AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
10. Januar 2019
Provisionsabgabeverbot und lang laufende Versicherungsverträge

Provisionsabgabeverbot und lang laufende Versicherungsverträge

Das Sondervergütungsverbot gilt laut VAG erst ab einer Grenze von 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob man diesen Schwellenwert dadurch unterlaufen kann, dass man ihn bei lang laufenden Versicherungsverträgen auf den Versicherungsbeitrag umlegt. Rechtsanwalt Dr. Frank Baumann, Sozietät Wolter Hoppenberg, klärt die Rechtslage.

Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der IDD in deutsches Recht das Sondervergütungsverbot in § 48b Abs. 1 VAG geregelt. Gemäß § 48b Abs. 2 VAG ist eine Sondervergütung jede unmittelbare oder mittelbare Zuwendung neben der im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistung, insbesondere jede vollständige oder teilweise Provisionsabgabe, jede sonstige Sach- oder Dienstleistung, die nicht die Versicherungsleistungen betrifft, oder jede Rabattierung auf Waren oder Dienstleistungen. Unschädlich sind solche Sondervergütungen, die geringwertig sind, wobei gemäß § 48b Abs. 2 Satz 2 VAG als geringwertig Belohnungen oder Geschenke zur Anbahnung oder anlässlich eines Vertragsabschlusses gelten, soweit diese einen Gesamtwert von 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr nicht überschreiten. § 34d Abs. 1 Satz 6 GewO nimmt Bezug auf diese Vorschrift.

Bezüglich der Geringwertigkeitsgrenze ist der Begründung des Regierungsentwurfes zu entnehmen, dass die Aufnahme des grundsätzlichen Sondervergütungsverbots in das VAG der Vermeidung von Fehlanreizen für den Verbraucher dienen soll. Deshalb findet es geäß. § 48b Abs. 4 VAG keine Anwendung, wenn die Sondervergütung langfristig dem Versicherungsverhältnis in Form einer dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämien­reduzierung zugute kommt.

Sondervergütung über Gesamt­versicherungsdauer umlegbar?

Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Intention stellt sich nun die Frage, ob eine Sondervergütung auch dann noch als geringwertig im Sinne der gesetzlichen Regelung einzustufen ist, wenn sie zwar einen Betrag von 15 Euro pro Kalenderjahr nicht überschreitet, aber in ihrer Gesamtheit umgerechnet auf die Gesamtversicherungsdauer des Vertrages höher ist als die durch den Gesetzgeber vorgeschriebenen 15 Euro.

Folgende Konstellation wäre dabei denkbar: Ein Versicherungsnehmer schließt mit einem Versicherer einen Versicherungsvertrag mit einjähriger Versicherungsdauer, der eine Verlängerungsklausel enthält, wonach sich das Versicherungsverhältnis um ein weiteres Jahr verlängert, sofern der Versicherungsvertrag nicht rechtzeitig vor Ablauf der Vertragszeit gekündigt wird. Eine solche Verlängerungsklausel stünde grundsätzlich mit § 11 Abs. 1 VVG im Einklang. Denkbar wäre nun, dass, wie zum Beispiel bei Lebensversicherungsverträgen üblich, eine Dynamisierung von Versicherungsleistung und Beitrag vereinbart wird und beide Parteien davon ausgehen, dass die versicherten Leistungen bei Erreichen einer bestimmten Versicherungszeit eine bestimmte Größenordnung erreichen. Die Vertragstreue des Versicherungsnehmers könnte der Versicherer nun mit einem Rabatt belohnen, der zwar die 15-Euro-Grenze pro Kalenderjahr nicht überschreitet, der Gesamtbetrag aller pro Kalenderjahr generierten Rabatte jedoch höher als 15 Euro ist.

Der Wortlaut des § 48b Abs. 2 Satz 2 VAG spricht gegen die Zulässigkeit einer solchen Regelung, denn § 48b Abs. 2 Satz 2 VAG nimmt Bezug auf das Versicherungsverhältnis, welches aber in seiner Identität erhalten bleibt, wenn sich der Versicherungsvertrag aufgrund einer Verlängerungsklausel um ein weiteres Jahr verlängert, wie § 11 Abs. 1 VVG zu entnehmen ist.

Verlängerung des Vertrages um mehr als ein Jahr unzulässig

§ 11 Abs. 1 VVG regelt nämlich, dass eine Verlängerung des Versicherungsverhältnisses aufgrund einer im Voraus vereinbarten Verlängerungsklausel unwirksam ist, soweit sich diese Verlängerungsklausel jeweils auf mehr als ein Jahr erstreckt. Behält demzufolge das Versicherungsverhältnis seine Identität auch dann, wenn es sich aufgrund einer Verlängerungsklausel um ein Jahr verlängert, kann § 48b Abs. 2 Satz 2 VAG nicht durch die Vereinbarung einer Verlängerungsklausel umgangen werden. Selbst wenn der Rabatt nur 10 Euro pro Kalenderjahr betragen würde, aber die Grenze von 15 Euro zum Beispiel schon im zweiten Jahr aufgrund einer vereinbarten Verlängerungsklausel überschritten wird, so würde auch eine solche Sondervergütung gegen § 48b Abs. 1 VAG verstoßen.

Gegen dieses Ergebnis spricht nicht, dass die Rechtsprechung die Mitwirkung eines Versicherungsvermittlers an einer Vertragsverlängerung als Vermittlungsakt qualifiziert, also einen Neuabschluss unterstellt, da die Verlängerung eines Versicherungsvertrags nichts daran ändert, dass das Versicherungsverhältnis als solches ein weiteres Jahr fortgeführt wird.

Sondervergütung nur bei Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages in jedem Jahr

§ 48b Abs. 1 VAG kann demzufolge nur dann nicht zur Anwendung kommen, wenn es bei dem oben beschriebenen Beispiel in jedem Jahr zum Abschluss eines völlig neuen Versicherungsvertrags käme. Dafür reicht aber eine im Voraus vereinbarte Dynamisierung von vereinbarten Leistungen und Beitrag nicht aus. Zwar ließe sich auch hier argumentieren, dass sich die wesentlichen Vertragsbestand­teile, nämlich die versicherte Leistung und der geschuldete Beitrag, in jedem Jahr aufgrund der Dynamisierung ändern, doch ist die Dynamisierung von vornherein in dem Versicherungsverhältnis angelegt und entfällt regelmäßig nur dann, wenn sich der Versicherungsnehmer aktiv gegen eine solche Dynamisierung entscheidet.

Etwas anderes kann daher nur gelten, wenn sich der Versicherungsnehmer in jedem Jahr aktiv für eine Dynamisierung entscheiden muss, um eine solche dann auch herbeizuführen. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, von einem neuen Versicherungsverhältnis zu sprechen. Gleiches dürfte außerdem gelten, wenn von einer sogenannten Nachversicherungsgarantie Gebrauch gemacht wird.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 01/2019, Seite 100 f.
 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann