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18. September 2023
Rechtsschutz: Haftungsfalle für Versicherungsmakler?

Rechtsschutz: Haftungsfalle für Versicherungsmakler?

Bei der Vermittlung von Rechtsschutzversicherungen kommt es im Vergleich zu anderen Sparten deutlich öfter zu Haftungsfällen des Versicherungsvermittlers. Nun könnte die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsschutzversicherung Versicherungsmaklern noch weitergehende Pflichten auferlegen. Den Weg der Rechtsprechung und ihre Bedeutung im Einzelfall erläutert Rechtsexperte Björn Jöhnke.

Ein Artikel von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Franziska Geusen, Geschäftsführerin bei Hans John Versicherungsmakler GmbH – ein Spezialmakler für Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen aus Hamburg –, erläuterte im Dezember 2022 auf asscompact.de, dass es bei der Vermittlung von Rechtsschutzversicherungen im Vergleich zu anderen Sparten deutlich öfter zu Haftungsfällen des Versicherungsvermittlers komme. Dieser Auffassung ist sich vollen Umfangs anzuschließen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) zur Rechtsschutzversicherung, die Versicherungsmaklern im Einzelfall weitergehende Pflichten auferlegen könnte.

Rechtsprechung des BGH zur Rechtsschutzversicherung

Maßgeblich für den Eintritt des Rechtsschutzfalls ist der Tatsachenvortrag des Versicherten, so der BGH (BGH vom 30.04.2014 – Az. IV ZR 47/13). Ansonsten würde die Deckung durch die Rechtsschutzversicherung von Tatsachen abhängig sein, die sich möglicherweise erst in einem laufenden Versicherungsprozess ergeben. Begehrt der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für die Verfolgung eigener Ansprüche, so richtet sich die Auslösung des Rechtsschutzfalles allein nach der von ihm behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners, auf die er seinen Anspruch stützt.

Der Tatsache, dass von Rechtsschutzversicherern häufig der Einwand der Vorvertraglichkeit erhoben wird, wurden durch den BGH Grenzen gesetzt (BGH vom 25.05.2015 – Az. IV ZR 214/14). Der BGH hat es in Fällen des Rechtsschutzes für Aktivprozesse als für die Bestimmung des Versicherungsfalles unerheblich angesehen, was der Anspruchsgegner des Versicherungsnehmers gegen dessen Begehren einwendet (BGH vom 03.07.2019 – Az. IV ZR 195/18). Die Festlegung des „verstoßabhängigen“ Rechtsschutzfalles richte sich allein nach den vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzungen, so der BGH.

Begehrt der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung Deckungsschutz für die Abwehr von Ansprüchen – sogenannte Passivprozesse –, so richtet sich die Auslösung des Rechtsschutzfalles ebenso allein nach der von ihm behaupteten Pflichtverletzung seines Anspruchsgegners, auf die er seinen Anspruch stützt (BGH vom 03.07.2019 – Az. IV ZR 111/18).

Als unangemessene Benachteiligung sei es anzusehen, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Versicherungsvertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. In der Rechtsschutzversicherung verpflichte sich der Versicherer, die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder Versicherten erforderlichen Leistung im vereinbarten Umfang zu erbringen. Das Wesen des Versicherungsvertrages bestehe in dem Versprechen einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers, so der BGH (BGH vom 31.03.2021 – Az. IV ZR 221/19). Dieser Unterstützung sei es immanent, dass der Rechtsschutzversicherer bei der Bestimmung des Versicherungsfalles die Tatsachen zugrunde lege, mit denen der Versicherungsnehmer sein Rechtsschutzbegehren begründe. Denn nur so werde diesem die erwartete Unterstützung entgegengebracht. Nach Auffassung des BGH sei dabei entscheidend, dass bei der Festlegung des für die Leistungspflicht des Versicherers maßgeblichen Verstoßes noch kein Raum sei, Tatsachenbehauptungen einerseits des Versicherungsnehmers und andererseits des Anspruchsgegners jeweils auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen oder zu beweisen. Stelle man nämlich auf das Vorbringen des Anspruchsgegners ab, so hätte es dieser in der Hand, dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen. Dies sei nach Auffassung des BGH eine unzumutbare Aushöhlung des Versicherungsschutzes. Ein derart weitgehender Einfluss des Anspruchsgegners auf die Leistungspflicht des Versicherers lasse sich demnach mit dem Vertragszweck einer Unterstützung der Interessenwahrnehmung des Versicherten nicht vereinbaren.

Was hat das nun mit Maklerhaftung zu tun?

Die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsschutzversicherung zeigt, dass der BGH es den Versicherten ermöglichen möchte, auch noch „spät“ für Rechtsschutzdeckung zu Sorgen. Natürlich dürfen sich noch keine Risiken verwirklicht haben. Jedoch ist mit den Entscheidungen des BGH nun als bekannt zu unterstellen, dass nicht zuerst ein Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen sein muss, bevor andere Versicherungsverträge geschlossen werden.

Daher sind Versicherungsmakler gut beraten, ihre Kunden im Einzelfall darauf hinzuweisen, dass eine Rechtsschutzversicherung auch bei bereits laufenden bzw. anderweitigen Vertragsverhältnissen anzuraten ist. Insbesondere wenn für Versicherte mögliche Risiken entstehen könnten und der Makler Kenntnis davon hat, ist dem Versicherten anlassbezogen der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung zu empfehlen. Sollte der Abschluss von den Kunden nicht gewünscht sein, ist die Entscheidung entsprechend zu dokumentieren, insbesondere für den Fall einer möglichen Inanspruchnahme durch den Kunden.

Welche Risiken bestehen für den Makler?

Infolge eines ungeeigneten und nicht gebotenen Versicherungsschutzes aufgrund einer Nichtvermittlung kann der Kunde verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten, wenn ein Makler es pflichtwidrig unterlassen hat, ein bestimmtes Risiko abzudecken (BGH vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12). Nach dieser sogenannten „Quasi-Deckung des BGH“ kann der Kunde den Deckungsschutz, den eine Rechtsschutzversicherung geboten hätte, vom Makler verlangen. Hierbei wird es sehr häufig um die Kosten von Rechtsstreitigkeiten gehen, die eine Rechtsschutzversicherung grundsätzlich übernommen hätte.

Was ist Versicherungsmaklern anzuraten?

Versicherungsmakler sollten die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsschutzversicherung kennen und umsetzen. Gerade im Kundenbestand sollte die Rechtsschutzversicherung grundsätzlich immer mit empfohlen werden. Bevor es also zu einem möglichen Versicherungsfall mit einer anderen Versicherung kommt, sollten Makler dringend eine Rechtsschutzversicherung empfehlen. Empfehlenswert ist ein frühestmöglicher Abschluss. Denn ist ein Versicherungsfall bereits eingetreten und hat der Versicherte zu diesem Zeitpunkt keine Rechtsschutzversicherung, kann es unter Umständen zu Haftungsfragen für Versicherungsmakler kommen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © sommart – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Björn Thorben M. Jöhnke