Ein Artikel von Andreas Heinsen, Geschäftsführer & Rechtsanwalt (CLO) der ALLCURA 4VS GmbH Hamburg
Auch Rechtsschutz wird durchzogen von Buzzwords der Digitalisierung, einer kundenorientierten Vertrags-/Schadenservice-Transformation und reicht bis zum disruptiven digitalen Rechtsmarkt.
Die fortschreitende und durch den BGH mehrfach bestätigte Deregulierung der LegalTech-Geschäftsmodelle mit Inkasso-Lizenzen steht im Zentrum der Diskussionen mit der Anwaltschaft um die zukünftige Rolle von Rechtsschutz. Im Ergebnis eine doppelte Herausforderung für das Spartenmanagement, die das Kerngeschäftsmodell auf den Kopf stellt. Rechtsdienstleistungen werden heute aktiv verkauft, mögliche Rechtsansprüche aggressiv beworben und Massenverfahren in bundesweit agierenden Internetkanzleien gepoolt, wobei rechtsschutzversicherte Mandate besonders beliebt sind.
Neues Marktverständnis der Rechtsschutzversicherung
Nach den Regelungen des VVG ist die Rechtsschutzversicherung eine Schaden- und klassische Kostenversicherung. Die neuen Markt- und Kundenanforderungen führen zu einer „Rechtskonfliktlösungsversicherung“ mit Versicherten und Vermittlern, die über ChatGPT & Co. vorinformiert sind. Der Markt entwickelt sich von einer Legal-Expenses-Insurance- zu einer Legal-Protection-Insurance-Welt und dies bedeutet einen gewaltigen Change für den Mindset einer eher konservativen Versicherungssparte, die in vielen Konzernen ein Schattendasein fristet und ihre Potenziale auch im Sparten-Cross-Selling versickern lassen.
Die hochkomplexen und bis zu vierstufigen Produkt- und Bausteinmodelle, die Rechtsassistance als Schadensteuerungsinstrument und das notwendige Beratungs-Know-how werden daher für den Vertrieb immer komplexer. Rechtsschutz war vor 35 Jahren eine „Verkäufersparte“ und sie ist es noch heute – und wird es absehbar auch bleiben. Daher liegt die Skalierung des Spartenerfolgs in Push & Kampagne, einem „begeisterten“ Vertrieb und einer professionellen Ausschöpfung der Vertriebswege entsprechend den definierten Zielmärkten.
Langeweile in den Vertriebswegen
Der Niedergang der klassischen stationären Vertriebswege gerade im Breitengeschäft wird seit Jahrzehnten beschworen. Schaut man hinter die Rechtsschutz-Kulissen, dann wird es langweilig und Veränderungsdruck kommt auch nicht auf, wobei Stabilität im Vertriebswegemix ein klares Zeichen auch für die eigenen Zukunftsstrategien sein sollte. Gutes und Erfolgreiches besser machen, ist da nur ein klassischer Ansatz.
Der stationäre Vertrieb und insbesondere die Ausschließlichkeit dominieren Rechtsschutz beim akquirierten und betreuten Bestandsbeitrag. Mit jetzt 5,3 Mrd. Euro an Beitragseinnahmen und 28 Millionen Verträgen hat die Sparte die hinteren Komposit-Plätze längst verlassen, wobei der Blick auf die versicherten Risiken weitere Vertriebspotenziale und ertragsstarkes Wachstum im Bestand offenbart. Der zufriedene Bestandskunde ist das Gold des Versicherers. Sich diesem Kunden strukturiert zu widmen, ist gerade im Rechtsschutz von großem Wert. Wenn aber Kunden und Versicherte im Internet recherchieren, um Konfliktlösungsangebote für sich zu finden, dann ist schon einiges schiefgelaufen, teuer wird es obendrein.
Auch die Vertriebswege-Statistik 2024 des GDV wird keine neuen Erkenntnisse bringen. Schauen wir auf den Bestandsbeitrag, dann wird sich die Ausschließlichkeit über einen Anstieg nah der 60%-Grenze aufgrund der Beitragsangleichungen freuen dürfen. Die Bestandsanteilsquoten im Direktvertrieb und bei den Banken werden sinken, es fehlt das volumenstärkere Firmengeschäft. Dies wird sich mit weiteren unvermeidbaren Beitragsanpassungsrunden 2026 bis 2028 fortsetzen.
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