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12. Februar 2024
Risikoversicherungen – Hauptsache billig?
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Risikoversicherungen – Hauptsache billig?

Die Produktwelt der Risikoversicherungen zeigt sich vielschichtiger als oft angenommen. Obwohl die Prämien vergleichsweise niedrig sind, unterscheiden sich die Vorsorgelösungen deutlich in ihren Eigenschaften. Das Analysehaus infinma beleuchtet Unterschiede und warnt vor Anzeigepflichtverletzungen.

Ein Artikel von Dr. Jörg Schulz, Geschäftsführer der infinma GmbH

Zum Jahresende 2022 hatten die Lebensversicherer in Deutschland etwa 7.570.000 Risikoversicherungen im Bestand mit einem laufenden Beitrag von ca. 4,3 Mrd. Euro. Die versicherte Summe lag bei 856 Mrd. Euro. Gemessen am laufenden Beitrag machen Risikoversicherungen allerdings nur 5,2% des Neugeschäfts aus. Dennoch gilt die Risikoversicherung zumindest als Türöffner. Wenn man zahlreichen Medien folgt, dann sind alle Risikoversicherungen qualitativ gleich und der Kunde kann die Auswahl des „richtigen“ Produktes ausschließlich am Preis festmachen. Doch ist das wirklich so?

Preis vs. Produkteigenschaften

Natürlich ist die Risikoversicherung naturgemäß ein sehr preissensitives Produkt. Aufgrund der vergleichsweise geringen absoluten Prämienhöhen fallen Unterschiede zwischen den Anbietern prozentual besonders deutlich aus. Wirft man allerdings einen Blick auf die Qualität der Produkte, sprich die konkreten Produkteigenschaften, dann unterscheiden sich die Angebote doch recht deutlich. Dabei geht es nicht einmal nur um die unterschiedlichen Summenverläufe; die Risikoversicherung wird ja bekanntlich in mehreren Varianten angeboten, bspw. mit konstanter, linear fallender oder annuitätisch fallender Versicherungssumme.

Wirft man einmal einen Blick in die sogenannte Risiko-Lupe beim Institut für Finanz-Markt-Analyse GmbH (infinma), dann kann man schon bei einem zufälligen Vergleich von vier Produkten auf den ersten Blick feststellen, dass ganz offensichtlich doch nicht alle Produkte qualitativ gleich sind. Die Risiko-Lupe von infinma ist ohne Anmeldung und Registrierung frei zugänglich über die Homepage: infinma.com/risiko-lupe.

Insofern geht es bei der Entscheidung für ein bestimmtes Produkt eines konkreten Anbieters nicht nur um die niedrigste Prämie, sondern vielmehr um die Frage, wie viel Wert der Kunde bestimmten Produkteigenschaften zumisst, welche die eine Gesellschaft hat und die andere eben nicht.

Individuelle Situation und Wünsche des Kunden sind relevant

Dabei kann man natürlich über die Wertigkeit bzw. Wichtigkeit der einzelnen Produktmerkmale durchaus geteilter Meinung sein. So wird bspw. die vorgezogene Todesfallleistung bei schwerer Erkrankung in aller Regel positiv bewertet. Das mag auch so sein, allerdings ist es eine sehr individuelle Frage. Wurde die Risikoversicherung abgeschlossen, um die Hinterbliebenen abzusichern, und die versicherte Person nutzt jetzt die vorgezogene Leistung, um sich vor ihrem Ableben noch ein paar schöne Erlebnisse zu gönnen, dann wird die Person das als sehr angenehm empfinden. Der eigentliche Zweck der Versicherung ist allerdings konterkariert. Dieses Beispiel zeigt schon sehr deutlich, dass die Bedeutung von bestimmten Produktmerkmalen stets nur im Kontext mit dem jeweiligen Kunden und der ganz konkreten Absicherungssituation gesehen werden kann.

Vorteilhaft dürfte es in jedem Fall sein, wenn eine Verlängerungsoption vorhanden ist, die es ermöglicht, den Versicherungsschutz ohne erneute Gesundheitsprüfung länger aufrechtzuerhalten. Das könnte bspw. dann Sinn machen, wenn die Risikoversicherung zur Absicherung eines Darlehens verwendet wird und aufgrund der in den letzten Monaten unerwartet schnell und stark gestiegenen Zinsen die Tilgungsdauer des Darlehens verlängert wird.

