefahr ausgegangen, trug der Polizeibeamte vor Gericht vor. Deshalb sei er berechtigt gewesen, nicht auf das Eintreffen einer Polizeistreife zu warten, sondern sich selbst als Polizeibeamter in den Dienst zu versetzen.

Gericht geht von Dienstunfall aus

Das VG Neustadt folgte der Auffassung des Klägers. Nach Überzeugung des Gerichts könne ein Dienstunfall auch dann vorliegen, wenn sich ein Beamter wirksam in den Dienst versetze und ein enger Zusammenhang zwischen dem Dienst und dem Unfall bestehe. Der Beamte befinde sich dann in Ausübung des Dienstes, wenn er aufgrund eigenen Entschlusses aus triftigen und objektiv nachprüfbaren Gründen eine für diesen Zeitpunkt und an diesem Ort nicht vorgeschriebene dienstliche Handlung vornehme. Das gelte auch für Polizeivollzugsbeamte, wenn sie zum Zweck der Verbrechensbekämpfung oder der Gefahrenabwehr einschritten, und zwar unabhängig davon, ob sie gerade Uniform tragen oder nicht.

Polizeibeamter hat sich wirksam in den Dienst versetzt

Nach diesen Maßstäben habe sich der Polizist wirksam selbst in den Dienst versetzt. Das ergebe sich zum einen aufgrund seiner umfassenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der polizeilichen Vernehmung zu dem Vorfall und zum anderen aus seiner Zeugenvernehmung in der Strafsache wegen Körperverletzung gegen den Täter, der ihn anfuhr und schlug. Der Polizist sei damals aus objektiv nachprüfbar triftigen Gründen berechtigt gewesen, sich in den Dienst zu versetzen.

Privates Interesse steht dienstlicher Pflicht nicht entgegen

Zur Aufgabe der Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr gehöre auch das Verhindern oder Ahnden von Vergehen wie Beleidigungen, wie das Gericht erläuterte. Es habe insgesamt eine aggressive, aufgeheizte Situation vorgelegen, deren Ausgang für den Beamten zum Zeitpunkt seines Einschreitens nicht absehbar gewesen sei. Dass er durchaus ein privates Interesse an der Verhinderung weiterer Beleidigungen gegenüber seiner Lebensgefährtin gehabt habe, ändere an dieser Bewertung nichts. Schließlich lag zumindest eine gleichwertige dienstliche Pflicht zum Einschreiten als Polizeibeamter vor, in der Hoffnung, dass sich die Lage beruhige, wenn er sich als solcher zu erkennen gebe. (tku)

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 17.02.2021 – 1 K 354/20.NW

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