AssCompact suche
Home
Management & Wissen
27. Januar 2021
Quo vadis Betriebsschließungsversicherung?

Quo vadis Betriebsschließungsversicherung?

Nach wie vor beschäftigen Rechtsstreits im Zusammenhang mit coronabedingten Betriebsschließungen die Gerichte. Im Hinblick auf die Zukunft stellt sich die Frage, wie sich das Pandemierisiko in der BSV versichern lässt. Mit dieser Frage haben sich auch die Aktuare von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) beschäftigt.

Ein Nischenprodukt, das bislang nur wenige kannten, ist im Zuge des coronabedingten Lockdowns in den Mittelpunkt gerückt und hat am Image der Branche gekratzt: die Betriebsschließungsversicherung. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. erst jüngst auf seiner Jahresmedienkonferenz betonte, hätten die Versicherer für tatsächlich versicherte Fälle viel geleistet. Die BSV sei aber nie für eine globale Pandemie oder einen Lockdown konzipiert worden. Pandemien würden das Versicherungsprinzip aushebeln und seien daher rein privatwirtschaftlich nicht zu versichern.

Aktuare beleuchten Versicherbarkeit der Pandemie

Ob und inwieweit das Pandemierisiko abgedeckt werden kann, mit dieser Frage haben sich auch die Aktuare der Meyerthole Siems Kohlruss Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH (MSK) auseinandergesetzt. Die Ergebnisse präsentierte der MSK-Geschäftsführer Dr. Andreas Meyerthole vor Kurzem im Rahmen eines Pressefrühstücks.

„Es macht Sinn, nach Versicherungslösungen zu suchen“, betonte Dr. Meyerthole und verdeutlichte zunächst die „Schwere“ des Kumuls bei Pandemie am Beispiel des Hotel- und Gaststättengewerbes. Geht man von einem jährlichen Umsatz von 90 Mrd. Euro aus, würde bei einer Betriebsschließung von einem Monat und unter der Voraussetzung, dass alle Unternehmen auch ihren vollen Umsatzausfall versichert haben, ein einmonatiger Totalausfall bereits zu einem Schadenbedarf von 7,5 Mrd. Euro führen. Welches Prämienvolumen stünde dem gegenüber? Geht man weiter davon aus, dass ein solches Schadenereignis alle 100 Jahre eintritt, käme man auf eine Risikoprämie von 75 Mio. Euro, also 2,5 Promille des Jahresumsatzes.

Quo vadis Betriebsschließungsversicherung?

Problem der „Schwere“ des Kumuls bei Pandemie

Die hohe Groß- bzw. Kumulschadenneigung einer Pandemie zeigt der Vergleich mit Sturm: So hätten die Versicherer in einem Kyrill-Jahr nach heutigen Wertmaßstäben bei Prämieneinnahmen von 2,5 Mrd. Euro Schäden in Höhe von 3 Mrd. Euro eingefahren, also etwas mehr als das Prämienvolumen eines Jahres. Bei einer Pandemie und dem eingangs angenommenen Prämienvolumen von 75 Mio. Euro würden sich die Schäden der Versicherer auf 7,5 Mrd. Euro belaufen, also das Hundertfache der Prämieneinnahmen.

Quo vadis Betriebsschließungsversicherung?

Um ein solches Szenario zu verhindern, könnten die Versicherer das Risiko diversifizieren, also durch andere Sparten ausgleichen. Das Problem an dieser Risikominderungstechnik im Hinblick auf die Betriebsschließungsversicherung: Zum einen verzeichnen nicht alle Versicherer BSV-Geschäft, zum anderen können Gesellschaften Schäden aus der BSV nicht ausgleichen, da sie entsprechende Sparten, die gut durch die Krise gekommen sind, wie etwa Kfz, nicht bedienen.

Pandemie eingeschränkt versicherbar

Während die Aktuare in einer Pflichtversicherung nicht die beste Lösung sehen ebenso wenig wie in der Gründung eines Spezialversicherers, könnte eine Limitierung der Kumulhaftung beispielsweise auf 20% ein möglicher

Ansatz sein. Ein solches Konstrukt sei nicht unüblich, denkt man an den Fall Thomas Cook. Hier war die Haftung ebenfalls beschränkt, was aber vielen nicht bekannt war. Entscheidend sei deshalb, solche Limitierungen dem Kunden gegenüber im Vorfeld transparent zu kommunizieren. Der im Extremfall nicht gedeckte Betrag könnte durch Pools, den Staat oder Fonds ergänzt werden. Auch das Limit könnte jährlich neu festgelegt werden.

Das Pandemierisiko in der BSV sei eingeschränkt versicherbar, so das Fazit von Dr. Meyerhtole. „Eine kleine Lösung ist immer noch besser als keine Lösung.“ Darüber hinaus brauche es aber Bilanzierungshilfen. Klar sein dürfte aber auch, dass die Risikotragfähigkeit der Versicherer ohne drastische Beitragsanpassungen nicht ausreichen werde. (tk)

Bild: © Irina – stock.adobe.com