In der Praxis finden sich zahlreiche Unterschiede

Eine sehr sinnvolle Produkteigenschaft ist sicher auch die sogenannte Soforthilfe. In den Bedingungen liest sich das z. B. so: „Nach Vorlage des Versicherungsscheins und der amtlichen Sterbeurkunde der versicherten Person – bei verbundenen Leben einer der versicherten Personen – leisten wir eine Soforthilfe. […] Die gezahlte Sofortleistung verlangen wir unter keinen Umständen zurück.“ Mit anderen Worten: Es wird ein Teil der Versicherungsleistung, bspw. 10%, sofort erbracht, unabhängig vom Abschluss der Leistungsprüfung. Das dürfte für viele Hinterbliebene sehr beruhigend sein; hat man doch nach dem Tod eines Angehörigen oder Freundes meist genügend andere Sorgen und wird froh sein, wenn man die Beerdigungskosten, zumindest teilweise, aus der Soforthilfe decken kann.

Unter Umständen kann es auch hilfreich sein, wenn die versicherte Person bei Vorliegen von Zahlungsschwierigkeiten die Beiträge (vorübergehend) stunden kann. Hier sind jedoch in der Praxis die Regelungen sehr unterschiedlich. Der Stundungszeitraum variiert bei den einzelnen Anbietern und kann 12 oder auch 24 Monate betragen. Zudem muss bei einigen Gesellschaften ein bestimmtes Ereignis, z. B. die Inanspruchnahme von Elternzeit, eingetreten sein. Die Frage, ob bei einem bestimmten Angebot eine Stundungsmöglichkeit besteht, kann somit zwar grundsätzlich mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. In der Praxis finden sich zahlreiche Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung.

Vorsicht vor vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen

Daneben lässt sich beobachten, dass die Versicherer in der Breite versuchen, die Produkte attraktiver zu machen. Dazu greifen sie u. a. auf Produkteigenschaften wie einen Bau-, Pflege- oder Kinderbonus zurück. Möglicherweise wird auch abhängig vom konkreten Todesfallereignis eine höhere Versicherungssumme fällig.

Gerade aufgrund der eher geringen Prämienhöhen spielen auch diverse Regelungen rund um das Rauchverhalten eine Rolle. Die Frage „Raucher oder Nichtraucher?“ führt bei den meisten Gesellschaften zu unterschiedlichen Prämien, die sich durchaus signifikant unterscheiden können. Dementsprechend gibt es unter Umständen auch die Möglichkeit, dass ein Raucher bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in den Nichtrauchertarif wechselt. Weiterhin wird die Möglichkeit, das Rauchverhalten während der Vertragslaufzeit nachzuprüfen, unterschiedlich gehandhabt.

Die aufgeführten Beispiele zeigen bereits, dass Risikoversicherungen eben doch nicht so gleich sind, wie vor allem Verbraucherschützer gerne glauben machen wollen. Wie bei anderen Produkten auch kommt es stets auf die individuelle Situation und die Wünsche des Kunden an.

Versicherte Person ist selbst nicht die Begünstigte

Daneben ist bei der Risikoversicherung jedoch noch ein weiterer Sachverhalt zu berücksichtigen. Die versicherte Person ist selbst nicht Begünstigte des Vertrages, aber dennoch verantwortlich dafür, dass die Gesundheits- und sonstigen Fragen im Antrag richtig ausgefüllt werden. Bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung werden somit die Hinterbliebenen/Begünstigten „bestraft“. Es verliert also nicht derje­nige seinen Versicherungsschutz, der bestimmte Vorerkrankungen verschwiegen hat, sondern bspw. dessen Ehefrau und Kinder, die mit der Versicherung eigentlich abgesichert werden sollten. Erschwerend hinzu kommt, dass sich nach dem Tod der versicherten Person derartige Streitigkeiten möglicherweise auch nur noch schwer oder gar nicht klären lassen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Day Of Victory Stu. – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Jörg Schulz