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3. Juni 2021
Robustere Lieferketten durch effektive Kooperation von Maklern und Versicherern

Robustere Lieferketten durch effektive Kooperation von Maklern und Versicherern

Wie wichtig störungsfreie Lieferketten in der globalisierten Welt sind, ist seit Jahren bekannt. Die aktuelle Pandemie hat jedoch gezeigt, wie wichtig die enge Zusammenarbeit von Maklern und Versicherern ist, um Unternehmen dabei zu helfen, Schäden zu minimieren und vertragliche Verpflichtungen einzuhalten.

Von Pascal Matthey, Leiter Risk Consulting Transport bei AXA XL.

Wir alle haben am eigenen Leib erfahren, wie erheblich angeordnete Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 unsere eigene Bewegung, gewohnte Abläufe und Zeitpläne beeinflussen können. Viele von uns haben Reisen, Routen, Aufenthalte und vieles mehr verändern oder absagen müssen, da zum Beispiel Grenzen geschlossen wurden oder Flug- und sonstige Häfen ihren Betrieb nicht in der gewohnten Weise aufrechterhalten konnten.

Was im Privatleben einschränkend und belastend ist, kann für Hersteller und ihre Zulieferer massive finanzielle Auswirkungen haben. Wenn beispielsweise ganze Schiffsladungen nicht am geplanten Zielhafen für den Weitertransport per Schiene oder Lkw verladen werden können, weil Kontaktbeschränkungen dies nicht zulassen, müssen schnell Alternativen gefunden werden, die gerade bei verknappten Möglichkeiten zu hohen Mehrkosten führen können.

Noch schlimmer ist es, wenn die Ware zum Beispiel aufgrund von Grenzschließung an einem Ort verbleiben muss. Geht es um verderbliche Ware, sind die möglichen Auswirkungen offensichtlich. Handelt es sich jedoch beispielsweise um Komponenten, die nach einem exakten Zeitplan am Bestimmungsort eintreffen müssten, können sich Betriebsunterbrechungen ergeben, die neben direkten finanziellen Schäden auch Auswirkungen auf die Reputation haben und zum Verlust von Folgeaufträgen führen können.

Transparenz und tiefgehende Kenntnisse

Aufgrund der immens gestiegenen Komplexität heutiger Lieferketten besteht eine der größten Her­ausforderungen in der Steuerung der beteiligten Primär-, Sekundär- und teilweise sogar Tertiärlieferanten.

Eine der Grundvoraussetzungen im Risikomanagement von Lieferketten ist die genaue Kenntnis der Identität, Qualitätsstandards und (Nach-)Produktionskapazitäten der beteiligten Unternehmen. Die Pandemie hat im Zusammenhang mit den beschriebenen Faktoren jedoch gezeigt, wie wichtig zudem die genaue Kenntnis der Produktionsstandorte und der vielfältigen Transportwege ist.

Makler und Versicherer können gemeinsam helfen

Nur für sehr wenige Hersteller lohnt sich die Investition in eigene umfassende Systeme zur globalen Überwachung der Verfügbarkeit und Sicherheit von Transportwegen, Schwank­ungen von Abfertigungsgeschwindigkeiten bei der Verladung und anderen relevanten Faktoren.

Hier kann die Zusammenarbeit mit den richtigen Maklern und Versicherern – neben dem eigentlichen Versicherungsschutz – dazu beitragen, Schäden von vornherein zu vermeiden oder zumindest zu minimieren.

Spezialisierte Transportversicherer verfügen über das nötige Know-how und die technischen Mittel, um Kunden bei der Analyse ihrer spezifischen Risiken zu unterstützen und konkrete Empfehlungen auszusprechen. Spezialisierte Makler hingegen können bei der Zusammenstellung der jeweiligen Deckung ihrer Kunden dafür sorgen, dass diese Expertise für sie verfügbar wird.

Wenn die Risikoberater des Versicherers beispielsweise frühzeitig auf bevorstehende Engpässe in bestimmten Segmenten der Lieferkette hinweisen, können schadenmindernde oder -verhütende Maßnahmen ergriffen und weitere Vorkehrungen getroffen werden, die die Widerstandsfähigkeit erhöhen. Dies gilt ebenfalls für summenmäßige Anpassungen von bestehender Deckung aufgrund erhöhter Lagerwerte entlang der Transportrouten.

