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22. September 2022
Rechnungszins im Dauertief
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Rechnungszins im Dauertief

In den letzten Jahren war ein kontinuierlicher Verfall der Zinsen im Allgemeinen und des Rechnungszinses für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Besonderen zu beobachten. Auch wenn das allgemeine Zinsniveau sich derzeit etwas „erholt“, besteht kein Grund zu übertriebener Hoffnung.

Ein Artikel von Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Steuerberater und Professor für Steuerlehre an der Hochschule Amberg-Weiden sowie Vorsitzender des Beirats der Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH, und Carsten Cornelsen, Geschäftsführer der Cornelsen & Collegen Management Consulting GmbH

Der bis vor Kurzem sinkende Rechnungszins führt zu enorm steigenden Rückstellungen für bestehende Zusagen in der Handelsbilanz und zu allem Überfluss auch noch zu vergrößerten zu versteuernden Scheingewinnen, da der Gesetzgeber allen Bemühungen um eine realistischere Bewertung zum Trotz in der Steuerbilanz an einem Rechnungszins von 6% festhält, solange das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde des FG Köln noch nicht entschieden hat. Es besteht also Handlungsbedarf trotz der aktuellen Stagnation bzw. des derzeitigen geringfügigen Anstiegs des von der Bundesbank veröffentlichten Abzinsungssatzes im Sieben- bzw. Zehnjahreszeitraum.

Kein Zinsmoratorium

Von rechtlicher Seite wäre dieser Handlungsbedarf zum Beispiel eine gemeinsame Initiative des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e. V. sowie der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die ein Zinsmoratorium für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2022 forderten. Der HGB-Zins sollte auf dem Niveau von 2019 eingefroren und die Zeit genutzt werden, um eine Neuregelung bezüglich einer sachgerechten Bestimmung des HGB-Zinses zu erarbeiten. Der daraus entstehende Einmaleffekt beim Auslaufen des Zinsmoratoriums könnte dann, wie bei Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2010, auf 15 Jahre verteilt werden. Diesem Vorstoß wurde aber bisher nicht entsprochen und wird es wohl auch angesichts der aktuellen Zinsentwicklung nicht werden.

Gesellschafter-Geschäftsführer

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) mit der Vielzahl der zu berücksichtigenden Gesetze und steuerlichen Vorschriften ist auch ohne die gegenwärtige Zinssituation ein sehr komplexes Feld. Wird der Blick auf die Gesellschafter-­Geschäftsführer- (GGF-)Versorgung gelenkt, steigt die Komplexität noch einmal zusätzlich. Hier muss bei Einführung oder einem Eingriff in bestehende Versorgungszusagen insbesondere wegen der Thematik der verdeckten Gewinnausschüttungen bzw. verdeckten Einlagen eine Vielzahl von zusätzlichen Regelungen bedacht werden, die bei „normaler Arbeitnehmerversorgung“ keine Rolle spielen. Es gilt beherrschende von nichtbeherrschenden GGF zu unterscheiden.

Dreistufige Prüfung

Bei Einführung und auch Veränderung einer Pensionszusage für einen GGF ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen:

  • Ist die zivilrechtliche Wirksamkeit gegeben, indem insbesondere ein Gesellschafterbeschluss gefasst wurde?
  • Bestehen die allgemeinen steuerlichen Voraussetzungen gemäß § 6a bzw. § 4b bis 4e Einkommensteuergesetz (EStG)?
  • Liegt eine betriebliche Veranlassung vor oder eine verdeckte Gewinnausschüttung bzw. verdeckte Einlage?

Für die dritte Stufe sind hier vor allem die Fragen der Angemessenheit im Fremdvergleich, der Ernsthaftigkeit und Finanzierbarkeit, der Erdienbarkeit, eines zulässigen Pensionierungsalters, der Regelung der Unverfallbarkeit sowie einer Probezeit zu klären; bei beherrschenden GGF müssen zudem das Nachzahlungsverbot der R 8.5 Abs. 2 KStR sowie Verschärfungen bei der Erdienbarkeit, der Unverfallbarkeit und dem rechnerischen Pensions­alter beachtet werden.

Zudem muss die privatrechtliche Insolvenzsicherung geprüft werden, da Unternehmer und damit beherrschende GGF nicht dem Schutz des Betriebsrentengesetzes und damit auch nicht dem Schutz des PSVaG unterliegen. Im Falle einer gewünschten Reduzierung der Versorgungszusage, etwa bei finanziellen Problemen in einer Gesellschaft, ist zu prüfen, ob die Ursache betrieblich oder gesellschaftlich veranlasst ist. Gerade in diesen Fällen bestehen hohe Haftungsrisiken für den Berater, da sich die Maßnahmen sowohl in der Bilanz der Gesellschaft als auch im Steuerbescheid des GGF auswirken. Ein Verzicht kann zu einer verdeckten Einlage sowie auf der Ebene des GGF zu einem steuerlichen Zufluss und damit zu einer hohen steuerlichen Belastung ohne Mittelzufluss führen.

Übersicht über Lösungsmöglichkeiten

Derzeit wird unter fachlicher Leitung von Prof. Dr. Thomas Dommermuth, Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH, ein Prüfungstool entwickelt, das bei der Beantwortung all dieser Fragen für die Versorgung eines GGF unterstützt; dieser „GGF-Planer“ wird besonders Steuerberater und Anwälte unterstützen und Ende 2022 auf den Markt kommen. Es werden alle relevanten Fragen softwareseitig gestellt und ein Überblick über die aktuelle Situation sowie die relevanten Lösungsmöglichkeiten mit automatischer Gutachtenerstellung unter Einbeziehung der relevanten Rechtsquellen gegeben. Auf dieser Basis ist sichergestellt, dass keine Prüfungskomplexe vergessen werden.

Fazit

In der Handelsbilanz gibt es mit den Annahmen Fluktuation und Rententrend sowie Kapital- statt Rentenleistung Stellschrauben, die ohne großen Aufwand nutzbar sind, um den Anstieg der Rückstellung abzumildern. Diese Änderungen müssen aber begründbar sein und bedürfen meist einer Beratung. Dies gilt vor dem Hintergrund der gestiegenen Inflation besonders für den Rententrend. Direktzusagen sind in der betrieblichen Altersversorgung weiterhin attraktiv, und das sowohl arbeitgeberfinanziert als auch bei Entgeltumwandlung. Bedingungen hierfür sind aber ein modernes Konzept und eine korrekte Ausgestaltung. Für die äußerst komplexe Versorgung von Gesellschafter-­Geschäftsführern ist derzeit ein Prüfungstool in der Entwicklung, das die Makler, Steuerberater und Anwälte bei der Beratung zu Pen­sionszusagen unterstützt und hilft, kostspielige Fehler und Haftungs­risiken zu vermeiden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 26 f., und in unserem ePaper.

Bild: © chathuporn – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Carsten Cornelsen
Prof. Dr. Thomas Dommermuth