Die BaFin hat teils gravierende Mängel bei der Beratung und dem Verkauf von Versicherungsanlageprodukten festgestellt. Im Rahmen einer Mystery-Shopping-Aktion hat die BaFin die Dienstleistungen beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten analysiert. Konkret sollte überprüft werden, ob Beraterinnen und Berater gesetzlich vorgeschriebene Beratungs-, Informations- und Dokumentationspflichten einhalten. Die Aktion wurde länderübergreifend von der Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) koordiniert. Hierzulande nahmen Testpersonen im Auftrag der BaFin 72 Beratungsgespräche bei sechs Versicherungsunternehmen und deren Vertriebspartnern wahr und schlossen Verträge ab. Die Verträge wurden nach der Aktion widerrufen.
Die Vertriebskanäle, die auf dem Prüfstand standen, waren Beraterinnen und Berater bei einer Ausschließlichkeitsorganisation, Bankenvertrieb sowie Beraterinnen und Berater im angestellten Außendienst. Unabhängige Maklerinnen und Makler waren nicht Teil der Mystery-Shopping-Aktion.
Kundenwahrnehmung und Beratungsdokumentation im Widerspruch
Die Kundenexploration – während der Beraterinnen und Berater Kundinnen und Kunden nach ihren Wünschen und Bedürfnissen befragen – wies laut der Aufsichtsbehörde dabei „oft erhebliche Defizite auf“. Wichtige Informationen wurden vielfach nicht oder nur oberflächlich abgefragt. Dazu gehören Fragen nach bisherigen Erfahrungen mit Anlageprodukten, finanzielle Situation, der Anlagezweck, Anlagedauer, Risikobereitschaft, Liquiditätsbedarf und individuelle Nachhaltigkeitspräferenzen.
Zudem gab es Diskrepanzen zwischen der subjektiven Wahrnehmung der Testkundinnen und -kunden und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen. Die Angaben der Testpersonen und der Dokumentation in den Beratungsprotokollen stimmten teilweise nicht überein oder widersprachen sich sogar. Das war etwa bei der Risikoneigung der Fall. Auch zum Thema Nachhaltigkeit wurden Testpersonen häufig nicht ausreichend aufgeklärt, obwohl dies bei Versicherungsanlageprodukten vorgeschrieben ist.
Unterlagen unübersichtlich, irreführend und zu lang
Zwar wurden Testkundinnen und -kunden in 94% der Fälle über die zu erwartende Rendite sowie in 81% der Fälle über das Risikoniveau informiert, jedoch blieben die Renditeerwartungen nach den Kosten häufig unter der gewünschten Zielmarke von 2%. Die Kosten wurden nur in zwei Drittel der Beratungsgespräche thematisiert.
Ein Dorn im Auge sind der BaFin auch die Beratungs- und Vertragsunterlagen. Sie seien unübersichtlich und teilweise irreführend und häufig über 200 Seiten, in Einzelfällen sogar über 400 Seiten lang.
Zudem erhielten Testkundinnen und -kunden Pflichtinformationen wie das Basisinformationsblatt, die Offenlegung zu Nachhaltigkeitsrisiken sowie die Beratungsdokumentation oft gar nicht oder erst nach Vertragserklärung.
Seite 1 BaFin Mystery-Shopping-Aktion deckt Beratungsdefizite auf
Seite 2 Wenige Verträge erfüllen EIOPA-Kriterien
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