Übermäßige Abhängigkeiten reduzieren

Ein Teil der Risikoanalyse von Lieferketten sollte stets die Prüfung der Abhängigkeit von Lieferanten aus einer bestimmten geografischen Region umfassen. Unternehmen, die diesen Aspekt in ihrem Risikomanagement vernachlässigt haben, mussten im Zusammenhang mit der Pandemie teilweise unnötig starke Störungen ihrer Lieferketten hinnehmen, da sie nicht schnell genug reagieren konnten. Befinden sich beispielsweise die Produktionsstätten des Haupt- und der Ausweichlieferanten in demselben Land, kann ein dort angeordneter Lockdown aufgrund mangelnder Flexibilität zu den beschriebenen Auswirkungen führen. Auch bei vertragsgemäßer Produktion (z. B. durch automatisierte Fertigungsprozesse) können sich Lieferungen verzögern oder sogar ausfallen, wenn plötzlich Logistikzentren nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies sind nur zwei der vielen Szenarien, die bei ausreichender Transparenz potenzieller Schwachstellen verhindert werden können.

Letztlich kann jedes Element der Lieferkette von den Beschränkungen im Personen- und Warenverkehr betroffen sein, die im Kampf gegen Covid-19 angeordnet werden. Daher ist die Reduzierung dieser Risiken unerlässlich. Zahlreiche Kunden haben nach dem Ausbruch der Pandemie bereits Anpassungen vorgenommen und setzen aus risikostrategischen Gründen vermehrt auf lokale oder regionale Zulieferer gegenüber fernöstlichen Lieferanten, auch wenn dieser Schritt zu höheren Produktionskosten führen kann. Die aktuell massiv gestiegenen Transportkosten, die aufgrund der verknappten Möglichkeiten auf absehbare Zeit auf hohem Niveau bleiben dürften, wirken sich sicherlich positiv auf diese Entwicklung aus.

Technische Voraussetzungen

Wie bereits angesprochen, können Kunden ohne zusätzliche Investitionen von den Möglichkeiten profitieren, die sich aus der Zusammenarbeit mit Maklern und Versicherern ergeben. Hierbei geht es nicht nur um die reinen Informationen zu angeordneten Kontakt­beschränkungen oder Schließungen, sondern viel detaillierter zum Beispiel um Kumulrisiken durch die Anhäufung von Werten des Unternehmens an einem Ort, der möglicherweise (noch) nicht mit ausreichend hohen Sicherheitsmaßnahmen für diese ungeplante Risikoerhöhung ausgestattet ist. Hierbei ist beispielsweise die organisierte Kriminalität zu nennen, die sich solche Schwachstellen zunutze machen könnte.

Der Einsatz moderner Technologien erlaubt es Risikoingenieuren, auch und gerade in Zeiten von Kontakt- und Reisebeschränkungen Kunden kontinuierlich bei der Erfassung und Bewertung ihrer Risiken zu unterstützen, obwohl beispielsweise keine Werksbesichtigungen möglich sind.

Große Mengen an Risikodaten aus den eigenen Dokumentationen des Kunden sowie vielfältigen öffentlichen Quellen können verarbeitet und über Maschinenlernen ausgewertet werden, um auch weniger offensichtliche Risiken frühzeitig zu eliminieren oder auf Veränderungen zu reagieren.

Bei der frühzeitigen Reaktion auf Störungen können auch vernetzte Technologien helfen, indem transportierte Waren mit Sensoren versehen werden, die laufend Statusmeldungen über deren Verbleib und Zustand übermitteln.

Auch die Reaktion selbst kann mit heutigen und in der Entwicklung befindlichen (Blockchain) IT-gestützten Verfahren in zuvor festgelegter (teil-)automatisierter Form erfolgen, wenn definierte Faktoren eintreten.

Bei aller technischen Unterstützung bleibt jedoch das direkte Zusammenspiel von Kunden, Maklern und Versicherern der Schlüssel für möglichst störungsfreie Lieferketten.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 36 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Kalyakan – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Pascal Matthey